Landau. Kurz vor Weihnachten ist vor dem Landauer Landgericht ein Prozess zu Ende gegangen, der die Region bewegt hat: das Verfahren um den Raserunfall auf der B 44 zwischen Lampertheim und Mannheim-Sandhofen am 20. Juli 2019. Doch was bedeutet das Urteil für frühere Raserfahrten des Angeklagten?
Die Jugendkammer des Landauer Landgerichts hatte den 23-jährigen Unfallfahrer Ende Dezember zu einer vierjährigen Jugendstrafe verurteilt – wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge, Körperverletzung mit Todesfolge und schwerer Körperverletzung.
Verfahren wegen früheren Raserfahrten des Angeklagten vorläufig eingestellt
Während des Verfahrens spielten auch Videos von früheren Raserfahrten des Mannes eine Rolle. Geahndet wurde sie allerdings nicht, weil das Landauer Landgericht, das das Raserfahren von der Frankenthaler Justiz „geerbt“ hatte, ablehnte, auch über die früheren Fahrten zu urteilen, wurde das Verfahren dazu nach Paragraf 154 der Strafprozessordnung vorläufig eingestellt. Demnach kann die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Tat absehen, wenn die Strafe dafür angesichts einer zu erwartenden Strafe für eine andere Tat nicht beträchtlich ins Gewicht fällt.
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Laut Staatsanwaltschaft Frankenthal ist dies im vorliegenden Fall erwartungsgemäß eingetroffen – sollte der BGH entscheiden, dass das Urteil Bestand behält, denn die Verteidiger des Angeklagten haben Revision gegen das Urteil eingelegt. „Es bedarf keiner Neuentscheidung über das eingestellte Verfahren“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Hubert Ströber auf Anfrage dieser Redaktion.
Strafbefehl gegen den B 44-Unfallfahrer von 2019 war gegen das Gesetz
In seiner Urteilsbegründung hatte der Vorsitzende Richter Markus Sturm die Frankenthaler Justiz scharf kritisiert, denn der Unfallfahrer war zunächst von einem Richter am Amtsgericht in Frankenthal per Strafbefehl – in einem verkürzten Verfahren ohne Hauptverhandlung – zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Der Amtsrichter folgte damit einem Antrag der Frankenthaler Staatsanwaltschaft. Außerdem musste der Unfallfahrer 2000 Euro für soziale Zwecke zahlen und seinen Führerschein für ein Jahr abgegeben. Aber: „Der Strafbefehl war ,contra legem’ (lat. gegen das Gesetz) erlassen worden“, sagte Sturm.
Kein Heranwachsender – und dazu zählte der Unfallfahrer, weil er zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alt war – darf über einen Strafbefehl zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden. Dominique Stites, die ihren Sohn bei dem Unfall verlor, und ihr Anwalt Frank Peter aus Worms hatten darauf Videos zusammen getragen, die frühere Raserfahrten des Unfallfahrers belegen. Diese Videos bewogen die Frankenthaler Staatsanwaltschaft zur Wiederaufnahme des Verfahrens – und das ist selten, denn es gibt hohe Hürden dafür, dass ein Verfahren wieder aufgenommen wird, weil hier sozusagen die Rechtskraft eines Urteils durchbrochen wird.
Zur „Kollegenschelte“ des Landauer Richters Sturm sagte Ströber: „Die Aufgabe des Kollegen bestand darin, über Schuld oder Unschuld und ein entsprechendes Strafmaß zu entscheiden.“
Am Frankenthaler Amtsgericht wollte ein Sprecher nach Rücksprache mit dem zuständigen Richter keine weitere Stellungnahme zur Urteilsbegründung des Landauer Kollegen abgeben. „Meines Erachtens nach war die Kritik des Landauer Richters absolut berechtig“, so der Wormser Rechtsanwalt Frank Peter. Vor allem die Einstellung des Verfahrens zu den früheren Raserfahrten sei nicht nachvollziehbar. „Bei der Vorgeschichte kommt das einer Verhöhnung der Opfer gleich.“
Ein tragischer Unfall auf der B 44 ist Hintergrund für die Wiederaufnahme des Falls
Am 20. Juli 2019 kam es zu einem tragischen Unfall auf der B 44 zwischen Lampertheim und Mannheim-Sandhofen. Mit knapp 180 Stundenkilometern – so die Berechnungen eines Sachverständigen – kam der hochmotorisierte BMW des Angeklagten von der regennassen Fahrbahn in Fahrtrichtung Mannheim ab. Er geriet ins Schlingern und prallte dann gegen einen Baum, der durch den Aufprall aus der Erde gerissen wurde. Der hintere Teil des Wagens wurde dabei so stark zusammengedrückt, dass zwei Insassen– 18 und 19 Jahre alt – auf der Rückbank keine Überlebenschance hatten. Ein dritter junger Mann wurde so schwer am Kopf und an der Wirbelsäule verletzt, dass er sich wahrscheinlich nie von dem Unfall erholen wird.
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