Heidelberg. Die rostfarbenen Masten scheinen zufällig zusammengestellt. Sie tragen Schilder, die deplatziert wirken: „Carwash area (Autowaschbereich)“, steht da etwa. Andere zeigen Piktogramme wie das eines Kindes, dem ein Sicherheitsgurt angelegt wird. Oder sie formulieren Verbote: „No Pets allowed (Keine Haustiere)“.
Ein Klangteppich legt sich über diesen Platz vor dem ehemaligen Tor des Europäischen Nato-Hauptquartiers an der Heidelberger Römerstraße: Rundfunkbeiträge aus den 1930er-Jahren, Jazz aus den 1960er-Jahren, Politikeransprachen wie die von Robert Kennedy („Ich bin ein Berliner“), O-Töne aus der Zeit des Mauerfalls. Robin Winogrond hat diese Klanginstallation geschaffen. Nun besuchte die in Chicago geborene Landschaftsarchitektin den „Anderen Park“ in der Südstadt und spazierte mit Interessierten zwischen der Installation hindurch.
Berührende Geschichten
Winogrond unterrichtet neben ihrer praktischen Arbeit an der Harvard University Graduate School of Design und weiteren Universitäten. Sie ist gefragt in Vorträgen, Jurys und Veröffentlichungen und war Resident Artist an der Kunstakademie Stuttgart. Zahlreiche Projekte wurden international mit Preisen ausgezeichnet. Für ihre Arbeit, die nie im leeren Raum ansetzt, sondern immer mit dem arbeitet, was sie vorfindet, hat sie den Begriff „geografische (Wieder-)Verzauberung (Geographical Re-Enchantement) geprägt.
Rund 30 Teilnehmer hatten sich in Heidelberg für den Rundgang mit Winogrond angemeldet. Sie brachten indes nicht nur Interesse an dem Kunstwerk mit, sondern auch viele Geschichten, die die Künstlerin sehr berührten. Aus den 1960er-Jahren, als die US-Kaserne noch für die Menschen aus Nachkriegsdeutschland zugänglich war und sich ein „Wunderland“ öffnete, das nicht nur Zigaretten, Schokolade, Feinstrümpfe und Jazzmusik entdecken ließ, sondern auch den Duft der großen weiten Welt.
Kaserne wurde zur „No Go Area“
Erinnerungen an die 1970er-Jahre wurden erzählt, als die RAF und die Baader-Meinhof-Gruppe Schrecken verbreiteten und auch in Heidelberg Bomben zündeten. Und an die Zeit nach den Terroranschlägen, als dieses Gebiet im Süden Heidelbergs zur „No Go Area“ für die Öffentlichkeit wurde. Mit dem Büro Studio Vulkan Landschaftsarchitektur Zürich/München hat Winogrond während der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2018 bis 2022 den „Anderen Park“ entworfen.
„Krieg und Frieden, Gesellschaft und Erinnern sind schwere Themen für jeden, ganz zu schweigen von den Besuchern eines öffentlichen Parks. Ich wollte die Militärgeschichte bespielen und ins Zentrum des neuen Orts stellen, ernst nehmen und doch, trotz ihrer Schwere, nahbar und persönlich erfahrbar für alle machen“, erklärt die Wahl-Schweizerin.
Sie möchte mit ihrer Arbeit die Menschen aus dem Stadtteil und der ganzen Stadt ermutigen, dieses geschichtsträchtige Areal neu mit Leben zu füllen, ohne die Zeugen anderen Zeiten auszuradieren. Für sie ist jeder Ort „bestimmt vom Flüstern seiner Vergangenheit“. Dieses Flüstern machte die Künstlerin nun für alle Vorbeigehenden hörbar, indem sie Töne aus acht Jahrzehnten verdichtete und einlädt zum Lauschen. Nur nachts „schweigt“ die Skulptur – aus Rücksicht auf die Anwohner.
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