Fauler Pelz - Fraktionen lehnen Maßregelvollzug einstimmig ab

Trotz Ministerbesuch: Heidelberger Gemeinderat lehnt Bauantrag für Faulen Pelz ab

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Michaela Roßner
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Manfred Lucha (l. hinten) gibt dem Heidelberger Gemeinderat sein Ehrenwort. Der bleibt unbeeindruckt. © Uwe Ansbach/dpa

Heidelberg. So einmütig fallen nicht viele wichtige Entscheidungen im Heidelberger Gemeinderat: Ohne Gegenstimmen, bei zwei Enthaltungen, haben die Parteienvertreter am Donnerstagabend dafür gestimmt, den Bauantrag des baden-württembergischen Sozialministeriums zur Nutzung des Faulen Pelz für den Maßregelvollzug um ein Jahr zurückzustellen.

Rund zwei Stunden lang erläuterte Minister Manfred Lucha (Bündnis 90/Grüne), den die SPD-Fraktion in das Gremium eingeladen hatte, am Donnerstagabend die Beweggründe für die vorübergehende Reaktivierung des ehemaligen Gefängnisses. Drei Jahre lang - bis 2025 - sollen hier rund 80 Verurteilte im Maßregelvollzug untergebracht werden. Diese Inhaftierten befänden sich in der Anfangsphase ihrer Strafverbüßung: Hier entscheide sich zunächst, ob die Straftäter therapiewillig seien oder nicht.

Nur erste Phase des Vollzugs

Dann würden sie weiterverlegt: entweder in eine Justizvollzugsanstalt oder in eine Psychiatrie. Freigang hätten diese Menschen zunächst nicht. Das seit Jahren leerstehende Gefängnis biete nahezu ideale Voraussetzungen, argumentierte Lucha weiter. Die elf Millionen Euro, die für diese Zwischennutzung ausgegeben würden, seien nicht vertan: Ein Teil der Sicherungseinrichtung nehme das Land anschließend mit in andere Einrichtungen, von anderem könne die Universität bei ihrer Nutzung später profitieren.

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Lucha sprach von einer „landesweiten Notlage“ im Bereich des Maßregelvollzugs. So habe man im vergangenen Jahr 30 Unterzubringende in Freiheit entlassen müssen, weil kein Platz mit Therapieangebot vorhanden war. In diesem Jahr seien es bereits 17 Personen gewesen.

Vor seinem Auftritt im „Wespennest“, wie Stadträtin Hilde Stolz (Bunte Linke) formulierte, hatte Lucha einen Vertragsvorschlag vorgelegt, welcher der Stadt unter anderem eine Vertragsstrafe zusicherte für den Fall, dass der Gefängnis wider Erwarten und Absicht über 2025 genutzt werde.

Fauler Pelz

  • Benannt ist das Heidelberger Gefängnis wohl nach dessen Adresse – „Oberer Fauler Pelz1“ im ehemaligen Gerberviertel.
  • Der ursprüngliche Name war Pfaffenburg, wegen der vielen revolutionären Geistlichen, die dort einsaßen.
  • Gebaut wurde das Gefängnis in den Jahren 1847 und 1848.
  • Die Pläne für den Sandsteinbau lieferte der Heidelberger Bezirksbaumeister Ludwig Lehndorff (1808-1853).
  • Bis 2015 war das Gefängnis in Betrieb – zuletzt als Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Mannheim. 

Diesen Vertrag pflückte Stadtrat und Jurist Michael Eckert (FDP) auseinander: Die Befristung sei nicht das Papier wert, auf dem sie stehe, urteilte er - unter anderem, weil die erwähnte Vertragsstrafe nicht beziffert werde. Außerdem könne die Stadt gar nicht Vertragspartnerin sein, da sie weder Eigentümerin noch Nutzerin des alten Gefängnisses sei. Lucha relativierte, dass der vorgelegte Entwurf nur eine Vorab-Variante sei und man „über alles reden“ könne. Sören Michelsburg (SPD) kritisierte die schlechte Kommunikation des Landes. Die elf Millionen Euro könnten besser an anderer Stelle genutzt werden - etwa, um leerstehende Kasernen mit Sicherungstechnik für den Maßregelvollzug geeignet zu machen. Jan Gradel (CDU) merkte an, dass möglicherweise nicht ausreichend ernsthaft Alternativen geprüft worden seien. „Beim Ankunftszentrum erlebten wir eine ähnliche Haltung des Landes“, erinnerte er sich.

Delegieren der Aufgabe unmöglich

„Ich kann Ihnen Patrick-Henry-Village nicht wegtherapieren“, signalisierte Lucha Verständnis. „Aber die Flüchtlingswelle 2015 war eine völlig andere Situation, als wir sie jetzt hier haben.“ Lucha bot ein Ehrenwort als „Bäckerssohn und ehemaliger Psychiatrie-Beschäftigter“ an, dass das Land 2025 ausziehe aus dem Faulen Pelz. Er sei an einer einvernehmlichen Lösung interessiert und wolle die „kalte Schulter“ des Gemeinderats aufweichen.

Der Maßregelvollzug sei eine hoheitliche Pflichtaufgabe des Landes und könne nicht an andere Länder abgegeben werden, entgegnete Lucha auf den Vorschlag, statt des Faulen Pelzes ein leerstehendes Gefängnis im Osten der Bundesrepublik zu nutzen. „Sie wollen die kommunale Selbstverwaltung aushebeln“, verwies Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck, der den Gemeinderat in Vertretung des positiv auf Corona getesteten OBs vertrat, auf die Absicht des Landes, beim Regierungspräsidium das Okay für die Baumaßnahmen zu holen.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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