Kommentar Spiel auf Zeit

Michaela Roßner zum Auftritt von Minister Lucha

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Michaela Roßner
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Er gurrte und lobte, er argumentierte unermüdlich, gab sich kumpelhaft und wiederholte geduldig ohne Murren – aber er drohte auch: Sozialminister Manne Lucha (Grüne) hat bei seinem Auftritt in Heidelberg alle Register gezogen. Ja, er schacherte sogar wie auf einem Basar, in dem er „durch die Blume“ zu verstehen gab, dass Landesprojekte in Heidelberg künftig zügiger bearbeitet und großzügiger bedacht werden sollen. Kurzfristig zog er einen Vertrag aus dem Ärmel, der zunächst nur das Papier wert war, auf dem er gedruckt vorlag. Baden-Württemberg hält an seinen Plänen, das seit Jahren leerstehende Gefängnis Fauler Pelz in der Altstadt vorübergehend wiederzubeleben, fest – felsenfest.

Plausibel erklärte „Manne“ die Notlage, in der sich „The Länd“ befindet: In den vergangenen anderthalb Jahren mussten in Baden-Württemberg bereits 47 Straftäter allein deshalb auf freien Fuß gesetzt werden, weil ihnen kein angemessener Platz im Gefängnis angeboten werden konnte. Dass im Osten der Republik Gefängnisse leer stehen, hilft nicht: Der Föderalismus verpflichtet jedes Land, hoheitliche Aufgaben selbst zu bewältigen. Die Unterbringung von Straffälligen gehört genauso dazu wie deren Verurteilung.

Mit Gefängnissen, Psychiatrien und Ankunftszentren verhält es sich ähnlich wie mit Kinderspielplätzen: Sie werden gebraucht, aber niemand möchte sie in der Nachbarschaft haben.

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Es geht um Täter, die entweder im Drogen- oder Alkoholrausch eine Straftat begingen, oder die kriminell wurden, weil sie eine Suchterkrankung haben. Die Gerichte schicken diese Menschen immer häufiger in den Maßregelvollzug. Eine solche Haftstrafe indes umfasst ein Therapieangebot. Psychiatrien laufen genauso über wie Gefängnisse. Es sollen in den nächsten beiden Jahren 300 neue Plätze für den Maßregelvollzug entstehen.

Das Kabinett in Stuttgart hat der Übergangslösung in Heidelberg bereits zugestimmt. Ministerin Theresia Bauer – als Heidelbergerin, OB-Kandidatin und Wissenschaftsministerin gleich dreifach „befangen“ – enthielt sich dabei. Die Pläne der Heidelberger Uni, im Faulen Pelz zu erweitern, wären nicht gefährdet – wenn die Zellen wie versprochen 2025 wieder frei wären.

Aber das ist der Knackpunkt: Heidelberg hat keine guten Erfahrungen damit gemacht, auf Terminzusagen des Landes zu vertrauen. Das Ankunftszentrum, 2015 als vorübergehende Lösung in Patrick-Henry-Village eingerichtet, ist bekanntlich immer noch dort. Und wenn Heidelberg nicht dafür gesorgt hätte, dass die Landeseinrichtung mit Bundesabteilung bald einen neuen Standort ein paar Hundert Meter entfernt bekommt, wäre die Entwicklung ihres 16. Stadtteils wohl immer noch blockiert.

Das Land schiebt die Entscheidung nun dem Regierungspräsidium zu. Die „lange Hand“ Stuttgarts soll den Weg für die von der Stadt gestoppten Bauarbeiten ebnen. Heidelberg spielt auf Zeit. Wohl wissend: Je länger der Zwist anhält, desto weniger lohnt sich die Zwischenlösung. Das Ministerium indes hat keine Zeit zu verlieren.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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