Weinheim. Weil sie in 4374 Fällen „falsche“ Maskenatteste ausgestellt haben soll - ohne die Patienten gesehen oder eine Diagnose gestellt zu haben - muss sich eine in Weinheim niedergelassene Ärztin vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Mannheim forderte am ersten Prozesstag vor dem Weinheimer Amtsgericht eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie ein dreijähriges Berufsverbot.
Für die Atteste soll die Ärztin, die eine Praxis für Allgemeinmedizin mit Schwerpunkt für Naturheilkunde betreibt, jeweils fünf Euro gefordert haben. Einer Angestellten der Ärztin wird Beihilfe vorgeworfen. Für die Bürohilfe forderte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt werden können, sowie eine Geldstrafe von zwei Monatsgehältern.
„Nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt“
Am Morgen des Prozesstags hatten sich zahlreiche Unterstützer der Ärztin, die sich in „Querdenker“-Kreisen bewegt, vor dem Gerichtsgebäude versammelt. „Freiheit“-Rufe wurden von Trommeln unterstützt. Gegner der Corona-Maßnahmen hielten Schilder mit der Aufschrift „Krank durch Masken: Pilze, Bakterien, Mikroplastik“ hoch. Für Unmut sorgte, dass aufgrund der begrenzten Zahl von Besucherplätzen nur wenige Unterstützer dem Prozess im Sitzungssaal folgen konnten.
Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wurden von der Angeklagten grundsätzlich eingeräumt. Allerdings berief sich die Ärztin auf das „Genfer Gelöbnis“, eine Deklaration des Weltärztebundes, in dem es heißt: „Ich werde, selbst unter Bedrohung, mein medizinisches Wissen nicht zur Verletzung von Menschenrechten und bürgerlichen Freiheiten anwenden.“ In ihrer kämpferischen Einlassung betonte sie die schädlichen Auswirkungen des Maskentragens - physisch wie psychisch. Als Ärztin sei es ihre Pflicht, die Menschen vor diesen Auswirkungen zu schützen. „Ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt. Das Patientenwohl lag mir immer am Herzen“, erklärte die Angeklagte.
Staatsanwältin Anna Herting-Vogel sah den Tatbestand des „Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ erfüllt vor dem Hintergrund, dass ein Attest laut Bundesgerichtshof bereits dann als falsch gelte, wenn ein Zeugnis über einen Befund ausgestellt werde, ohne dass eine erforderliche Untersuchung stattgefunden hat. Das sei der Fall gewesen. Am vorsätzlichen Handeln gebe es keinen Zweifel: „Schon die private Abrechnung zeigt, dass sie hier den Deckel draufhalten wollte.“
Zuvor hatten die Verteidiger von Ärztin und Angestellter eine ganze Flut an Beweisanträgen gestellt, unter anderem um nachzuweisen, dass eine körperliche Untersuchung vor Ausstellung eines Attestes in Zeiten von Telemedizin nicht mehr zeitgemäß ist und dass Masken grundsätzlich gesundheitsschädlich sind. Alle Anträge wurden von Richterin Eva Lösche als „offenkundig überflüssig“ zurückgewiesen. Die Verhandlung wird am Montag, 12. Dezember, um 9 Uhr, fortgesetzt.
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