Heidelberg. Der Fall hat im März überregional für Entsetzen gesorgt: Ein 88-Jähriger soll auf einem Supermarktplatz in Bammental (Rhein-Neckar-Kreis) brutal überfallen und schwer verletzt worden sein. Seit Dienstag stehen zwei Männer deshalb vor Landgericht Heidelberg. Die Anklage lautet auf versuchten Mord. Einer der beiden ist teilweise geständig, der andere bestreitet, zur Tatzeit am Tatort gewesen zu sein.
Seit dem Vorfall lebt der Geschädigte im Pflegeheim und kommt nicht mehr ohne fremde Hilfe aus. Zuvor hatte er noch ein selbstbestimmtes Leben geführt. „Er war glücklich, es ging ihm blendend. Er sagte, dass er später noch einkaufen wolle“, erinnert sich die Tochter an das letzte Telefonat mit ihrem Vater am 11. März. Der Bammentaler sei stets freitags und am späteren Nachmittag zum Einkaufen gefahren. „Da stand die Sonne tiefer und er konnte besser sehen.“
Am nächsten Tag sei die Polizei vor ihrer Tür gestanden: Man habe den Rentner schwer verletzt gefunden und in eine Heidelberger Klinik gebracht, wo er auf der Intensivstation behandelt wurde. Zuvor hatte der Sozialdienst, der zwei Mal am Tag nach dem betagten Mann schaute, Alarm geschlagen.
Versuchter Mord
- Mord oder Totschlag – den Unterschied regelt das Strafgesetzbuch (Paragraf 211).
- Demnach handelt es sich um Mord, wenn ein oder mehrere Merkmale erfüllt sind: Dazu gehören unter anderem Habgier, Mordlust, Grausamkeit und Heimtücke.
- Ein Mörder wird mit lebenslanger Haft bestraft.
- Grundsätzlich gilt dieses Strafmaß auch für einen versuchten Mord.
- Allerdings kann das Gericht die Haftstrafe bei einem versuchten Mord auf 15 Jahre mildern.
Die beiden zur Tatzeit 42 und 49 Jahre alten Angeklagten sollen den Senior am Abend in Bammental auf dem Supermarktparkplatz überfallen haben, um ihm Bargeld und Autoschlüssel zu entwenden. Anschließend brausten die Angeklagten mit dessen Fahrzeug weg - mutmaßlich, um es zu verkaufen. Dabei sollen sie den mit schweren Verletzungen am Kopf und Gesicht hilflos am Boden liegenden Geschädigten auf dem menschenleeren Parkplatz zurückgelassen haben.
Der Rentner soll aus dem Kopf geblutet haben. Die Ärzte diagnostizierten ein Schädelhirntrauma, eine Brustwirbelfraktur, einen Rippenserienbruch und einen Ohrmuschelbluterguss. Erst zehn Stunden später, am Samstagmorgen, wurde der Rentner gefunden und medizinisch versorgt.
Unfall auf Serpentinen
In der Nacht waren die beiden Männer, die nun vor Gericht stehen, mit dem gestohlenen Auto auf der Serpentinenstraße zwischen Lingental und Leimen vom Straßenrand gekommen. Dabei soll zumindest einer der beiden mindestens zwei Promille Alkohol intus gehabt haben. Wodka und Bier hatte der bereits alkoholisierte Mann offenbar auch vor dem mutmaßlichen Raub in dem Supermarkt in Bammental gekauft. Seine Version der Tat, die Verteidiger Till Wullbrandt zum Prozessauftakt vortrug, sieht so aus: Er sei im Supermarkt mit dem Senior aneinandergeraten und habe ihn dann im Suff verprügelt. Ein Arbeitskollege und die Tochter beschrieben den Rentner als früher fröhlichen, freundlichen Menschen, der nie ausfällig geworden wäre oder gar Streit gesucht hätte. Er habe allein in einem Haus gelebt, sich Essen gekocht und telefonisch mit den Kindern und dem Stammtischfreunden Kontakt gehalten. „Wir haben jeden Tag gesprochen, nicht selten ein oder gar zwei Stunden. Er hatte großen Redebedarf“, beschreibt die 50-jährige Tochter, die sehr darunter leidet, „ihn jetzt so hilflos zu sehen“. Denn ihr Vater kann nichts mehr alleine machen, muss gefüttert und gewaschen werden und wird zwei Mal am Tag gewendet - aufstehen kann er nicht mehr. In den Tagen auf der Intensivstation habe der Schwerverletzte nur wenige Worte sprechen können. „Zwei Männer“ seien es gewesen, die ihn attackierten, berichtet die Frau. Und dass er etwas in der Richtung von „mein Auto, dafür habe ich hart gearbeitet“ gesagt habe, bevor keine Kommunikation mehr mit ihm möglich wurde.
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Zeugin muss sich überwinden
„Es tut mir so weh, das zu sehen. Mein Vater hätte es verdient gehabt, seinen Ruhestand zu genießen. Und dann das. Von heute auf morgen wurde ihm das zugefügt“, sagt die Zeugin noch, dass es ihr sehr schwerfalle, im Saal mit jenen Männern zu sein, die ihrem Vater das angetan haben sollen. Seit dem Geschehen verschlechtere sich der Gesundheitsstatus ihres Vaters stetig.
Der zur Tatzeit 42-jährige D. ist in Fußfesseln hereingeführt worden und sitzt neben dem Anwalt in einer Blaumannjacke. Er zeigt keine Reaktion auf die Angaben, die eine Dolmetscherin ins Russische übersetzt. Auch der hinter ihm sitzende ältere Angeklagte, der nicht zur Tatzeit am Tatort gewesen sein will und von Rüdiger Betz vertreten wird, lauscht den Aussagen über Kopfhörer. 21 Zeugen und vier Sachverständige hat das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Joachim Herkle geladen. Am 10., 11., 15., 16. und 18. November soll der Prozess fortgeführt werden, jeweils um 9 Uhr.
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