Baden-Württemberg

Verbände warnen: Wohnungsnot im Südwesten nimmt zu - und wird weiter zulegen

Die Preise steigen, der Wohnraum wird immer knapper. Für Menschen ohne Wohnsitz wird das Leben härter. Sie suchen nicht nur in Rekordzahl die Hilfsdienste auf, ihre Fälle werden auch gravierender

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Martin Oversohl
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Baden-Württemberg. Es leben nicht nur mehr Menschen ohne Dach über dem Kopf in Baden-Württemberg, auch das Ausmaß ihrer Wohnungsnot wird aus Sicht der Wohlfahrtsverbände zunehmend gravierender. "Mit Sorge beobachten wir, dass nicht nur die Zahl der Menschen in Not zunimmt, die wir versorgen. Hinzu kommt, dass die individuellen Problemlagen immer komplexer und herausfordernder werden", teilte der Dachverband von Wohlfahrtsverbänden wie der Caritas und dem Paritätischen Baden-Württemberg in Stuttgart mit. Immer häufiger litten die Menschen unter einer schlechter werdenden Gesundheit, unter psychischen Erkrankungen und Symptomen der Verelendung.

Immer mehr ältere Menschen in Wohnungsnot

Durch den demografischen Wandel nehme der Anteil der über 50-Jährigen in der Wohnungsnotfallhilfe kontinuierlich zu. Mehr als 43 Prozent der Betroffenen gehörten bereits zu dieser Altersgruppe. "Ältere und vorgealterte wohnungslose Menschen weisen häufig besondere gesundheitliche Beeinträchtigungen auf und sind besonders vulnerabel", sagte der Sprecher des Liga-Unterausschusses Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe, Simon Näckel, bei der Vorlage der sogenannten Stichtagserhebung. Für ihre Pflege sei eine besondere Form der Unterstützung notwendig.

Die zugespitzte Lage am Wohnungsmarkt und die steigenden Preise spiegelten sich deutlich in den Rückfragen an die Liga wider. Für wohnungslose Menschen werde die Situation zunehmend dramatisch - und spitze sich weiter zu. "Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftspolitischen Entwicklungen und Herausforderungen wie dem Wohnraummangel, der Armutsentwicklung oder der Aufnahme von schutzsuchenden Menschen ist von einer weiteren Verschärfung dieser Situation in den kommenden Jahren auszugehen", heißt es dazu im Bericht zur jüngsten Stichtagserhebung der Liga.

Nie zuvor gab es so viele Betroffene

Demnach wurden an einem bestimmten Tag Ende September 2022 insgesamt 12 688 Menschen in Einrichtungen der Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe beraten und unterstützt, im Jahr zuvor waren es 12 413. "Noch nie waren mehr Bürgerinnen und Bürger auf die Hilfe der Träger der Wohnungsnotfall- und Straffälligenhilfe angewiesen", sagte der Vorstandsvorsitzende der Liga-BW, Marc Groß. "Das Problem der Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg bleibt nicht nur ungelöst, sondern hat sich seitdem sogar deutlich verschärft."

Die Politik müsse dringend handeln, forderte Groß. Die präventive und vernetzt arbeitende Unterstützung der Menschen müsse ausgebaut werden. Wichtig sei vor allem, Wohnraum für Menschen mit Problemen zu sichern. "Dringend notwendig sind zudem Förderprogramme, die gezielt Wohnraum für Menschen schaffen, die sich in verfestigter Wohnungslosigkeit befinden", sagte Groß weiter.

Stadt- und Landkreise ungefähr gleich betroffen

Die meisten Hilfesuchenden in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr waren Männer (71,2 Prozent), die Gruppe der 25- bis 49-Jährigen machte mit 46,1 Prozent den größten Anteil aus. 8,4 Prozent aller gezählten Menschen waren unter 25 Jahre alt. Die Hilfesuchenden verteilen sich etwa jeweils zur Hälfte auf die Land- und die Stadtkreise. Der Kreis ausländischer Betroffener ist überproportional von Wohnungslosigkeit bedroht.

Nach Angaben der Liga hatte fast jede und jeder Dritte keinen eigenen oder geeigneten Wohnraum. Sie lebten am Stichtag in Not- oder Behelfsunterkünften, bei Bekannten oder ohne Obdach auf der Straße. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum sei eklatant, wohnungslose Menschen würden zudem am Wohnungsmarkt ausgegrenzt, sagte Marcel Groß zur Erklärung. "Insbesondere aus den Ballungsräumen kommen Signale, dass für die Zielgruppe zu den von den Kommunen festgesetzten Mietobergrenzen kaum Wohnraum vorhanden ist", heißt es dazu auch im Bericht.

Die elf in der Liga organisierten Verbände sind nach eigenen Angaben die größten Anbieter von Diensten und Leistungen der sozialen Arbeit in Baden-Württemberg. Sie vertreten mehr als 390 000 Beschäftigte in rund 10 000 Einrichtungen und Diensten. dpa

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