Parteien

Spitze der Grünen geht bei Heidelberg-Tour auf Bürgerkritik ein

Die Grünen-Vorsitzenden Franziska Brantner und Felix Banaszak touren einen Tag durch Heidelberg. Hauptkritik der Bürger: Warum verkauft ihr euch so schlecht?

Von 
Stefanie Ball
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Grünen-Co-Vorsitzender Felix Banaszak am Donnerstagmittag auf dem Wilhelmsplatz in Heidelberg. © Stefanie Ball

Heidelberg. Um kurz vor zwölf Uhr mittags herrscht auf dem Wilhelmsplatz in der Heidelberger Weststadt noch Leere. Eigentlich ist am Donnerstag Markttag, doch außer einem Ziegenkäsehersteller aus dem Odenwald und einem Obsthändler aus Speyer sind keine weiteren Stände da. „In den 90er Jahren war das ein lebendiger Markt“, sagt Manfred Edelmann, der Käseverkäufer.

Lebendig wird es auf dem Platz heute aus einem anderen Grund: Die beiden Bundesvorsitzenden der Grünen, Franziska Brantner und Felix Banaszak, kommen heute hier her. Offiziell nennt sich das „Staffelstabübergabe“ zwischen ihren Sommertouren, tatsächlich geht es darum, mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen. Der Wochenmarkt in der Weststadt ist nach einem Besuch bei Berufsschülern der Marie-Baum-Schule an diesem Morgen die zweite Station.

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Schnell wird klar: Gekommen sind diejenigen, die von der grünen Politik nicht überzeugt werden müssen. Im Gegenteil, viele treibt vielmehr die Frage um, wie die Botschaften vermittelt werden, damit sie bei den Leuten auch ankommen. Eine junge Frau, die in Berlin lebt und gerade mit ihren zwei kleinen Kindern die Großeltern in Heidelberg besucht, bedankt sich überschwänglich bei Banaszak. „Ich wollte Ihnen Danke sagen für Ihre Arbeit, bitte halten Sie durch.“ Für sie seien die Grünen die einzige moderne und zukunftsorientierte Partei. Dann steckt ihr vierjähriger Sohn dem Politiker ein kleines grünes Bild zu, das er gerade am Tisch, den Mitarbeiter der Partei zuvor auf dem Platz aufgestellt haben, gemalt hat.

Grünen-Politiker sieht Unfähigkeit zum respektvollen Dialog

Für den gebürtigen Duisburger Banaszak dürften das Begegnungen sein, die er und andere Mitglieder seiner Partei derzeit wohl nicht allzu häufig erleben. Er erzählt, dass sich so mancher inzwischen frage, ob er bei Wahlkämpfen sein Gesicht in Form von Plakaten überhaupt noch zeigen solle. Weil der Hass auf die Partei inzwischen so groß sei.

Karl-Heinz Schulz erhält von Franziska Brantner ein Autogramm. © Stefanie Ball

Wobei es, so seine Analyse, nicht so sehr um die Grünen selbst ginge als das, für das die Partei stehe: eine liberale und offene Gesellschaft. Wer sich gegen eine freiheitliche Grundordnung wende, der finde die Grünen dann doof, so der 35-Jährige. Oder mehr noch: hasse sie. „Da ist was ins Rutschen geraten“, meint der Grünen-Chef, die Fähigkeit, respektvoll miteinander zu diskutieren, gehe zunehmend verloren.

Den rechten Parteien auf sozialen Medien etwas entgegensetzen

Fast schon ein bisschen verärgert meint aber Ute, dass die Grünen auch mal ein bisschen mehr Werbung für sich machen könnten. „Es wird zu wenig erzählt, was die alte Bundesregierung erreicht hat, das merken die Menschen erst jetzt, wo es von der neuen Wirtschaftsministerin Katherina Reiche wieder zurückgedreht wird“, meint die 66-Jährige. Und Gabriele würde sich wünschen, dass die Politik einfach mal macht. „Sich fragen, für welche Positionen man steht, und dann durchziehen.“

Franziska Brantner gehört zu den prominenten Aushängeschildern der Grünen. Sie ist Mitglied im Bundestag, konnte bei der Wahl im Februar ihr Direktmandat in Heidelberg aber nicht verteidigen. © Stefanie Ball

Olga Baur wiederum versteht nicht, warum der AfD, die immerhin in Teilen als sicher rechtsextrem eingestuft sei, in sozialen Medien wie Tiktok nicht mehr entgegengesetzt werde. „Um zu gewinnen, müssen sie mit ihren eigenen Waffen geschlagen werden“, sagt sie. Dinge müssten einfach, kurz und mit Emotionen erklärt werden. „Das geht, auch ohne Beschimpfung.“ Banaszak ist da pessimistisch: „Wir werden nie mit der AfD mithalten können." Allein schon deshalb, weil die sich mehr um ihre Posts als die parlamentarische Arbeit kümmere. Für ihn liegt die Lösung im Gespräch, am besten vor Ort, so wie jetzt in Heidelberg: den Menschen zuhören, ihre Sorgen ernst nehmen.

Dass das offensichtlich ankommt, zeigt sich auch an der Traube von Menschen, die sich um Franziska Brantner gebildet hat. Die 45-jährige gebürtige Baden-Württembergerin ist hier in der Gegend nach wie vor populär. Dass sie bei der Wahl im Februar ihr Heidelberger Direktmandat nicht gegen die CDU verteidigen konnte, tut dem keinen Abbruch. Ein Mann hat einen Brief mitgebracht, den er vorlesen möchte, ein anderer, Karl-Heinz Schulz, möchte ein Autogramm, eine Frau wartet geduldig eine Stunde lang, bis sie endlich an der Reihe ist. Die Themen gehen querbeet, von der geplatzten Richterwahl fürs Bundesverfassungsgericht über das Verbandsklagerecht bis hin zur Frage, wie sie, Brantner, sich auf Interviews etwa im Fernsehen vorbereite.

Es ist bereits nach 13 Uhr, die zwei Marktstände sind abgebaut, das grüne Spitzenduo muss weiter. Am Nachmittag steht ein weiterer Wochenmarkt auf dem Programm, später ein Bier auf den Neckarwiesen und das Kunstfestival Metropolink. Ein paar Menschen bleiben auf dem Wilhelmsplatz zurück, der Dialog geht weiter.

Freie Autorin

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