Frau Bauer, wie fällt Ihre Analyse des ersten Wahlgangs aus?
Theresia Bauer: Es gab keine Mehrheit für den Amtsinhaber. Deshalb sehe ich das Potenzial für einen Wechsel. Es gab aber ein erkennbares Mobilisierungsproblem. Nun geht es darum, möglichst viele zu überzeugen, wählen zu gehen.
Die Wahlbeteiligung war mit 51 Prozent für eine OB-Wahl nicht so schlecht...
Bauer: Es ist immer die Frage, wer zur Wahl geht. Es gibt durchaus mehr Potenzial in dem Milieu, das auch sonst Grün wählt.
Die SPD hat keine Wahlempfehlung zu Ihren Gunsten formuliert. Hat sie das enttäuscht?
Bauer: Es hat mich nicht wirklich überrascht. Es war auch vor 16 Jahren schon so, dass Teile der SPD näher bei Würzner waren. Aber wir haben ein Bündnis von „Wechsel-WählerInnen“ am Start, die sich öffentlich für mich erklären. Dazu gehören auch Persönlichkeiten aus SPD, FDP und Bunte Linke, die mit für mich werben. Genauso wie GAL und „Heidelberg in Bewegung“ und Volt, die als Verbund eine Wahlempfehlung für mich ausgesprochen haben.
Sie haben nur die Weststadt für sich entscheiden können. In welchen Stadtteilen rechnen Sie sich nun besondere Chancen aus?
Bauer: Es geht jetzt darum, in die ganze Stadt zu gehen, die Alternative herauszuarbeiten und deutlich zu machen, dass es bei dieser Wahl um eine Weichenstellung geht.
Theresia Bauer
- Die baden-württembergische Ex-Wissenschaftsministerin (57, Bündnis 90/Grüne) hat ihr Amt aufgegeben, um OB-Kandidatin in Heidelberg zu sein.
- Geboren in Zweibrücken, lebt Theresia Bauer seit 37 Jahren in Heidelberg. Sie hat hier Politikwissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Germanistik studiert, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Seit 2001 ist sie Landtagsabgeordnete.
Amtsinhaber Würzner wird gerne als grün-schwarz skizziert. Wäre Ihnen ein anderer Gegner lieber?
Bauer: Das ist Fake. Er ist nicht grün-schwarz, er ist schwarz-gelb. Er ist der Kandidat, der von CDU, FDP und „Heidelbergern“ unterstützt wird. Er ist eben nicht Kandidat der Grünen. Deshalb stehe ich für die sozialökologische Alternative zum bisherigen Amtsinhaber.
Hätten Sie vielleicht ein bisschen mehr auf Konfrontation gehen können oder müssen?
Bauer: Als Oberbürgermeisterin muss man den Wahlkampf positiv gewinnen. Es geht darum, mit einer guten Vision das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler zu gewinnen. Dennoch stimmt ohne Zweifel, dass die Frage „Was macht den Unterschied aus“ womöglich nicht deutlich genug herausgekommen ist. Das lag weniger am zu wenig konfrontativen Kurs, sondern eher daran, dass jede Idee, jedes Thema, das ich gesetzt habe, vom Amtsinhaber sofort bespielt wurde. Das war ein bisschen wie bei Hase und Igel.
Haben Sie ein Beispiel dafür?
Bauer: Ich habe im Sommer sehr stark das Thema Hitzeanpassung ins Zentrum gestellt und darauf hingewiesen, dass die Erwärmung in Heidelberg ein großes Thema ist. Bei Ortsterminen zum Beispiel auf dem Marlene-Dietrich-Platz in der Südstadt und auf dem Gadamerplatz in der Bahnstadt habe ich gezeigt, dass das Thema Verschattung und Kühlung nicht mitgedacht wurde. Was passiert? Auf dem Marlene-Dietrich-Platz wird nun der Asphalt aufgerissen, und Bäume werden gesetzt. Und der Amtsinhaber hat gerade angekündigt, auch beim Gadamerplatz noch einmal nachzubessern.
