Heidelberg. „Ferrule“ heißt die kleine Metallhülse am Ende eines Bleistifts, die einen kleinen Radierer einfasst. Der Leiter des Metropolink-Festivals, Pascal Baumgärtner, nutzt den Fachbegriff im Moment fast täglich. Denn er ist mitten in den Vorbereitungen für das nächste Kunstprojekt. Ein 84 Meter hoher Schornstein der Heidelberger Stadtwerke wird zum Streetart-Objekt umgestaltet. Mitten im Stadtteil Bergheim malen internationale Künstler auf den Beton einen Riesen-Bleistift. Er wird von weither zu sehen sein. 400 000 Euro kostet die auf lange Sicht angelegte Kunstaktion.
Heidelberg ist seit zehn Jahren Unesco-Literaturstadt. Aber dieses Jubiläum stand bei der Gestaltung des Schornsteins gar nicht im Vordergrund. Ob Handwerker, Architekten, Kaufleute oder Literaturschaffende: Zwischen Bahnhof und Bismarckplatz haben viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Branchen ihren Arbeitsplatz.
Vielleicht muss im Landratsamt um die Ecke auch mit dem spitzen Bleistift gerechnet werden. Außerdem ist Bergheim ein beliebter Wohn-Stadtteil. Eine „starke Aussage“ jedenfalls attestiert Baumgärtner dem „Heidelberger Bleistift“: „Er ist ein kreatives Ausrufezeichen!“ Nicht mit Spraydosen, sondern mit Spezialfarben werden die Künstler arbeiten. Denn der Schornstein wird rundum von der Sonne aufgeheizt.
Schornstein in Bergheim nur an wenigen Tagen im Winter in Betrieb
Apropos: Der Schornstein ist zwar alt, aber noch in Betrieb, erklärt Stadtwerke-Geschäftsführer Michael Teigeler. Allerdings selten: Das Heizkraftwerk in Bergheim federt nur an wenigen Tagen im Winter, wenn die Fernwärme nicht für alle Haushalte ausreicht, den Betrieb ab. Bergheim sei immer das „Herz der Energieversorgung“ gewesen, erklärt Teigeler. Aber nun, da sich Heidelberg immer weiter nach West entwickle, rücke der Schornstein richtig in die Mitte der Stadt.
Seit einigen Tagen wird der Betonriese - er ist 84 Meter hoch und damit Nummer zwei in Heidelberg hinter dem noch fast 40 Meter höheren Schornstein im Neuenheimer Feld - gereinigt. Der Beton wird, wo es nötig ist, ausgebessert. „Wir nutzen die Gelegenheit, um das Lebensalter zu verlängern“, beschreibt der Stadtwerke-Geschäftsführer, „die Künstler können bald loslegen“.
Die Kosten von rund 400 000 Euro teilen sich die Stadtwerke mit der Stadt. Möglich mache dieses Projekt die Initiative „Mittendrinnenstadt“, beschreibt Erster Bürgermeister und Baudezernent Jürgen Odszuck: Das Stadtzentrum wird von der Altstadt über Bergheim bis zum Hauptbahnhof bis 2025 mit einem Förderprogramm von fünf Millionen Euro gestärkt.
Die Stadt investiert davon 1,25 Millionen Euro aus eigenen Mitteln. Weitere 3,75 Millionen Euro erhält sie als Bundesförderung aus dem Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ des Ministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. In dem bundesweiten Wettbewerb hatte Heidelberg beste Karten, weil es gerade frisch eine „Einzelhandelsstudie“ erarbeitet hatte, erklärt Odszuck: „So konnten wir schnell ein überzeugendes Konzept vorlegen und haben die bundesweit höchste Förderung bekommen.“
Für die Stadtwerke ist der große bunte Bleistift, dessen Spitze in den Boden zeigt, der „zweite von drei Schritten“, kündigt Teigeler an. Auf der Nordseite des Heizwerks ist bereits ein großes Mural (Wandbild) zu sehen. Die drei anderen Fassadenseiten sollen zukünftig durch eine Kombination aus Begrünung und Streetart aufgehübscht werden.
"Heidelberger Bleistift": Wind könnte den Zeitplan gefährden
Projektentwicklerin Christine Tritsch und Pascal Baumgärtner sind nun intensiv damit beschäftigt, die Vorbereitungen für die Gestaltung des Turms zu schaffen. Die Künstler mussten ihre Höhentauglichkeit offiziell unter Beweis stellen und werden auf einem an zwei Stellen unterbrochenen Ringpodest am Schornstein arbeiten.
Wie schnell der „Heidelberger Bleistift“ entsteht, hängt vor allem vom Wetter ab. Einige Wochen können es werden. Starker Wind könnte den Künstlern gefährlich werden. Ein Aufzug bringt sie mit einer Geschwindigkeit von vier bis neun Metern pro Minute in die Höhe und hinunter. Rund um den Turm wird der Bereich aus Sicherheitsgründen abgesperrt. „Nächste Woche geht es los“, freut sich Baumgärtner nach Monaten der Vorbereitung.
Großes Regal an der Theodor-Heuss-Brücke
Hingucker im öffentlichen Raum, einmal im Jahr ein zweiwöchiges Festival sowie die ganzjährig geöffnete Galerie im ehemaligen Supermarkt im Süden des Patrick-Henry-Villages („Commissary“): Das sind die drei Säulen von „Metropolink“. Das „Metropolink“-Festival steigt vom 25. Juli bis zum 3. August im Patrick-Henry-Village (PHV) und im gesamten Heidelberger Stadtgebiet.
Freuen darf man sich wohl auch auf das überdimensionale Bücherregal, das der Unesco-Literaturstadt Heidelberg - den Titel trägt sie seit zehn Jahren - demnächst am Südpfeiler der Theodor-Heuss-Brücke gewidmet wird. Mit der Bürgerstiftung - sie wird 15 Jahre alt - und kuratiert von Baumgärtner schafft der niederländische Künstler Janis DeMan ein Wandbild. In dem Riesen-Regal sollen Werke Heidelberger Autoren stehen. Bürger können nun ihre Lieblingsbücher mit Heidelberg-Bezug nennen - die meistgenannten werden ins Regal gestellt (https://shorturl.at/1eWQn).
Programm unter www.metropolink.art/festival
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