Frauenärztin Katharina Lepold-Meltzer arbeitet weiter - auch wenn viele ihrer Kollegen schon in Rente sind. Ihre Patienten aufgeben, kommt für sie nicht in Frage. Viele Jahre verbringt sie bereits mit der Suche nach einer Praxisnachfolge für einen halben Kassenarztsitz in einer gynäkologischen Praxis in Hassloch. Für andere Ärzte der Region steht die oft langwierige Praxisnachfolge noch bevor. Weil junge Ärzte immer seltener Arztpraxen übernehmen, arbeiten ihre Besitzer lange nach dem Renteneintritt weiter.
So wie Lepold-Meltzer. 1978 absolvierte sie ihr Staatsexamen. Mittlerweile ist sie 71 Jahre alt. Und damit kein Einzelfall. Wie aus den Daten der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz für den Kreis Bad Dürkheim hervorgeht, sind 17 Prozent der Hausärzte, vier Prozent der Fachärzte und 13 Prozent der Psychotherapeuten über 70 Jahre alt. 22 Prozent der Hausärzte, 23 Prozent der Fachärzte und 20 Prozent der Psychotherapeuten wiederum zwischen 55 und 59 Jahre alt. Auch bei Ihnen dürfte der Eintritt in das Rentenalter und somit die Suche nach einer Praxisnachfolge in einigen Jahren anstehen.
Überalterung führt zu Mangel
Das Problem der Überalterung der Ärzte ist der Kassenärztlichen Vereinigung seit Jahren bekannt. „In den letzten 18 Jahren ist es zu einer deutlichen Alterung der Ärzteschaft gekommen. Landesweit stieg die Anzahl der Ärzte und Psychotherapeuten im Alter von 60 und mehr Jahren von 795 auf 2875 an und beträgt mittlerweile 36 Prozent. Im Jahr 2005 waren es 13 Prozent“, so Julia Lampferhoff, Pressesprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung. Als Hauptursache hierfür sieht sie die Ungleichverteilung der Altersklassen. Durch angekündigte Zulassungssperren sei es Anfang der Neunzigerjahre zu einem kurzfristigen Niederlassungsboom bei den über 40-Jährigen gekommen, was auch zu einer Verknappung der Fachärzte geführt habe.
Lepold-Meltzer erstes Kind war gerade ein Jahr alt, als sie in der gynäkologischen Praxis ihrer Schwiegermutter, Trude Meltzer, einstieg. Das war 1984. Seitdem arbeitet sie ununterbrochen und ist den Hasslochern als verständnisvolle Frauenärztin bekannt. 1995, nach dem Tod ihrer Schwiegermutter und langjährigen Mentorin, übernahm sie die Gemeinschaftspraxis dann vollständig. Schon zuvor, 1989 übertrug sie einen ganzen Kassenarztsitz einer anderen Ärztin, mit der sie seit vielen Jahren gemeinsam die Praxis führt. Früher sei dies keine besondere bürokratische Herausforderung gewesen, sagt sie.
Anders als heute. „Nach einer umfangreichen Beratung folgen Gespräche mit Juristen und Steuerberatern“, moniert Lepold-Meltzer. Schon vor sieben Jahren habe sie mit der Suche nach einer geeigneten Nachfolge, der sie einen weiteren halben Kassensitz abgeben wolle, angefangen. Fünf junge Ärztinnen bewarben sich in diesen Jahren. „Eine wollte nur Privatpatienten behandeln, die andere meine Praxis in eine Designerpraxis umbauen, eine andere wohnte in Mannheim und kam wegen der häufigen Sperrungen auf der Brücke zu spät“, resümiert die Frauenärztin.
Für Lepold-Meltzer steht fest: Wer ihre Praxis übernimmt, muss ihre Hingabe zu ihren Patienten teilen und möglichst in der Nähe der Praxis wohnen. Viele Jahre habe sie Krankenhäuser der Region angerufen und auch bei Kommilitonen ihrer Tochter, die Medizin studiert hat, für ihren halben Kassenarztsitz geworben. Es habe sich keiner beworben.
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Lepold-Meltzer wundert dies nicht. Die Herausforderungen und Kosten für Fachärzte mit eigener Praxis nehmen stetig zu. Zwar biete die Selbstständigkeit den Luxus einer freien Gestaltung der eigenen Erwerbstätigkeit, doch Ärzte wie sie ächzten unter den zunehmenden bürokratischen Belastungen. Der Umsatz verringere sich bei zunehmenden IT-Ausgaben und der Nervenkitzel werde größer. Kopfzerbrechen bereiten Ärzten wie ihr auch die Vorgaben des Kassenärztlichen Verbandes. „1989 war der Nachfolgevertrag sechs Seiten lang, mittlerweile sind es mehr als 25 Seiten“, so Lepold-Meltzer. Die Hasslocher Frauenärztin kann sich glücklich schätzen. 2021 gelang ihr nach vielen Jahren der Suche erneut eine erfolgreiche Übertragung - dieses Mal eines halben Kassenarztsitzes - an eine junge Frauenärztin.
Ambulante Versorgung in Gefahr
Für die von Ärzten oft kritisierte Bürokratielast macht die Kassenärztliche Vereinigung die Sparpolitik im Gesundheitswesen verantwortlich. Diese trage, so Lampferhoff, ebenfalls zum Fachkräftemangel bei. Zu den Folgen der Sparpolitik zählt sie reduzierte Öffnungszeiten, Leistungskürzungen und eine enorme Bürokratielast, die die Praxen enorm hohe Zeitressourcen koste. Für Lampferhoff ist klar, geht es so weiter, gerät die ambulante Patientenversorgung in Gefahr. Sie befürchtet langfristig Praxisschließungen, lange Wartezeiten und zunehmende Versorgungslücken.
Aus den Gesprächen mit ihren Kollegen befürchtet Lepold-Meltzer die gleichen negativen Folgen für das Gesundheitswesen. Gemeinsam mit ihrer Partnerin, die 1989 mit einem vollen Kassenarztsitz in die Praxis eingestiegen ist, arbeite sie aktuell in drei Monaten bis zu 2000 Patienten ab. Die Arbeit fühle sich oft wie ein Marathonlauf an, anders als früher bleibe für den Patienten wegen der bürokratischen Anforderungen immer weniger Zeit.
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Von der Politik fühlt sie sich wie andere Ärzte auch im Stich gelassen und fordert einen Reformstopp und realitätsnahe Politik. „Früher gab es allenfalls alle fünf Jahre eine Reform. Nun müssen wir uns jährlich auf Änderungen und zunehmende bürokratische Regulierungen einstellen“, so Lepold-Meltzer. Den Ausführungen der Hasslocher Ärztin schließt sich auch die Kassenärztliche Vereinigung ein. Die jetzige Gesundheitsversorgung stehe vor dem Kollaps und sei ein krankes System, in dem die Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung der Menschen dauerhaft auf dem Spiel stehe. Erst einmal können die Frauen in Hassloch allerdings aufatmen. Frauenärztin Lepold-Meltzer bleibt ihnen auch mit über 70 erhalten. Ob sie für den verbliebenen halben Kassenarztsitz eine engagierte Ärztin findet, steht aktuell noch in den Sternen.
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