Das Wichtigste in Kürze
- Die Bluttat in Heiligkreuzsteinach führte zu einem Prozess in Heidelberg. - Eine 39-jährige Witwe und eine 72-jährige Mutter sind wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. - Die Tat soll aus Rache für einen vergifteten Hund erfolgt sein.
Rhein-Neckar. Die Bluttat von Heiligkreuzsteinach liegt sieben Monate zurück. Seit Montag leuchtet die Schwurgerichtskammer am Landgericht Heidelberg die Ermordung eines schlafenden 42-Jährigen aus. Weil sich die mutmaßliche Messerstecherin bei einer Hausdurchsuchung selbst erschossen hat, sitzen die 39-jährige Witwe des brutal Getöteten und die 72-jährige Mutter der nicht mehr lebenden Haupttäterin auf der Anklagebank. Den beiden Frauen wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen.
Beim Prozessauftakt verliest Erster Staatsanwalt Jakob Pichon einen kurzen Anklagesatz. Danach soll sich in der letztjährigen Sommermacht zum 8. Juli Folgendes abgespielt haben: Eine 48-Jährige nutzte den an der Haustür steckenden Schlüssel des Nachbarhauses, um zu später Stunde in das Schlafzimmer des 42-Jährigen einzudringen und dort auf diesen einzustechen – wobei sofort die Halsschlagader getroffen wurde. Der Strafverfolger geht von einem Rachefeldzug aus. Hintergrund: Die Angreiferin war wohl überzeugt, dass der Nachbar ihren Schäferhund vergiftet hatte.
Das Opfer stöhnte: „Ich verblute“
Laut Anklage soll die Ehefrau des Opfers den Tatplan unterstützt haben, indem sie die per Zettel mitgeteilten Anweisungen befolgte: Nämlich kein Licht im Haus anzuknipsen und erst bei Dämmerung der Polizei einen angeblichen Einbruch zu melden. Wie der Staatsanwalt ausführt, hat die 39-Jährige zwar gehört, wie ihr Ehemann „ich verblute“ stöhnte, aber gleichwohl holte sie keine Hilfe, sondern rauchte auf der Terrasse und durchforstete auf ihrem Smartphone unzählige TikTok-Botschaften. Die Ehefrau muss sich auch wegen unterlassener Hilfe verantworten. Der 72-jährigen Mutter der Messerstecherin wirft die Anklage vor, als eingeweihte Komplizin gewissermaßen Schmiere gestanden zu haben.
Nicht nur der Saal ist voll, als um 9 Uhr der Prozess beginnt, drangvolle Enge auch an den Tischen für die Ankläger. Die Eltern des Opfers, die schon vor der Bluttat die beiden Enkeltöchter betreut haben, verfolgen das Verfahren als Nebenkläger. Der Kammervorsitzende Jochen Herkle gibt bekannt, dass es vorab keine Gespräche im Sinne eines „Deals“ gegeben hat. Verteidigerin Andrea Combé weist im Namen ihrer Mandantin darauf hin, dass diese sich nur zu ihrer Biografie äußern möchte – als Einlassung zur Sache gebe es eine schriftliche Erklärung.
„Wir wollen Sie näher kennenlernen“, so Richter Herkle, der die 39-Jährige intensiv zu Kindheit, Ausbildung und zur Situation als Ehefrau und Mutter befragt. Obwohl die Fleischereifachverkäuferin eine Ausbildung vorzuweisen vermochte, fallen bei ihren beruflichen Stationen viele kurze Beschäftigungsverhältnisse auf. „Ich brauche etwas länger als andere“, begründet sie häufige Kündigungen, manche schon während der Probezeit. Sätze wie „ich fühlte mich überfordert“ ziehen sich einem roten Faden gleich durch ihre Schilderungen.
Der Alltag sollte ihr insbesondere über den Kopf wachsen, als 2009 und 2014 die Töchter auf die Welt kamen. „Job, Kinder, Haushalt wurden mir zu viel.“ Sobald der Richter die Sprache auf den Ehemann bringt, blockt die Angeklagte ab. In der späteren Verteidigererklärung wird von „gewalttätigen Auseinandersetzungen“ die Rede sein. Hingegen gibt die Frau mit den schwarzen langen Haaren Einblicke in zwei monatelange Psychiatrie-Aufenthalte, in einem Fall ausgelöst von einem Suizid-Versuch. Sie berichtet von schweren depressiven Schüben wie von Angstzuständen. Einige Wochen vor der folgenschweren Nacht habe sie eigentlich schon eine eigene Wohnung angemietet, um sich von ihrem Mann zu trennen.
Rückblickend „unverständliches Verhalten“
Über ihre Anwältin lässt die 39-Jährige vortragen, dass sie die Ankündigung ihrer benachbarten Freundin, sich wegen des vergifteten Hundes an ihrem Ehemann zu rächen, nicht ernst genommen, für Geschwafel gehalten habe. Als sie kurz nach der blutigen Attacke aus dem Schlaf hochschreckte, sei sie aufgrund ihrer starken Medikamente nicht in der Lage gewesen, die Situation einzuordnen. Außerdem habe sie das Messer in der Hand der Freundin derart in Angst versetzt, dass sie sich nicht traute, sofort die Polizei zu verständigen. Heute wisse sie, wie „unverständlich“ ihr Verhalten war.
Die zweite Angeklagte gibt über ihren Anwalt lediglich preis, dass sie als Rentnerin mit zwei Hunden „recht zurückgezogen“ auf dem Land lebt. Die ihr vorgeworfene Beihilfe zum Mord weist sie in einer von ihrer Anwältin Sandra Bauer verlesenen Erklärung vehement von sich. Die 72-Jährige beteuert, die Tat weder begangen noch mit ihrer Tochter verabredet zu haben.
Zum Start der Beweisaufnahme trägt der Vorsitzende Richter Passagen aus dem Urteil eines gut zehn Jahre zurückliegenden Prozesses vor, in dem die spätere Messerstecherin wegen gefährlicher Körperverletzung, nämlich Schlagen der Mutter mit einem Staubsaugerrohr, verurteilt wurde. Offenbar litt die Tochter der angeklagten Seniorin an einer Persönlichkeitsstörung mit „schizophrenen Anteilen“.
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