Fastnachtsumzug

Vor 175 Jahren gab es den ersten närrischen Lindwurm

Viele Geschichten ranken sich um den Heidelberger Fastnachtsumzug, der vor 175 Jahren zum ersten Mal stattfand. Was eine historische Schlacht damit zu tun hat

Von 
Michaela Roßner
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Der letzte Fastnachtszug vor der Pandemie zog 2020 viele Narren in die Hauptstraße. © Philipp Rothe

Heidelberg. Fröhliche Musik, Süßigkeiten, die durch die Luft fliegen, und bunte Wagen mit bissigen politischen Kommentaren: Am Fastnachtsdienstag, 21. Februar, zieht der Heidelberger Fastnachtsumzug durch die Innenstadt. In diesem Jahr ist einiges besonders: Nach zwei Jahren Pandemie-Ausfall ist es der erste Umzug - und nach Absagen ähnlicher Veranstaltungen auch der einzige Umzug in dieser Größenordnung im Umkreis. Außerdem feiern die Karnevalisten das 175-jährige Bestehen des Fastnachtszugs.

In Heidelberg wird die närrische Jahreszeit anders als in Mannheim mit „t“ geschrieben - „denn Fastnacht leitet sich von der Fastenzeit ab“, erklärt Joe Schwarz vom Heidelberger Karnevals Komitee, der Cheforganisator des Fastnachtsumzugs. Allerdings: In der kurpfälzischen Mundart schleift sich das „t“ ab - so klingt es ausgesprochen „Fasnacht“, genauso wie in Mannheim.

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Dass der Fastnachtszug - mindestens - 175 Jahre alt ist, weiß man dank eines gedruckten Programms, das im Archiv aufbewahrt wird. Darauf wird „das Carnevalfest zu Heidelberg“ angekündigt. Gestartet wurde am Mannheimer Tor im westlichen Stadteingang - heute der Bismarckplatz.

Siegreiche Schlacht

Damals gab es 25 Programmnummern, die jeweils von einem „Ritter“ angeführt werden. Der Anlass des Festes geht weit in die Geschichte der Kurpfalz zurück: Am 14. Juni 1462 tobte die Schlacht bei Seckenheim, eine Entscheidungsschlacht im Badisch-Pfälzischen Krieg. In Erinnerung an dieses Datum stellte die Stadt 1848 den Einzug des siegreichen Kurfürsten Friedrich I. von der Pfalz nach. „Ein Herold und zwei Pagen“ führten diesen historischen Umzug an, gefolgt von einem Wagen, „worauf die Musik sich befindet“. Zwei Trommler, einen Lanzenträger und „zwei Pfeifer“ weiter liefen drei Landsknechte mit Gefolge sowie Trompeter hoch zu Pferde „neben einem Paukenschläger“, was die sensiblen Tiere sicher auch damals schon nervös gemacht haben dürfte. Schließlich näherte sichFriedrich hoch zu Ross, begleitet vom Wagen seiner Gemahlin.

Ein Bild aus den 1970er-Jahren: Auch damals führte der Umzug durch die Hauptstraße – allerdings auf altem Pflaster und Schienen. © Stadtarchiv

Dass der Heidelberger Friedrich (1424-1476), der sich auch als Reformator der Heidelberger Universität einen Platz in den Geschichtsbüchern sicherte und unter anderem 1460 die Schauenburg erobert hatte, die Schlacht gegen die Fürsten der Nachbarschaft gewann, verdankt er nach Einschätzung der Historiker einer Taktik: Die Truppen überraschten den Feind südlich Seckenheims im heutigen Dossenwald.

Nach einer kurzen Rast in der Altstadt zog der erste Fasnachtszug der Geschichte hinauf zum Schloss. Heute markiert der Marktplatz den Schlusspunkt - und den Beginn der Party, damals „Waffentänze“ und ein „Festmahl ohne Brod“.

Fortan gab es jedes Jahr einen Umzug - Kriegszeiten ausgenommen. Es gibt viele Geschichten dazu, weiß Joe Schwarz. Etwa jene, dass der Fasnachtszug einmal über den gefrorenen Neckar geführt haben soll. Belege dafür hat der Cheforganisator indes noch nicht gefunden. Auch Fotos gebe es aus den frühen Jahren kaum.

Mehr Motivwagen

Seit Oktober laufen die Vorbereitungen für den Jubiläums-Fasnachtszug. Der Gemeinderat hat einen Zuschuss in Höhe von 160 000 Euro bewilligt. Damit können die Vereine noch mehr Motivwagen für das große Spektakel vorbereiten. Möglicherweise kommen in diesem Jahr, nach der Absage der Umzüge in Mannheim und Frankenthal, deutlich mehr Zuschauer. Das impliziere besondere Anstrengungen, etwa in die Sicherheit. Die Behörden haben ihre Kräfte verstärkt und sind vorbereitet, betont Schwarz.

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Für die Karnevalisten, die dann ab Donnerstag im Einsatz sind und am Wochenende vorher schon Umzüge in den Stadtteilen organisiert haben, ist das Ehrenamt mit viel Verantwortung verbunden. „Wir selbst feiern erst, wenn der letzte Umzugswagen gut angekommen ist“, betont Schwarz.

Noch Fußgruppen gesucht

Auch aus Ilvesheim, Neckargemünd und Eppelheim kommen Karnevalsvereine zum Umzug am Fastnachtsdienstag. Und wer bei diesem ganz besonderen Fastnachtsumzug noch dabei sein will, darf sich gerne bis kommenden Mittwoch melden: Bei den Gruppen der Nicht-Karnevalsvereine gibt es laut Schwarz noch „Luft nach oben“. „Mitmachen, mitgestalten“, möchte er Mut machen.

Die Botschaft, die sie unters närrische Volk bringen möchten, bestimmen die Gruppen natürlich selbst. So gab es vor zwei Jahren eine Gruppe engagierter Veganer, die mit Transparenten mitmarschierten. Apropos: Politik wird bei diesem besonderen Umzug einen deutlich größeren Raum einnehmen, verspricht der Cheforganisator.

Fotostrecke unter mannheimer-morgen.de

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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