Heidelberg. Die künftigen „Patienten“ sind vielleicht gar nicht krank – könnten aber das todbringende Virus in sich tragen und müssen daher bis zu zwei Wochen Abstand zu anderen halten. Ob sie wollen oder nicht. Ab kommender Woche hält das Universitätsklinikum Heidelberg auf Wunsch des baden-württembergischen Sozialministeriums fünf Zimmer für Quarantäne-Verweigerer bereit. Wie soll das ablaufen, und gibt es überhaupt Bedarf dafür?
„Ab dem 1. Februar 2021 können bis zu fünf Personen, die ihre behördlich angeordnete Quarantäne missachten, in der alten Chirurgischen Klinik untergebracht werden“, bestätigt eine Sprecherin des Heidelberger Universitätsklinikums. Land und Medizinzentrum hätten eine Vereinbarung getroffen.
Land sorgt für Wachdienst
Die Zusammenarbeit sehe so aus: Das Uniklinikum stelle entsprechende Räumlichkeiten zur Verfügung, sorge für „eine angemessene Verpflegung“ und befrage die untergebrachten Personen täglich nach Covid-19-Symptomen. Außerdem würden Untersuchungsleistungen angeboten. Das Land organisiere die Überwachung der untergebrachten Personen über Wachleute. Diese Security-Mitarbeiter seien zudem zuständig für die Aufnahme und Entlassung der Quarantäne-Verweigerer – nach den Vorgaben der Ortspolizeibehörde, also dem jeweiligen Ordnungsamt. Die fünf Zimmer lägen alle auf einem Flur und die Unterbringung soll „ultima ratio“, also das letzte Mittel sein, betont das Sozialministerium: „Da es sich bei der zwangsweisen Unterbringung um eine freiheitsentziehende Maßnahme handelt, die von einem Gericht angeordnet werden muss, handelt es sich um einen schweren Eingriff, der nur als äußerstes Mittel verhältnismäßig ist“, formuliert Pressereferent Florian Mader.
Es sei kein neues Instrument, sondern habe auch bisher schon angeordnet werden können. Es handele sich nicht um eine Strafmaßnahme – und daher auch nicht um Haft – sondern „um eine Maßnahme des Infektionsschutzes“: „Sollte sich der Zustand der Untergebrachten verschlimmern, können diese im jeweiligen Krankenhaus dann auch direkt behandelt werden“, erklärt der Ministeriumssprecher. Das Land unterhalte zwar die Einrichtung, in der die Personen untergebracht sind. Zuständig für den Fall bleibe aber die jeweilige Kommune.
> Überblick: Coronavirus - so viele Fälle sind in der Metropolregion Rhein-Neckar bekannt
> Dossier Corona: Hintergründe, Infografiken, Berichte zur Entwicklung der Pandemie in Mannheim, Heidelberg, Ludwigshafen und der Metropolregion
> Nichts verpassen: Verschärfter Lockdown, Impfungen, milliardenschwere Wirtschaftshilfen – alle Entwicklungen zum Coronavirus: Jetzt 30 Tage gratis E-Paper und Morgenweb lesen
Neben Heidelberg hat das Land das Robert-Bosch-Krankenhaus Schillerhöhe in Gerlingen als zweite Station für notorische Quarantäne-Verweigerer einrichten lassen. Dort ist bereits am Montag eine Person „eingezogen“. Auch andere Bundesländer richten Plätze für uneinsichtige Infizierte oder Kontaktpersonen ein. Nach Vorgabe des Gesundheitsamtes müssen sie zehn oder 14 Tage isoliert bleiben, bevor negative Tests sie aus der Quarantäne entlassen.
„Zwangsweise Absonderung“ heißt die Maßnahme im Behördenton. Das Sozialministerium hat am Freitag alle Ortspolizeibehörden in den Kommunen sowie die Gesundheitsämter angeschrieben und über den Umgang mit sogenannten Quarantäne-Verweigerern informiert. Das Einquartieren in die beiden Unterkünfte des Landes ist nur nach richterlicher Entscheidung möglich und soll erst angestrebt werden, „wenn die anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind“, heißt es in dem Schreiben. So kann eine Behörde zuvor Bußgelder verhängen, die bis zu 25 000 Euro hoch sein dürfen. Verstößt eine Person absichtlich oder bewusst gegen Auflagen und verbreitet auf diese Weise Sars-CoV-2 oder Covid-19 weiter, kann eine Straftat vorliegen. Dem Verurteilten drohen eine Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Vorbeugend könne zudem ein Zwangsgeld angedroht werden. Minderjährige ohne Eltern und psychisch Kranke werden nicht untergebracht – bei Letzteren kommt aber eine stationäre Aufnahme in der Psychiatrie in Frage.
Gründe vielfältig
„Bisher haben sich die Quarantäne-Brüche durch Nachkontrollen und Kontaktaufnahmen in der Regel präventiv verhindern lassen“, formuliert ein Sprecher der Stadt Heidelberg, wie häufig das Ordnungsamt es mit Quarantäne-Querulanten zu tun hat: „Je nach pandemischer Entwicklung und bei einem Anstieg der Fallzahlen kann eine entsprechende Station aber nützlich werden.“ Bisher sei erst einmal eine Person aus Infektionsschutzgründen in der Psychiatrie untergebracht worden. Häufiger hingegen sei, dass Bewohner von Pflegeeinrichtungen und mit Behinderungen per Beschluss des Amtsgerichts in ihren Zimmern eingeschlossen würden.
Und welche Gründe geben Quarantäne-Brecher an? „Die Gründe sind aus dem Leben gegriffen und vielseitig“, sagt der Sprecher der Stadt, „in der Regel private Belange“.
Quarantäne-Pflichten
Die Pflichten in der Quarantäne leiten sich ab von Paragraf 30 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
Unter Absatz 2 steht: „Kommt der Betroffene den seine Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nach oder ist nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen, dass er solchen Anordnungen nicht ausreichend Folge leisten wird, so ist er zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abzusondern. Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können auch in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abgesondert werden.“
Absatz 3: „Der Abgesonderte hat die Anordnungen des Krankenhauses oder der sonstigen Absonderungseinrichtung zu befolgen und die Maßnahmen zu dulden, die der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Einrichtung oder der Sicherung des Unterbringungszwecks dienen.“ miro
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-uniklinikum-heidelberg-fuer-quarantaene-querulanten-bereit-_arid,1750411.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.morgenweb.de/mannheimer-morgen_artikel,-thema-des-tages-alte-chirurgie-in-heidelberg-wird-ort-fuer-quarantaeneverweigerer-_arid,1749412.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.morgenweb.de/mannheimer-morgen_artikel,-coronavirus-coronavirus-so-viele-faelle-sind-in-der-region-bekannt-_arid,1615754.html
[3] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.morgenweb.de/dossiers_dossier,-coronavirus-_dossierid,179.html
[4] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://abo-mannheimer-morgen.morgenweb.de/Digital-testen/?hnr=paywall&utm_source=morgenweb&utm_medium=link&utm_campaign=lockdown
[5] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html