Heidelberg. Vor allem für die Konzert- und Clubkultur in der Region ist der neue Karlstorbahnhof in Heidelberg eines der bedeutendsten Bauprojekte in der Metropolregion. Das soziokulturelle Zentrum, wie es seinesgleichen in Deutschland länger suchen muss, sitzt auf gepackten Koffern und steht damit vor einer unheimlichen Aufwertung.
Vom Karlstor, wo im Dezember 1995 die Erfolgsgeschichte startete, geht es am 21. Oktober in den Heidelberger Süden. Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) übergibt das Gebäude an jenem Freitag offiziell seiner Bestimmung. Eine Woche später, am 28. Oktober, nimmt das Kulturzentrum den Betrieb auf. Wo bis zur ihrem Abzug amerikanische Soldaten lebten und arbeiteten, ist die Konversion und damit die Erschließung eines neuen Stadtteils weit fortgeschritten. An die ehemalige Halle für Pferdekutschen, die künftig den Karlstorbahnhof beheimatet, schließen sich an den Seiten jeweils zweigeschossige Stallungsgebäude an.
Einst 100 000 Besucher
Anlässlich seiner Sommertour entlang der interessantesten Bauprojekte der Stadt erläuterte Erster Bürgermeister Jürgen Odszuck (CDU) am Donnerstag am Standort des einstigen Casinos der Campbell Barracks die Veränderungen und die enorme Bedeutung des neuen Karlstorbahnhofs für Heidelberg und für das entstandene Quartier. Dort, wo sich einst Generäle entspannten, findet nun Kulturvermittlung statt. Bevor amerikanische Streitkräfte nach dem Zweiten Weltkrieg hier einzogen, standen in der Nazi-Zeit Pferdeställe der Wehrmacht.
„Get well soon“ eröffnet
„Die Übergabe soll wie geplant stattfinden“, versprach Odszuck angesichts jüngster Irritationen über die Frage, wann es denn endlich losgeht. Diese Frage war auch für den wirtschaftlichen Betrieb des Kulturhauses zuletzt dringlicher geworden, wie Karlstorbahnhof-Leiterin Cora Malik in den Tagen davor betonte. Wie so viele Bauprojekte, so hat sich auch die Realisierung des neuen Karlstorbahnhofs länger hingezogen, als es 2017 geplant war. Baubeginn war 2019. Etwas über 20 Millionen Euro wird die Stadt Heidelberg am Ende in die Hand genommen haben, um Konzerten, Kino, Klub K und Theater (TIKK) in einem viel professionelleren Umfeld eine neue Heimstätte zu geben.
Früher Pferdestall der Wehrmacht
Immerhin 100 000 Besucher verzeichnete der Karlstorbahnhof in vor-pandemischen Zeiten pro Jahr, so Caroline Thiemann, die für Pressearbeit im Kulturhaus Karlstorbahnhof zuständig zeichnet. Aber: Man war an die Grenzen der Kapazitäten gestoßen. Künstler internationalen Ranges, die noch Ende der 90er und zu Beginn der „Nullerjahre“ gastierten, kamen im Veranstaltungskalender immer weniger vor. Die logistischen Gegebenheiten in der Nähe des Neckarufers erlaubten größere Bühnen-Acts fast nicht mehr. Die neuen Räume bieten da deutlich mehr Möglichkeiten. Projektleiter für die Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz Heidelberg (GGH) vor Ort war Sebastian Streckel, der die Besonderheiten des Gebäudes heraushob – und nicht zuletzt die technischen Möglichkeiten eines zeitgemäßen Veranstaltungsorts. Großer Wert sei seitens der GGH, die im Auftrag der Stadt arbeitete, darauf gelegt worden, dass die Nachbarn nicht durch übermäßigen Lärm traktiert werden. Besucher würden zu späterer Stunde eher an den Seiten des Gebäudes entlang wieder zum Parkhaus gelangen, um den Lautstärkepegel im Rahmen zu halten. Der vor dem Eingang liegende Marlene-Dietrich-Platz wird nach den Worten Odszucks in naher Zukunft noch mit mehr Bäumen versehen. Derzeit fristet er noch ein recht karges Dasein mit viel Asphalt und wenig Begrünung.
Tanzen vor Panoramafenster
Ein Alleinstellungsmerkmal hat der neue Karlstorbahnhof aber bereits jetzt: Der Klub K im ersten Obergeschoss zeichnet sich durch ein Panoramafenster aus, das Tanzenden bei geöffnetem Vorhang den Blick nach draußen ermöglicht. Ästhetisch gelungen ist der Bau, der sich trotz seiner Größe vorsichtig an das Milieu der modernen Nachbarbebauung anschmiegt und Sichtachsen zulässt. Drinnen befindet sich neben einem Kino (Knapp 100 Plätze) ein Konzertsaal, der 900 stehenden Menschen Platz gibt oder 480 Sitze zulässt. Lkw mit Technik können leichter an das Gebäude heranfahren als bisher. Theater und Kino können unabhängig über separate Eingänge betreten werden. Das Programm ist bereits auf der Homepage des Karlstorbahnhofs beschrieben. Das Eröffnungskonzert am 29. Oktober bestreitet mit „Get well soon“ ein alter Bekannter.
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