Justiz

Lebenslange Haftstrafen nach Doppelmord an Ukrainerinnen

Ein Ehepaar aus Sandhausen plante den Mord an zwei Frauen aus der Ukraine akribisch, um an das Baby der jüngeren zu kommen. Nun sind die Angeklagten verurteilt worden.

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Agnes Polewka
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An der Nato-Rampe in Hockenheim fand die jüngere der beiden Frauen ihren Tod. Sie wurde brutal erschlagen, anschließend ging ihr Leichnam in Flammen auf. © René Priebe/pr-video/dpa

Rhein-Neckar. Es war ein Prozess voller verstörender Details. Da gab es Chat-Nachrichten, in denen sich die Angeklagten nüchtern darüber ausließen, wie sie zwei Frauen, die sie kurz zuvor kennengelernt und umgarnt hatten, ermorden könnten. „Dann erledigen und anzünden“, hieß es darin. Und dazwischen ging es um das Abendessen, den Familienalltag der beiden Angeklagten – Eheleute aus Sandhausen. Ein Mann (43) und eine Frau (45), die einen gemeinsamen Sohn haben, und drei Kinder aus früheren Beziehungen.

Das Schwurgericht am Mannheimer Landgericht hat das Paar – Marco und Ina O. – am Montag zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Auch stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Damit gilt es als nahezu ausgeschlossen, dass ihre Haftstrafen nach Ablauf der Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden.

In der Urteilsbegründung rekonstruiert der Vorsitzende Richter Gerd Rackwitz am Montag die Tat und ihre akribische Planung. Er spricht aber auch über das Motiv, über den innigen Wunsch der Angeklagten, eine gemeinsame Tochter zu bekommen, der sich nicht erfüllte.

Wunsch nach gemeinsamer Tochter wurde zur Obsession

Im Laufe des Verfahrens hatte sich gezeigt, dass die beiden irgendwann die Kontrolle über diesen Wunsch verloren, der zur Obsession wurde. Und sie zu Mördern machte. Zu den Mördern an zwei Frauen, die aus der Ukraine vor dem Krieg nach Deutschland geflüchtet waren. Eine 51-Jährige und ihre 27 alte Tochter. Die 27-Jährige war selbst gerade Mutter einer Tochter geworden. Und dieses Mädchen wollte das Paar entführen und behalten – um jeden Preis.

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Auch gab es in diesem Prozess Bilder – tatsächliche und sich vorgestellte –, die nur schwer zu vergessen sind. Bruchlinien, die die Ärztliche Direktorin des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität Heidelberg, Kathrin Yen, an Schädelimitaten der Opfer aus dem 3D-Drucker eingezeichnet hatte. Sie zeugen von der Wucht der Schläge, die die Opfer trafen. Auch sprach sie über die gekrümmte Haltung des verbrannten Körpers des 27-jährigen Opfers, die fehlenden Extremitäten ihres verkohlten Leichnams, der zuvor ein gesunder junger Körper gewesen war.

Unvergessene Bilder und Sätze, die im Kopf bleiben

Und da waren noch andere Sätze, die im Kopf bleiben, etwa die Beschreibung von Oberstaatsanwältin Katja König, die in ihrem Plädoyer rekonstruierte, wie der Angeklagte Marco O. der 51-Jährigen die Schlinge eines Drahtseiles um den Hals legte, um daran den bewusstlosen, geschlagenen Körper, in dem offenbar noch Leben war, in einen Weiher bei Bad Schönborn zu zerren, wo er ihn liegen und zum Sterben zurückließ.

Zuvor hatte das Paar den Frauen mit Medikamenten versetzte Getränke verabreicht, um sie zu sedieren. Während sie vorgaben, die ältere der beiden ins Krankenhaus zu fahren, weil sie sich nach der Medikamentengabe unwohl fühlte, tötete Marco O. die Frau. Anschließend holte das Paar die jüngere Frau ab – unter dem Vorwand, sie zu ihrer Mutter zu bringen. Auch sie starb an den Folgen heftiger Schläge gegen den Kopf, wahrscheinlich mit einem Gummihammer.

Oder das, was Rechtsanwalt Thomas Franz aus Ketsch, der die Tochter und Schwester der Opfer vor Gericht vertrat, berichtete: Wie seine 20-jährige Mandantin in einem Lkw voller Habseligkeiten ihrer Angehörigen, ihre kleine Nichte im linken Arm und die Urnen ihrer Mutter und ihrer Schwester im rechten, zurück in ihre ukrainische Heimat fuhr.

In Bad Schönborn fand die 51-Jährige ihren Tod. Nach Schlägen gegen ihren Kopf zerrte ihr Mörder ihren bewusstlosen, noch lebenden Körper in ein Gewässer in Bad Schönborn. © dpa

Marco O. atmet schnell und flach, während Rackwitz das Urteil des Schwurgerichts verkündet, sein Brustkorb hebt und senkt sich unkontrolliert. Seine Frau sitzt regungslos auf der Anklagebank. Thomas Franz nickt zustimmend. Später, nach der einstündigen Urteilsverkündung wird er gegenüber Journalistinnen und Journalisten sagen, dass mit diesem Urteil eine Last von ihm abfalle, nach diesem Verfahren, das um ein Verbrechen der Entmenschlichung zweier Frauen kreiste.

Noch steht nicht fest, ob die Angeklagten Revision einlegen werden

Die Beweisaufnahme habe erschreckende und verstörende Einblicke in die Abgründe dieser Taten gewährt, sagt der Vorsitzende Richter. Er findet deutliche Worte, spricht von „krasser Eigensucht“ und Rücksichtslosigkeit.

Das Schwurgericht folgte mit der Feststellung der „besonderen Schwere der Schuld“ den Forderungen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Die Heidelberger Verteidiger des Paares – Rechtsanwalt Jörg Becker und Rechtsanwältin Sandra Bauer – hatten eine Verurteilung zu einer lebenslangen Haftstrafe, allerdings ohne die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld, beantragt. Ihre Mandanten haben zu Beginn des Verfahrens die Tat eingeräumt. Auf Nachfrage gaben beide Verteidiger nach dem Urteil an, noch nicht final mit ihren Mandanten entschieden zu haben, ob sie Revision dagegen einlegen wollen.

Eine Entscheidung, die die Tochter und Schwester der getöteten Frauen am Telefon erhalten werde, sagt ihr Anwalt. Von einem Kripo-Beamten, der ihre Sprache spricht und sie mit Kolleginnen und Kollegen in Deutschland betreut hat, nachdem ihre Mutter und ihre Schwester brutal getötet worden waren, um an das kleine Mädchen zu kommen, für das die junge Frau nun die einzige Familie ist, die ihm geblieben ist.

Redaktion

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