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Hat sich Ihr bisheriges Amt als Wissenschaftsministerin etwas als Fluch erwiesen, da Ihnen Entscheidungen angelastet werden, die Sie gar nicht oder nicht alleine verantwortet haben?
Bauer: Das hat sicher eine Rolle gespielt. Aber: Ich bin eine Kandidatin, die eine politische Geschichte mitbringt. Ich bringe zudem Führungserfahrung in politischer Verantwortung mit. Ich habe elf Jahre ein Ministerium geführt – wie ich finde mit sehr großem Erfolg. Wäre ich ein unbeschriebenes Blatt mit Anfang, Mitte 30, könnte man mir nichts anheften – aber ich hätte auch nichts an Führungserfahrung vorzuweisen.
Die Grünen sind in Baden-Württemberg seit elf Jahren in der Regierung, seit 2016 stärkste Kraft im Land. Warum tun sie sich bei der Eroberung der Rathäuser schwer?
Bauer: Ich glaube, dass die WählerInnenklientel der Grünen weniger in den traditionellen Strukturen einer Stadtgesellschaft verankert ist als konservative Kreise. Bei einer Kommunalwahl und besonders bei einer BürgermeisterInnenwahl, ist die Verankerung in traditionellen Strukturen aber von besonderer Bedeutung.
Auf Ihren Plakaten sind die Grünen sehr versteckt: Es gibt nur die kleine, nicht mal gelbe, sondern weiße Sonne. Was steckt dahinter?
Bauer: Es geht nicht um ein Parteiprogramm, sondern um die Frage, mit welcher Entschlossenheit ich als Person die großen Aufgaben anpacken werde. Etwa im Bereich Wohnen, dem anspruchsvollsten Thema des sozialen Zusammenhalts, und bei der Klimaneutralität, die wir in wenigen Jahren erreichen müssen. Diese Fragen brauchen eine Mehrheit in der Stadt, die weit über die Grünen hinausreicht, um ein anderes Tempo an den Tag legen zu können. Deshalb war mir wichtig, als Person und nicht als Parteikandidatin für diese Alternative anzutreten.
Aktuell werben Sie mit dem Slogan der Drei Musketiere: „Eine für alle“. Was wollen Sie damit sagen?
Bauer: Ich vertrete einen Politikansatz, ein neues Miteinander zu leben. Eine engere Kooperation mit denen, die sich engagieren und die etwas für das Gemeinwohl tun. Ich will Heidelberg als Stadt für alle weiterentwickeln.
Die Musketiere sind ein Männerbündnis, dazu bewaffnet. Haben Sie das richtige Bild gewählt?
Bauer: Der Spruch hat sich längst emanzipiert. Ich stehe jedenfalls dafür, dass endlich mehr Frauen in verantwortliche Positionen kommen, auch in die Rathausspitzen. Das ist aktuell viel zu wenig der Fall. In Heidelberg wieder eine weibliche Spitze zu haben, wäre ein Signal, das auch andere ermutigen würde.
Sie kritisieren Stillstand und zähe Prozesse, wollen Dinge schneller voranbringen. Worauf würden Sie sich zuerst stürzen?
Bauer: Zusammen mit der GGH und den Stadtwerken müssen wir sofort das Thema Solaranlagen auf Dächern und den regenerativen Fernwärmeausbau angehen. Wir werden umgehend den Umsetzungsstau in Sachen sicherer Radverkehr und den Vorrang des sauberen Verkehrs angehen. Die Liste der Dinge, die dringend getan werden müssen, ist lang. Auch das Thema Wohnen erlaubt keinen Aufschub. Die leerstehenden Gebäude in Patrick-Henry-Village müssen umgehend für bezahlbares Wohnen genutzt werden. Es ist doch nicht hinzunehmen, dass diejenigen, die hier für ein normales Einkommen arbeiten, und diejenigen, die hier studieren, sich die Mieten nicht leisten können, während in Heidelberg große Gebäude leer stehen. Da brauchen wir schnelle Impulse und Signale, etwa Zwischen-Nutzungen.
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