Er soll zwölfjährige Mädchen dazu gebracht haben, ihm Nacktbilder von ihnen per Whatsapp und Snapchat zu schicken. Er soll heimlich Videos von ihnen angefertigt haben, während sie an sich herumspielten. Danach soll er sie erpresst, missbraucht und vergewaltigt haben. Eine 14-jährige Teenagerin soll er zudem unter Androhung von Gewalt zum Oralverkehr gezwungen haben.
Ein 20-Jähriger, der eine völlig verkorkste Kindheit - unter anderem in einem Mannheimer Kinderheim - hinter sich hat, muss sich seit Mittwoch vor der Jugendstrafkammer des Frankenthaler Landgerichts verantworten. Was Staatsanwältin Anne Wolf am Mittwochmorgen um 9.30 Uhr im Sitzungssaal 1 in ihrer Anklageschrift an Vorwürfen aneinanderreihte, ist für sensible Wesen fast nicht zu ertragen.
Um es vorwegzunehmen: Domenic A. lässt seinen Anwalt im Verlauf des Morgens nach einer kurzen Unterredung mit dem Vorsitzenden Richter Alexander Melahn nahezu die ganze Palette an Straftaten einräumen. Die Schilderungen seiner Opfer entsprächen in nahezu allen Teilen dem objektiven Geschehen, gab Verteidiger Joachim Lederle in Abstimmung mit seinem Mandanten an. Domenic A. verhindert mit dieser Einlassung, dass die drei Mädchen ihre Erlebnisse mit dem zur Tatzeit 19-Jährigen noch mal als Zeuginnen vor Gericht schildern müssen - unter seinen Augen. Es ist das Mindeste, was er ihnen ersparen kann, nachdem er ihnen im vergangenen Jahr jegliche Würde genommen hat. Zwischen Februar und August spielte sich das Tatgeschehen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ab. Seit 16. August 2022 sitzt der 20-Jährige in der Jugendstrafanstalt in Schifferstadt ein.
Mit Nacktaufnahmen erpresst
Auf detaillierte Beschreibungen der Taten, die sich in Mannheim, Ludwigshafen und Mutterstadt zugetragen haben sollen, verzichten wir an dieser Stelle bewusst. Nur so viel: Zwei der Mädchen haben den Ermittlern erzählt, dass Domenic A. sie zunächst unter Druck gesetzt habe. Er werde die Nacktaufnahmen, die ihm von ihr geschickt worden seien, irgendwo im Netz veröffentlichen, drohte er einer der beiden Zwölfjährigen an. Auf diese Weise zwang er sie - so ein Punkt der Anklage - zum Analverkehr. Das andere Mädchen soll er genötigt haben, sich vor ihm auszuziehen. Davon fertigte der Beschuldigte den Ermittlungen zufolge ein Video an, das er auf seinem iPhone speicherte. Eine wirkliche Widerrede gibt es vom Angeklagten zu den Vorhaltungen nicht. Lediglich, dass der Sex in einem Fall anfangs einvernehmlich gewesen sei, traut sich der Angeklagte noch über seinen Anwalt mitzuteilen. Und dass er das Alter des einen Mädchens falsch eingeschätzt habe.
Gewalt auf dem Spielplatz
Dass er ein 14-jähriges Mädchen auf einem Spielplatz gezwungen hat, ihn oral und mit der Hand zu befriedigen, nickt Domenic A. nach Darstellung seines Anwalts später ebenso ab wie den Vorwurf, dass er das Mädchen gewürgt und einmal so fest mit dem Kopf gegen ein Klettergerüst geschlagen hat, dass es kurzzeitig das Bewusstsein verlor.
Was bringt einen jungen Menschen dazu, so früh eine solch abgeklärte Brutalität und Aggression zu entwickeln? Richter Melahn widmete sich am späteren Vormittag der Biografie des 20-Jährigen, der in Mannheim geboren wurde, nach eigenem Bekunden aber nur noch sehr vage Erinnerungen an seine Mutter und seinen Vater hat, die ihn früh in die Obhut der Oma geben. Wo er nicht sehr lange bleibt, da die Oma früh unter Demenz leidet, wie Domenic A. erzählt. Was folgt, ist eine Odyssee. Eine Pflegefamilie (sein Onkel) schickt ihn in ein Kinderheim in Thüringen.
Ein Leben voller Rauswürfe
Er fliegt überall raus. Die ersten beiden Klassen wiederholt er. „Ich bin immer weitergereicht worden“, erinnert er sich. Im Alter von neun Jahren raucht er, mit elf kifft er, und schon mit 16 hat er so gut wie alle Drogen konsumiert, die es hier zu kaufen gibt - außer Heroin und Crack. Teilweise dealt er selbst oder spielt - nach eigener Aussage - den Vermittler. So kann er sich die Drogen leisten. Wichtig ist für ihn das, „was besser reinballert“, wie er sagt.
Heimstationen in Mannheim, Sinsheim, Rastatt, Kehl und wieder in Mannheim reihen sich über die Jahre aneinander. Manchmal ist er nur Wochen an einem Ort. Zwischendurch ist er obdachlos - auch bevor er in Haft kommt. In Kehl gelingt ihm trotzdem ein Hauptschulabschluss. „Mein Kopf ist nicht dumm“, sagt er auf die verdutzte Frage des Richters, wie er einen Schulabschluss hinbekommen habe, ohne regelmäßig in dieselbe Schule gegangen zu sein.
Beziehungen zu Mädchen hat Domenic A. im Laufe seiner Jugendjahre nur wenige. Einmal ist er etwa ein Jahr mit einem Mädchen zusammen. Aggressionslose Beziehungen fallen ihm aber schwer. Er wird nach eigener Aussage „schnell wütend“ und raste schnell aus. Vor allem Frauen gegenüber trete er überheblich und grenzüberschreitend auf, hat man in der Jugendstrafanstalt in Schifferstadt spätestens festgestellt, als er eine dort beschäftigte Frau als „Hure“ bezeichnet. Richter Melahn liest aus Dokumenten vor, die ihm aus der Haftanstalt vorliegen. Männern gegenüber tritt er hingegen eher devoter auf. Ihm sei klar, dass er eine Therapie brauche. Nach der Haft wolle er eine Ausbildung als Kfz-Mechatroniker machen. Am 2. März könnte das Urteil fallen.
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