Die Krankenhauslandschaft in Deutschland steht vor einem Umbruch, und längst ist klar, dass nicht alle Kliniken die politisch gewollte Entwicklung überleben. So ist es auch dem St. Vincentius Krankenhaus in der Heidelberger Altstadt ergangen, das mit dem Salem zusammengelegt wurde.
Genaugenommen bedeutete das Ende Juni, dass das St. Vincentius seine Pforten für immer schließt, während der Standort in Handschuhsheim, das Salem, weitergeführt wird. Für beide Häuser hatte der Träger, die Evangelische Stadtmission, im vergangenen November Insolvenz angemeldet. Hauptgründe für die Schieflage: Nachwirkungen der Corona-Pandemie mit sinkenden Umsätzen sowie steigende Energie-, Personal- und Sachkosten
Ende Juli bestätigte das Amtsgericht Heidelberg den Insolvenzplan, und Pfarrer Matthias Schärr, Vorstandsmitglied der Evangelischen Stadtmission, will nach vorne schauen. So erklärte er jetzt auf einer Pressekonferenz: „Hinter uns liegen anstrengende Monate, und wir haben die Chance, die das Insolvenzverfahren eröffnet hat, wahrgenommen.“
Die Chance liegt in der Kooperation mit dem Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD). Mit dem arbeitet das Salem zwar schon seit vielen Jahrzehnten zusammen – die erste Kooperation startete 2004 in der Chirurgie –, die Prozesse sollen aber weiter optimiert werden. „Es gibt viele Stellschrauben, an denen wir drehen können“, betonte die Geschäftsführerin des Salem, Rafaela Korte.
Wir haben die Chance der Insolvenz wahrgenommen
Im Kern geht es darum, dass sich ein Maximalversorger, das Uniklinikum, und ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung, eben das Salem, gemeinsam um Patientinnen und Patienten kümmern, wobei das Uniklinikum für die hochkomplexen Fälle zuständig ist, während das Salem die weniger schweren Krankheitsbilder behandelt. „Die Patienten im Salem haben vollen Zugriff auf die Expertise und Innovationen eines Universitätsklinikums“, erklärt Karl Heinz Weiss, Ärztlicher Direktor im Salem und Chefarzt der Inneren Medizin.
Umgekehrt wird das UKHD, das immer wieder mit Bettenknappheit zu kämpfen hat, entlastet, indem es Patienten ins Salem umbetten kann. Sie können aber weiter von Ärzten des Uniklinikums betreut werden, die in beiden Häusern im Einsatz sind.
„Menschen, die schwer krank sind, brauchen viel mehr Ressourcen“, sagt Dirk Jäger, Geschäftsführender Direktor des Nationalen Centrums für Tumorerkrankungen (NCT), im Salem für den Bereich Onkologie im Zentrum für Innere Medizin verantwortlich. Ressourcen, über die eine Uniklinik verfügt, die aber ein Patient mit weniger lebensbedrohlichen, weniger komplexen Erkrankungen nicht benötigt und darum genauso gut in einem Haus der Grund- und Regelversorgung behandelt werden könne. „Das Salem ist für uns der wesentlich spannendere Kooperationspartner als die Mannheimer Uniklinik“, meint Jäger mit Blick auf den seit Langem diskutierten und vom Bundeskartellamt fürs Erste untersagten Zusammenschluss zwischen den Unikliniken Heidelberg und Mannheim.
Das Damoklesschwert schwebt aber weiter über den Krankenhäusern. Das fürchtet zumindest Christoph Michalski, Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeinchirurgie am UKHD und im Salem Chefarzt der Abteilung Chirurgie. „Die Situation wird schwierig bleiben, da gibt es nichts drumherum zu reden.“ Große Bereiche in deutschen Krankenhäusern seien chronisch unterfinanziert, bestimmte Behandlungen, zum Beispiel Mandeloperationen bei Kindern oder Leistenbrüche, könnten eigentlich nicht mehr vorgenommen werden, weil sie zu schlecht honoriert würden. „Das Traurige ist, dass es überhaupt zu der Insolvenz gekommen ist, trotz aller Bemühungen von Ärzten und Pflegepersonal.“ Dass es in Deutschland zu viele Krankenhäuser gibt, bestreitet der Mediziner nicht. Die Frage sei, welche Häuser aufgegeben werden. „Wenn das über kalte Insolvenzen läuft, müssen am Ende die falschen Krankenhäuser schließen“, so Michalski.
Am Ende müssen die falschen Kliniken schließen
Was die Insolvenz für die Mitarbeitenden bedeutet? Keine einfache Zeit, viele Ängste und viel Unruhe, wie Geschäftsführerin Korte erzählt, und alle konnten – und wollten – auch nicht weiterbeschäftigt werden. 67 Mitarbeitenden aus dem St. Vincentius war ein Angebot gemacht worden, 55 haben es angenommen; bei 26 festangestellten Mitarbeitenden und 71 Aushilfen wurde das Arbeitsverhältnis zu Ende September beendet. Auch im Salem wurden Kündigungen ausgesprochen, im Empfang, Archiv, in der Reinigung und der Küche. Es wird aber auch gesucht – neue Pflegekräfte. „Wir freuen uns über jede Bewerbung, wir stellen ein“, so Korte.
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