Heidelberg. Das Heidelberger Congress Centrum (HCC) soll im Frühjahr eröffnet werden. Doch nun ist klar: Kurz nach der Eröffnung wird das neue Veranstaltungshaus in der Bahnstadt wieder zu einer großen Baustelle. Rund 890 000 Euro sollen in eine Nachrüstung investiert werden, damit der große Saal auch für klassische Konzerte genutzt werden kann. Rund zehn Wochen veranschlagen die Experten für diesen Umbau. Nach intensiver Diskussion hat der Heidelberger Gemeinderat die Maßnahme am Donnerstagabend auf den Weg gebracht. Mit 24 zu 19 Stimmen - und gegen den Willen von SPD und „Heidelbergern“ gab das Gremium das Geld frei.
Die Verantwortlichen des Klassik-Festivals „Heidelberger Frühling“ und das Philharmonische Orchester der Stadt hatten Alarm geschlagen: Ihnen drohten im kommenden Jahr die Spielstätten zu fehlen. Denn das künftige Konzerthaus, die Stadthalle, wird gerade saniert und soll erst 2025 zur Verfügung stehen. Und die Universität, die zuletzt als Ausweich-Spielstätte ihre Aula am Uniplatz für Konzerte überlassen hatte, will das offenbar in Zukunft nicht mehr tun.
Fast eine Million Euro - dieses Geld hätten nicht nur die Sozialdemokraten lieber an anderer Stelle investiert, etwa im Schulbau. Dass so kurz nach der Verabschiedung des Doppelhaushalts dieser Nachtrag auftauchte, hält SPD-Fraktionschefin Anke Schuster für Berechnung der Verwaltung: „Der Gemeinderat hätte dieser Summe während der Haushaltsberatungen niemals zugestimmt.“ Fast eine Million Euro Kosten, um genau vier Mal zwei Konzerte in einer Spielzeit zu ermöglichen - das stünde in keinem Verhältnis, kritisierte Schuster.
Rückbau der Akkustikwände im Congress Centrum
Laut BSG (Bau-und Servicegesellschaft), die das Congress Centrum baut und unterhält, ist es notwendig, „den Hauptsaal samt Bühne sowie angrenzende Bereiche für die Dauer der Bauphase zu sperren und außer Betrieb zu setzen“. Die reine Bauzeit wird auf etwa zehn Wochen geschätzt. Bereits in der frühen Phase des Rohbaus seien die Öffnungen in den Wänden und Decken geplant worden.
Aber für die Umsetzung der Maßnahme müsse „der aufwendige Akustikputz an der Decke und den Wänden im Bereich der vorgesehenen Aussparungen im Großen Saal teilweise zurückgebaut werden. Die Lautsprecher werden in den vorgesehenen Aussparungen angebracht und mit einer Stoffabdeckung in die Wandoberfläche integriert. Im Saal und auf der Bühne sollen zudem Zeilenlautsprecher an den linken und rechten Wänden platziert werden und an der Decke eine Matrix aus Lautsprechern und Mikrofonen.
Larissa Winter-Horn („Die Heidelberger“), betonte, dass die Ablehnung der Maßnahme sich nicht gegen den Kulturbereich richte. Aber: „Ein Konzerthaus ist völlig ausreichend“, findet die Stadträtin. Der „Heidelberger Frühling“ könne doch noch einmal - wie zuletzt geschehen - auch in den zum Teil gerade aufwendig sanierten Bürgerzentren in den Stadtteilen aufspielen. „Erschüttert darüber, wie hier mit öffentlichen Geldern umgegangen wird“, zeigte sich auch Adrian Rehberger (SPD). Statt dieses Geld zu investieren, sollten lieber Konzertsäle in der Umgebung gebucht werden.
So gebe es etwa in Eppelheim (Wild-Halle) und Leimen (Festhalle) passende Häuser. In der Stadt selbst biete der neue Karlstorbahnhof beste Bedingungen, auch im SNP-Dome könnten Konzerte stattfinden. „Für eine Spielzeit so viel Geld“ einzusetzen, das hielt auch Michael Pfeiffer (GAL) nicht für angemessen. In der Coronazeit hätten die Kulturbetriebe gezeigt, wie kreativ sie sind, forderte er mehr Flexibilität. Auch für Zara Dilan Kiziltas (Linke) ist es „nicht vermittelbar“, dass sich das Congress Centrum weiter verteuere: „Wir brauchen das Geld ganz dringend woanders.“
Die Grünen unterstützten die Nachrüstung des Kongresszentrums. Der Gemeinderat müsse nun „Verantwortung“ zeigen für das Philharmonische Orchester und den „Frühling“, forderte etwa Fraktionschef Derek Cofie-Nunoo. Kreative Lösungen gebe es nicht. Und wenn man nun nicht handle, begebe man sich auf „rechtlich sehr unsicheres Terrain“. Simone Schenk (FDP) betonte, es käme der Stadt langfristig zu Gute, wenn es eine Konzertstätte mehr gebe.
Größere Konzertsäle erlauben mehr Zuschauer und bringen mehr Einnahmen: Mit dieser Rechnung versuchte Luitgard Nipp-Stolzenburg (Grüne) die Investition schmackhaft zu machen. Knapp die Hälfte des Publikums beim „Frühling“ komme von außerhalb - was einen nachhaltigen Schub für den Tourismus in der Stadt bedeute. Matthias Kutsch (CDU) sieht die „kurzfristige Lösung“ als „Mehrwert“ für die Stadt.
SPD-Politiker: „Wir machen uns zum Gespött“
„Wir hätten zugestimmt, wenn das Kongresszentrum von Anfang an nicht mit 56, sondern mit 100 Millionen Euro veranschlagt worden wäre“, hält Hildegard Stolz (Bunte Liste) die jüngste Entwicklung für „blamabel“ und bedauert, dass es keine Bürgerentscheide zum Bau oder zur Verteuerung des HCC gegeben habe.
„Wir machen uns zum Gespött der Republik“, befürchtete Karl Emer (SPD), wenn das neue Kongresszentrum kurz nach der Eröffnung schon wieder geschlossen werden müsse.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-neues-heidelberger-congress-centrum-nach-der-eroeffnung-droht-schliessung-_arid,2135751.html
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Dilemma kostet eine Million