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Wer regelmäßig vor Weinregalen im Supermarkt steht, der kennt das Dilemma: Das Auge trinkt mit. Selbst Kenner der Szene lassen sich mitunter gerne vom Etikett zum Konsum überreden.
Wie groß der Raum für Design und Marketingstrategien auf Etiketten aber in Zukunft noch sein wird, das entscheidet sich womöglich noch in diesem Jahr. In der Pfalz und in Baden blickt man nicht ohne eine gewisse Spannung Richtung Berlin.
Denn: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat sich dafür ausgesprochen, Wein-Hersteller zu verpflichten, zusätzliche Informationen für die Verbraucher über Zutaten und Nährwerte direkt auf das Etikett der Flaschen zu drucken. Das geht aus der Antwort seines Ministeriums auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion hervor.
Lukas Nägele, Geschäftsführer des Deidesheimer Weinguts Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan, findet deutliche Worte: „Das ist in jeglicher Hinsicht ein Irrsinn“, sagt er. Er sei verwundert, dass sich ausgerechnet ein Grünen-Politiker dafür ausspreche. Dort lege man doch eigentlich wert auf nachhaltiges Denken.
Um Özdemirs Ziele - die in Europa mancherorts schon umgesetzt sind - zu erreichen, seien größere Etiketten und damit deutlich mehr Papier notwendig. Auch über größere Flaschen müsse man sich dann Gedanken machen. Auf Weinflaschen muss bisher - bis auf Sulfite - nicht stehen, welche Zutaten, Inhaltsstoffe und Nährwerte enthalten sind.
Schon ab Dezember 2023?
Das möchte die Bundesregierung ändern, um mehr zum Verbraucherschutz beizutragen. EU-weit sollen genannte Informationen auf Etiketten ab 8. Dezember 2023 verpflichtend sein. Diskutiert wird noch, ob ein E-Label auch ausreichend wäre. Das bedeutet, ein QR-Code auf dem Etikett führt per Scan mit dem Smartphone zu einem Internet-Portal. Für diese Vorgehensweise könnte sich auch Nägele begeistern. Sein Weingut habe nichts zu verbergen.
Felix Eschenauer ist seit Jahren der kommunikative Kopf der Bad Dürkheimer „Medienagenten“, die sich in der Republik einen Ruf als Strategen im Weinmarketing erworben haben. Er sagt: „Das E-Label wäre ein toller Kompromiss. Es entspräche dem üblichen Informationsweg (App, Webseite) und würde weder in die Gestaltung eingreifen noch den Verbraucher grundsätzlich mit Daten überfordern, die ihn in den seltensten Fällen interessieren müssen.“
Eschenauers Vermutung lautet aber, dass ein E-Label nur eine politische Übergangslösung darstellen würde. „Volle Transparenz in allen Bereichen und über das Notwendige hinweg - dieser Weg ist wohl auch beim Wein nicht aufzuhalten“, sagt er. Manuel Bretschi, Geschäftsführer der Winzergenossenschaft Schriesheim, will sich noch nicht „den ganz großen Kopf“ machen. Dass eine Umstellung mit Kosten verbunden wäre, ist für ihn klar.
Und er stellt sich auch die Frage, ob man den Verbraucher mit Angaben etwa zu önologischen Behandlungsweisen nicht auch irritieren würde. Das denkt auch Felix Eschenauer. Viel Unkenntnis träfe also auf viel Information. Und einige Weinetiketten würden Verbraucher vielleicht wirklich überraschen.
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