Heidelberg. Im Foyer der Steubenstraße 56-58 in Handschuhsheim weisen Schilder den Weg zur Pflegedienstleitung oder zum Friseur. Es sind Überbleibsel des Alltags im Altenpflegeheim St. Michael, das letztes Jahr geschlossen wurde.
Für die neuen Bewohner des Hauses haben die Schilder keine Bedeutung: Sie werden nicht gepflegt, sondern pflegen. Seit 1. Februar finden bis zu 70 Auszubildende und Beschäftigte aus dem Heidelberger Gesundheitswesen im alten St. Michael eine Unterkunft – zumindest zeitweise.
Pflegeschüler leben in ehemaligem Altenheim
Möglich wird das durch eine Zwischennutzung, die die Stadt Heidelberg zusammen mit der evangelischen Stadtmission und Arbeitgebern im Gesundheitsbereich, etwa der Uniklinik, arrangiert hat. Die Stadtmission hat das alte St. Michael von seiner Eigentümerin, der Caritas, angemietet – als Ausweichquartier während der Sanierung des Stadtmission-Pflegeheims „Haus Philippus“.
Die Sanierung beginnt aber erst Mitte 2025. Bis dahin vermietet die Stadtmission Teile des Hauses an die Stadt Heidelberg weiter. Die Stadt wiederum vermietet über ihren Eigenbetrieb „Heidelberger Dienste“ Zimmerkontingente an Kliniken und Dienstleister, die schließlich einzelne Zimmer an ihr Personal vermieten.
Dank dieser Konstruktion darf sich Guilherme Pereira Ferreira nun Unter-Unter-Untermieter nennen. Der Brasilianer macht eine Ausbildung zum Pflegefachmann bei der Schmieder-Klinik, einer neurologischen Fach- und Rehaklinik. Seit Februar gehört er zu den ersten 35 Gesundheitsfachkräften, die in das alte St. Michael eingezogen sind.
Pereira Ferreira kennt den knallharten Heidelberger Wohnungsmarkt – „immer auf der Suche“ sei man da als Mieter. Dass er nun im schönen Handschuhsheim gelandet sei, sei für ihn eine Überraschung.
Unterkünfte werden oft schnell benötigt
Sein Arbeitgeber, die Schmieder-Klinik, hat ein Kontingent von zehn Zimmern bei der Stadt gemietet. Als „Geschenk des Himmels“ bezeichnet Geschäftsführer Jörg Wegener das Angebot. Die Schmieder-Klinik rekrutiere viele Mitarbeiter im Ausland, die häufig kurzfristig ein Visum erhielten und daher schnell eine Unterkunft bräuchten.
Sie können die Zimmer nun für bis zu ein Jahr mieten. Ein Zimmer mit Nasszelle und Mitbenutzung der Gemeinschaftsküche kostet die Mitarbeiter laut Wegener 200 bis 300 Euro monatlich. „Wir geben nicht den Preis weiter, den wir an die Heidelberger Dienste zahlen“, sagt Wegener.
Projekt soll Fachkräftemangel lindern
Die Stadt Heidelberg spielt die zentrale Rolle in dem Zwischennutzungs-Konstrukt. „Bei uns laufen so viele Fäden zusammen, dass wir in genau solchen Fällen Angebot und Nachfrage zusammenbringen können“, sagt OB Eckart Würzner.
Außerdem sind die städtischen „Heidelberger Dienste“ laut Geschäftsführerin Nadine Hülden der „Dienstleister, der dieses Haus bespielt“, also zum Beispiel Putz- und Hausmeisterdienste übernimmt. Die Stadt verdiene nichts mit ihrer Rolle, zahle aber auch nicht drauf, so Würzner – ihr gehe es darum, den durch den knappen Wohnungsmarkt weiter verschärften Fachkräftemangel am Gesundheitsstandort Heidelberg zu lindern.
Wohnraum ist in Heidelberg extrem knapp
Wie schwierig die Wohnungssuche in Heidelberg vor allem auch für Auszubildende ist, verdeutlicht Heidi Farrenkopf, Geschäftsführerin der Altenhilfe der Stadtmission. „98 Prozent“ ihrer Auszubildenden kämen nicht aus der Region.
Einen Teil des Gebäudes von St. Michael nutzt die Stadtmission daher auch als Wohnraum für die eigenen Auszubildenden. „Wir haben das Gespräch mit der Stadt Heidelberg gesucht, weil wir um die Wohnraumproblematik wissen“, sagt Farrenkopf.
Ohnehin „irritierend“ ist aus Sicht Würzners, dass sich mit dem Studierendenwerk eine öffentliche Einrichtung um Wohnraum für Studierende kümmere, Auszubildenden eine derartige Unterstützung aber nicht gewährt werde. Daher habe die Stadt mit dem „Ausbildungshaus“ vor einigen Jahren auch ein Wohnheim für rund 60 Auszubildende geschaffen. Wie im Falle von St. Michael wird auch im „Ausbildungshaus“ nicht direkt an Privatpersonen, sondern über den Umweg der Ausbildungsbetriebe vermietet.
Weitere Liegenschaften gesucht
St. Michael soll nicht das einzige Zwischennutzungsprojekt seiner Art bleiben. Die Stadt wolle weitere geeignete Liegenschaften ausfindig machen und für Auszubildende und Beschäftigte in der Gesundheitsbranche zur Verfügung stellen, sagt Würzner. Er könne sich vorstellen, dass in Strukturen mit der Stadt in einer Mittlerrolle 200 bis 300 Wohneinheiten zusammenkommen könnten. Außerdem will die Stadt nach Flächen Ausschau halten, die für eine Zwischennutzung mit „Tiny Houses“ in Frage kommen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-wie-ein-frueheres-heidelberger-pflegeheim-zu-neuen-mietern-kommt-_arid,2180621.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html