Heidelberg. Die Stadt hat eine neue Kultureinrichtung: Das Mark Twain Center öffnete am Freitag mit einem Empfang für Ehrengäste und am Sonntag mit einem Publikumstag. „Kein Frieden ohne Sicherheit“ überschrieb Detlef Junker, Gründungsdirektor des Heidelberg Center for American Studies der Universität, seinen Vortrag am Freitag. Er spricht von einer „Zeitenwende“, die Europa aktuell erlebe. Auf das Mark Twain Center warte auch die Aufgabe, die aktuelle transatlantische Sicherheit zu analysieren.
„Wir brauchen einander“, betont Keith M. Anderton, politischer Berater des Oberkommandierenden der US Army Europe and Africa. Nordamerika und Europa hätten die stärksten Bande geknüpft und so Pfeiler für Frieden und Demokratie gebildet. Nach vielen Jahren sei das Mark Twain Center als Kultureinrichtung und Experte für die transatlantischen Beziehungen kein Traum mehr, sondern real, freut sich Susan Herbst, Politik-Professorin an der Universität von Connecticut, die aktuell im Mark Twain Center forscht. Dass das Zentrum den Namen des Autors von „Bummel durch Europa“ trägt, findet sie wunderbar: „Mark Twain liebte Heidelberg sehr.“ Drei Monate lebte und arbeitete Twain 1878 in der Unistadt am Neckar.
Mehr als 60 Jahre lang war Heidelberg das Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Deutschland. Im September 2013 sind auf den heutigen Konversionsflächen im Süden Heidelbergs die letzten Flaggen eingerollt worden. Das Headquarter war mitsamt der Streitkräfte und den Familien nach Wiesbaden umgezogen.
Nachricht vom Wegzug schockt
Die Nachricht vom Wegzug habe einen Schock ausgelöst, erinnert sich Stadtchef Eckart Würzner an eine Reise mit seinem damaligen Amtskollegen aus Mannheim nach Washington, um den Wegzug abzuwenden. Vor dem Pentagon, in dem die beiden Gäste empfangen wurden, habe noch die Heidelberger Fahne als eine von sieben Flaggen geweht. „Der Zug ist abgefahren“, weiß Würzner noch genau den Wortlaut des Statements, den die Deutschen hörten.
Die ehemalige Kommandantur in den ehemaligen Campbell Barracks an der Römerstraße in der Heidelberger Südstadt soll ein Kulturhaus sein, das die Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen dokumentiert. Die Räume sind sensibel modernisiert und weitgehend so belassen, wie sie zuletzt von den Angehörigen der amerikanischen Streitkräfte genutzt wurden: Holzböden, große Fenster in den Park, kleine Räume, in denen Büros eingerichtet waren. Vom größeren Zimmer aus wurde Weltgeschichte geschrieben. In der Hochzeit des Kalten Krieges befehligte hier der Oberkommandierende bis zu 250 000 Soldaten weltweit. Jeder Besucher bekommt im Museum einen Tabletcomputer ausgeliehen, mit dem er durch die Räume schlendert.
Viele Heidelberger verbinden persönliche Erinnerungen an die Amerikaner in der Stadt. Manche teilen sie über das Mark Twain Center mit dem Publikum. So zeigt Karin Stängle, geborene Vogt, gerne eine Bratpfanne aus dem amerikanischen Supermarkt „PX“, die sie als Dauerleihgabe mitgebracht hat. Elisabeth Neureither hat viele Jahre in der Telefonzentrale des Hauptquartiers Verbindungen gestöpselt. Die 93-Jährige erinnert sich gerne daran. Nicht nur, weil sie sehr gut verdiente, wie sie erzählt. Zwar sei die Arbeit anstrengend gewesen, aber die Atmosphäre „sehr locker und freundlich“. Jedes Jahr habe es ein Mitarbeitergespräch und eine Art Prüfung gegeben. „Zweimal habe ich 400 Euro Prämie bekommen“, vergisst sie nicht. Helena Berdais (79) schwelgt ebenfalls bei der Eröffnung in Erinnerungen. Sie war Beschäftigte des amerikanischen Zollamts: Alle Waren, die auf das Kasernengelände geliefert wurden, mussten geprüft werden. „Zuerst habe ich im Building 31 gearbeitet, dort, wo nun der Karlstorbahnhof einzieht“, erinnert sie sich. Danach bekam sie eine Aufgabe im „PX“.
Sichtlich bewegt verfolgt Margit Unverhau die Eröffnungsfeier für geladene Gäste. Die Seniorin ist früher regelmäßig hier zu Empfängen Gast gewesen. Mit ihrem Mann führte sie in der Nähe ein bekanntes Autohaus, in dem auch Generäle private Fahrzeuge kauften oder warten ließen. Es entstanden auch Freundschaften. Als sie in Ruhestand ging, habe General Burwell B. Bell gesagt, „so eine Dame wie Sie darf man nicht einfach so gehen lassen“ und sie eingeladen. „Als ich in den Ballsaal kam, war er voller Gäste“, erinnert sich die Seniorin. Sie sei laut angekündigt und begrüßt worden - fast wie ein Staatsgast, sagt sie lächelnd.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg_artikel,-heidelberg-mark-twain-center-historische-momente-und-viele-persoenlichen-erinnerungen-_arid,1953521.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/heidelberg.html