Ausbildung

Warum Pflegeberufe am Mannheimer Klinikum schwer nachgefragt sind

Beim Pflegetag informiert das Universitätsklinikum Mannheim über Pflegeberufe und will Fachkräfte gewinnen. Die Intensiv-, Anästhesie-, Notfall- und Neurologiepflege sind bei Azubis besonders begehrt

Von 
Valerie Gerards
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Mannheim. In den Fluren des Lernkrankenhaus in der Universitätsmedizin Mannheim (UMM) riecht es nach Popcorn und Zuckerwatte, in den Zimmern gibt es Snacks und Erfrischungsgetränke, und vor den Türen kleben Sterne in Hollywood-Boulevard-Manier auf dem Boden. Dahinter spielen sich filmreife Auftritte der verschiedenen Pflegeteams ab, die Einblicke in ihre Arbeitsplätze liefern: Herzdruckmassage, Intubation, Notkaiserschnitt oder Notaufnahme. Rund 90 Auszubildende der Universitätsmedizin Mannheim folgen am Mittwoch der Einladung zum Pflegetag, um sich über ihre weitere Spezialisierung in der Intensiv-, Anästhesie-, Notfall- und Neurologiepflege zu informieren.

Bishnu Thapa ist eine von ihnen. Sie ist im ersten Lehrjahr und interessiert sich für Intensivpflege. „Bevor ich dorthin gehe und eventuell ein Jahr zusätzlich mache, wollte ich persönlich vorbeischauen, ob mein Interesse berechtigt ist“, sagt sie. Ihre Mitschülerin Susma Thapa, die im zweiten Lehrjahr ist, möchte sich hingegen möglichst viele Stationen anschauen und dann entscheiden, wohin sie gehen möchte. Sie interessiert sich ebenfalls für die Intensivpflege, hat aber auch Interesse an der Neurologie und der Stroke Unit.

Diese Bereiche können sie beim Pflegetag sehr praxisnah erleben. Bei der Zentralen Notaufnahme etwa sehen die Besucher, wie das Team der Ursache einer Erkrankung Schritt für Schritt auf den Grund geht, und dürfen darüber abstimmen, wie es mit der Behandlung weitergeht. Hinter der nächsten Tür wird ein Not-Kaiserschnitt simuliert, einen Raum weiter wird am Übungsmodell der Einsatz einer „künstlichen Lunge“ (ECMO) erklärt.

Narkotisieren und intubieren

Bei der Anästhesie wird die Simulationspuppe „Herr Müller“ vor dem Publikum narkotisiert und intubiert. „In einer Vollnarkose können wir uns nicht mit dem Patienten unterhalten. Darum haben wir verschiedene Messinstrumente, zum Beispiel für den Sauerstoff, der in den Blutkörperchen ankommt, und eine Blutdruckmanschette“, erklärt Alexander Isler, Bereichsleiter der Anästhesie. Über einen Zugang an der Hand erhält „Herr Müller“ drei verschiedene Medikamente, darunter ein Muskelrelaxans, um den Beatmungsschlauch durch die Stimmritze schieben zu können. Dann wird die Puppe intubiert.

Es ist eine anspruchsvolle Ausbildung über Anatomie, Recht und Arzneimittel, die Schüler in einem weiteren Ausbildungsjahr absolvieren müssen, falls sie sich für eine Stelle in der Intensiv-, Anästhesie-, Notfall- und Neurologiepflege entscheiden. Doch das hat einen guten Grund, wie Florian Wittmann, Abteilungsleiter der Anästhesie- und OP-Pflege, verdeutlicht. „Die Pflege muss immer eine Schritt weiter als der Arzt sein, um vorausschauend handeln zu können“. Ziel sei es, dass der Arzt keine Anweisungen geben muss, damit es keine Verzögerung gebe.

Ungeachtet des deutschlandweit herrschenden Mangels an Pflegepersonal sorgt der spannende Arbeitsalltag zumindest an der UMM dafür, dass viele junge Menschen diese Ausbildung anstreben – trotz der Schichtdienste und der hohen Arbeitsbelastung, die sie in dem Job erwartet. 30 Bewerbungen kommen derzeit auf einen Ausbildungsplatz, und die Ausbildungsplätze für das Frühjahr 2024 sind laut Wittmann schon komplett belegt.

Er führt das auf die eigene Schule für Anästhesietechnische und Operationstechnische Assistenten zurück, die das UMM seit 2020 beziehungsweise 2021 unterhält. Das Klinikum steuere auf eine positive Perspektive zu, was die Assistenzberufe angeht. „Wir haben eine Übernahmequote von 100 Prozent. Wenn wir nur die Hälfte halten können, haben wir in zwei Jahren überhaupt keine Probleme im Funktionsdienst mehr“, meint er optimistisch.

Pflegekräfte gewinnen

Anstrengende Schichtdienste und Überstunden gehören zum Beruf und sind in Bewertungsportalen immer wieder Gründe für Kritik auch an der UMM. „Wir haben ein sehr gutes Beschwerdemanagement, das auch die Rückmeldungen aus dem Netz heranzieht“, sagt Pflegedirektorin Yvonne Dintelmann. Manchmal könne ein Kommentar online beantwortet und aus der Welt geschafft werden, manchmal brauche es ein Gespräch. Diese biete die Pflegedirektion grundsätzlich an. „Wir praktizieren die offene Tür. Wenn jemand ein Problem hat, kann er direkt zu uns kommen.“

Dintelmann wünscht sich eine größere Differenzierung der Pflegegehälter. Mit der letzten Tarifsteigerung hätten sie sich aber schon verbessert. „Vor allem im Bereich der Dienste und der Fachexpertise haben wir noch Nachholbedarf. Aber das wird kommen.“

Pflegeschüler der UMM betrachten einen künstlichen Blutkreislauf im ARDS-ECMO Zentrum. © Valerie Gerards

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