Urteil

Lange Haft nach brutalem Überfall auf Senioren in Bammental

Er wollte nur kurz seinen Gehstock abholen: Seit den Schlägen vor einem Supermarkt in Bammental ist ein 88-Jähriger ein Pflegefall. Der geständige Angreifer ist nun verurteilt worden

Von 
Michaela Roßner
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Auf diesem Parkplatz war der 88-Jährige am 11. März schwer verletzt worden. Erst am nächsten Morgen wurde er von Passanten gefunden. © René Priebe

Heidelberg. Sieben Jahre und neun Monate Haft: So lautet das Urteil des Heidelberger Landgerichts für einen 50 Jahre alten Angeklagten nach einem brutalen Überfall im März auf einen 88-Jährigen in Bammental. Vom Vorwurf des versuchten Mordes rückte das Schwurgericht ab und sah stattdessen unter anderem versuchten Totschlag sowie schwere und gefährliche Körperverletzung als bewiesen an. Der sieben Jahre jüngere Bruder des Hauptangeklagten verließ das Gericht am Mittwoch als freier Mann: Es gab keine Belege dafür, dass er an der Tat beteiligt war. Wegen des Verstoßes gegen das Aufenthaltsrecht – er hielt sich seit 2019 mit gefälschten Papieren illegal in der BRD auf – wurde er verwarnt. Eine Geldstrafe in Höhe von 600 Euro muss er nicht bezahlen, wenn er sich in einer zweijährigen Bewährungszeit nichts zuschulden kommen lässt. Der betagte Rentner, der bis zu jenem 11. März selbstständig leben und sich alleine versorgen konnte, ist seit der Tat ein Pflegefall.

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Die Anklage war noch davon ausgegangen, dass der Rentner, der nach einem Einkauf im Supermarkt auf seinen Peiniger traf, verprügelt wurde, weil die beiden Männer es auf sein Geld und sein Auto abgesehen hatten. Dieses vermutetete Geschehen hatten nach der Beweisaufnahme sowohl Oberstaatsanwältin Kerstin Anderson als auch Verteidiger Tim Wullbrandt anders gesehen. Auch Jochen Herkle, der Vorsitzende Richter der Großen Strafkammer, ging nicht von einem versuchten Mord aus. Anlass für die Tat sei vielmehr gewesen, dass er sich der ältere der Brüder, der „einen schlechten Tag hatte“ und sich deshalb betrinken wollte, von dem Rentner beschimpft gefühlt habe. Zeugen aus dem Supermarkt hatten berichtet, dass der Senior, wenn ihm etwas nicht gefiel, durchaus „deutlich“ werden konnte. Was genau der 88-Jährige zum alkoholisierten Täter gesagt habe, habe der nicht verstanden – er spricht kein Deutsch.

Mindestens fünf harte Schläge

Aber der 2020 illegal aus Moldau eingereiste Saisonarbeiter habe sich angeherrscht gefühlt, und das habe zu jener „Gewaltexplosion“ geführt, rekonstruierte Herkle. Was darunter zu verstehen war, fasste die Rechtsmedizinerin im Verlauf der fünf Verhandlungstage im Justizgebäude: Der Rentner sei mindestens fünf Mal mit großer Kraft gegen Gesicht und Kopf geschlagen worden, ging ungebremst zu Boden und zog sich dabei zusätzlich zu den schweren Verletzungen im Gesicht eine Verletzung am Hinterkopf zu. Die so ausgelösten Einblutungen waren die Ursache dafür, dass sich der Gesundheitszustand des Geschädigten dramatisch verschlechterte und keine Hoffnung auf Besserung besteht. Wie kraftvoll die Schläge gewesen sein müssen, zeigte auch ein Bild der Unterarme des Hauptangeklagten, die noch am nächsten Tag stark angeschwollen und gerötet waren. Ein Beleg für die gefährliche Körperverletzung: Die Hiebe seien mit einem „hohen Risiko, tödlich zu sein“ verbunden gewesen. Dass der Angeklagte aber schon vor den Schlägen die Absicht gehabt habe, den Rentner auszurauben, oder die Gewalt zielgerichtet dafür eingesetzt habe, sich das Auto anzueignen – dafür fanden die Richter keine Beweise. „Das Auto diente als Fluchtfahrzeug, nachdem dem Angeklagten klargeworden war, was geschehen war.“ Der Schlüssel steckte. Später wurde die Polizei zu einem Unfall zwischen Gaiberg und Leimen gerufen. Der ältere Bruder klemmte hinter dem Lenkrad des gestohlenen Wagens fest, sein Bruder hatte sich zu Fuß auf den Weg nach Gaiberg gemacht.

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Der schwer verletzte Senior, der zumindest zeitweilig bewusstlos gewesen sein soll, lag die ganze Nacht hilflos auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt, in einer dunklen Ecke. Erst am nächsten Morgen wurde er von Passanten entdeckt. Eigentlich wäre er zum Tatzeitpunkt längst gemütlich im Eigenheim gewesen. Ein Zufall führte letztlich zu dem verhängnisvollen Zusammentreffen mit dem 50-Jährigen: Bei seinem Einkauf am späten Nachmittag hatte der Rentner seinen Gehstock in einem Einkaufswagen liegenlassen. Nun kehrte er zurück, weil der Stock abgegeben worden war.

Sein ein Jahr jüngerer Freund und früherer Kollege, der am ersten Prozesstag als Zeuge ausgesagt und danach alle Verhandlungstage miterlebt hatte, hält die hohe Haftstrafe für angemessen. Aber dass der Jüngere noch nicht einmal eine Geldstrafe zahlen muss, obwohl er nun mit einer Entschädigung für sechs Monate Untersuchungshaft rechnen muss, lässt den Beobachter den Kopf schütteln. Beide Angeklagte verzichten darauf, gegen das Urteil anzugehen.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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