Heidelberg/Stuttgart. Weil die Stadt Heidelberg ihren Widerstand gegen die vorübergehende Nutzung des ehemaligen Gefängnisses Fauler Pelz als Entzugsklinik für suchtkranke Straftäter nicht aufgibt, soll sie nun für dieses Projekt baurechtlich entmachtet werden. Demnach will das Land einen Paragrafen des Baugesetzbuches nutzen. Er sieht vor, dass bei Vorhaben mit einer „besonderen öffentlichen Zweckbestimmung“ nicht die untere Baugenehmigungsbehörde, sondern das Regierungspräsidium entscheidet. Dieses ist eine Landesbehörde.
Umbau für elf Millionen Euro
Das Landeskabinett billigte inzwischen eine entsprechende Kabinettsvorlage aus dem Sozialministerium. Die Stadt hatte immer wieder betont, zum einen in Anbetracht von Umbaukosten von elf Millionen Euro einen Bauantrag zu erwarten. Zum anderen aber durchblicken lassen, dass dieser keine Chance auf Genehmigung habe.
Altes Gefängnis in der Heidelberger Altstadt
- Der ursprüngliche Name des Gebäudes war Pfaffenburg, wegen der vielen revolutionären Geistlichen, die dort einsaßen.
- Gebaut wurde das Gefängnis in den Jahren 1847 und 1848.
- Die Pläne lieferte Bezirksbaumeister Ludwig Lehndorff (1808-1853).
- Bis 2015 war das Gefängnis in Betrieb – zuletzt als Außenstelle der Justizvollzugsanstalt Mannheim, die hier Frauen unterbrachte.
- Seit 2017 ist der „Faule Pelz“ bei Führungen begehbar. Auch als Filmkulisse wurde er genutzt.
Doch das Sozialministerium sieht keine Alternative zu dem ehemaligen Frauengefängnis in der Altstadt, auch wenn es lediglich für drei Jahre zur Verfügung stehen soll. 2025 soll es für eine Anschlussnutzung durch die Universität umgebaut werden. Man habe seit 2017 „unzählige Immobilien“ im ganzen Land geprüft, sagte Udo Frank, Sprecher der Facharbeitsgruppe Maßregelvollzug der Kliniken für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie in Baden-Württemberg. Doch gerade in der ersten Therapiephase seien die Sicherheitsansprüche hoch. Der Faule Pelz sei das einzige Gebäude mit einer nennenswerten Größe, das über die notwendigen baulichen Sicherheitssysteme verfüge und mit einem angemessenen Aufwand reaktivierbar sei, sagte Frank.
„Wir brauchen sehr schnell eine Lösung“, so der Sprecher der Facharbeitsgruppe. Sonst kämen reihenweise Straftäter auf freien Fuß. In diesem Jahr mussten schon sieben entlassen werden, denen nicht rechtzeitig ein Platz in einer geschlossenen Entzugsklinik angeboten werden konnte. Im vergangenen Jahr waren es 30. Rund 100 weitere warten in normalen Gefängnissen auf ihren Platz im so genannten Maßregelvollzug.
Vertreter der Opposition zeigten sich skeptisch gegenüber dem Schachzug der Landesregierung. Das Sozialministerium habe den Faulen Pelz ins Spiel gebracht, um beim Maßregelvollzug aus der Defensive zu kommen. „Stattdessen hat man sich ein neues Problem geschaffen“, sagte der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Wahl bei einer Sitzung des Sozialausschusses. „Der Maßregelvollzug kann aus unserer Sicht nicht gegen die Kommunen durchgesetzt werden.“ Der FDP-Politiker Jochen Haußmann warnte vor einem jahrelangen Rechtsstreit. Die erhoffte schnelle Lösung sei so in weiter Ferne.
Bei einem Ortstermin Anfang Februar in dem ehemaligen Gefängnis hatten Vertreter des Landes und des Zentrums für Psychiatrie in Calw deutlich gemacht, dass hier ab dem dritten Quartal 2022 bis zu 75 suchtkranke Straftäter im Maßregelvollzug unterkommen sollen. Hier finde nur der Anfang der Therapie statt, ohne Freigang für die Häftlinge. Keiner müsse Angst haben, dass die Insassen durch die Stadt schlenderten.
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