Politik

Missstände im "Faulen Pelz" in Heidelberg:  Alcatraz Baden-Württembergs?

Die Zustände im "Faulen Pelz" beschäftigen auch die Landespolitik. Nach einem Brandbrief von 21 Anwälten verteidigt Sozialminister Manfred Lucha die Einrichrichtung in Heidelberg

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David Nau
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Der "Faule Pelz" in Heidelberg, aufgenommen 2022. © Philipp Rothe

Baden-Württemberg. Immer wieder Ausbrüche, Berichte über mutmaßliche Missstände, ein Todesfall: Der Maßregelvollzug in Baden-Württemberg kommt nicht aus den Schlagzeilen.

Nach einem Brandbrief mehrerer Rechtsanwälte zu mutmaßlichen Missständen in der Entziehungsanstalt «Fauler Pelz» in Heidelberg hat der Sozialausschuss sich am Mittwoch mit der Situation des Maßregelvollzugs befasst. Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) wies die Vorwürfe zurück. In der Einrichtung war kürzlich außerdem ein Patient gestorben.

Lucha sagte am Mittwoch im Landtag in Stuttgart, er könne aus den ihm vorliegenden Informationen keine Versäumnisse oder ein Fehlverhalten ableiten.

Anwälte kritisieren Zustände im "Faulen Pelz"

21 Anwälte hatten einen Brief über «unwürdige und skandalöse» Zustände im «Faulen Pelz» in Heidelberg unterzeichnet. Sie kritisieren unter anderem einen erheblichen Mangel an Therapieangeboten und Pflegekräften sowie aggressive Sicherheitskräfte, die selbst Drogen anbieten würden.

Diesen Vorwürfen sei man mehrfach nachgegangen, habe den Mitarbeitern aber nichts nachweisen können, sagte der Chefarzt des Zentrums für Psychiatrie in Calw, Matthias Wagner, der auch für den «Faulen Pelz» zuständig ist.

Ja, es stimmt, der Betrieb musste sich zunächst etwas zurechtruckeln
Manfred Lucha Sozialminister

Darüber hinaus monieren die Anwälte massive bauliche Mängel in der Einrichtung, wie es in dem am Dienstag bekannt gewordenen Schreiben heißt. Das Gebäude sei bis heute nicht vollständig eingerichtet. Duschen seien teilweise unbenutzbar, weil nur sehr heißes Wasser aus der Leitung komme. Es sei vermehrt Schimmel aufgetreten. «Ja, es stimmt, der Betrieb musste sich zunächst etwas zurechtruckeln», sagte Lucha. Die Mängel hätten sich aber inzwischen gelegt. Man nehme die Beschwerden sehr ernst, so Lucha. Der Brief der Anwälte habe das Sozialministerium aber gar nicht erreicht.

Die Opposition kritisierte die mutmaßlichen Mängel in der Einrichtung scharf. Was in dem Brief der Anwälte zu lesen sei, erinnere eher «an einen russischen Knast als an eine baden-württembergische psychiatrische Einrichtung», sagte die SPD-Abgeordnete Dorothea Kliche-Behnke.

Wenn man diesen Brandbrief liest, entwickelt sich der Faule Pelz zum Alcatraz Baden-Württembergs
Jochen Haußmann FDP-Abgeordneter

Der FDP-Abgeordnete Jochen Haußmann sagte: «Wenn man diesen Brandbrief liest, entwickelt sich der Faule Pelz zum Alcatraz Baden-Württembergs.» Das Hochsicherheitsgefängnis auf der Insel Alcatraz in der Bucht von San Francisco war bis zu seiner Schließung in den 1960er Jahren eines der berüchtigsten der USA.

27-Jähriger stirbt im "Faulen Pelz"

Vor rund zwei Wochen war in der Einrichtung in Heidelberg ein 27-jähriger Patient gestorben, die Todesursache war laut Staatsanwaltschaft Heidelberg zunächst unklar. «Nach allem, was wir hören, soll der Patient Drogen konsumiert haben. Die Strukturen müssen so sein, dass diese Fälle nicht passieren», kritisierte Kliche-Behnke in der Sitzung des Ausschusses. 

Justiz

21 Anwälte kritisieren Zustände im "Faulen Pelz" in Heidelberg

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Lucha verwies auf das noch ausstehende Obduktionsergebnis. Ob der Todesfall im «Faulen Pelz» im Zusammenhang mit Drogen stehe, sei noch offen. Aber: «Die Verbreitung und der Konsum von Suchtmitteln sind im Maßregelvollzug nicht vollständig auszuschließen», sagte Lucha. So gebe es derzeit bundesweit Probleme mit sogenannten synthetischen Cannabinoiden. Diese Substanzen seien sehr schwer nachweisbar und auch schwer zu kontrollieren. 

Prozess zu Tötung in Wiesloch

Das ehemalige Gefängnis «Fauler Pelz» wird seit August als Einrichtung für den Maßregelvollzug genutzt und verfügt über 80 Plätze. Die Nutzung des ehemaligen Gefängnisses für den Maßregelvollzug ist als Zwischenlösung bis zum Sommer 2025 geplant.  

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Im Maßregelvollzug werden suchtkranke und psychisch kranke Straftäter untergebracht und therapiert. Die Einrichtungen kommen immer wieder in die Schlagzeilen. So war etwa im vergangenen Jahr ein psychisch Kranker aus dem Maßregelvollzug in Wiesloch im Rhein-Neckar-Kreis geflohen und hatte in der Stadt eine 30-Jährige mit einem zuvor entwendeten Messer angegriffen. Die Frau starb kurz nach der Attacke im Krankenhaus.

Der mutmaßliche Täter muss sich seit Dienstag vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der heute 34-Jährige zum Zeitpunkt der Tat aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage war, das Unrecht seines Handelns einzusehen.

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