Justiz

Landgericht Heidelberg: Sechs Jahre Haft für Mitglied von Schockanruf-Bande

Nach perfiden Schockanrufen nimmt ein junger Mann Geld von Senioren in Empfang. Dafür muss er jetzt ins Gefängnis - die Hintermänner bleiben im Dunkeln

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Schockanrufer wollen alte Menschen durch Psychoterror derart manipulieren, dass sie Geld, Goldschmuck oder andere Wertsachen aushändigen. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Heidelberg. In dem Prozess vor dem Heidelberger Landgericht rund um Vorwürfe des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in Zusammenhang mit sogenannten Schockanrufen ist ein Geldabholer zu einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Der in Ludwigshafen geborene, aber in Polen lebende Mittzwanziger ohne Schulbesuch und ohne Beruf saß allein auf der Anklagebank. Die von Polen aus agierenden Hintermänner und Hauptprofiteure blieben unerkannt im Dunklen.

Bei dem kriminellen Millionengeschäft mit ins Telefon gebrüllten Schreckensbotschaften wie „Mama, ich habe eine Frau totgefahren!“ geht es darum, alte Menschen mittels Psychoterror so zu manipulieren, dass sie Geld, Goldschmuck oder andere Wertsachen einem „Läufer“ aushändigen. Wobei trickreich vorgegaukelt wird, mit einer Kaution lasse sich vermeiden, dass Sohn, Tochter oder andere nahe Angehörige nach Verschulden eines angeblichen Unfalls in Haft kommen. Drei solcher Taten und ein nicht vollendeter Fall, bei dem der Geldabholer geschnappt worden ist, hat die Große Strafkammer während eines Prozesses mit drei Verhandlungstagen ausgeleuchtet.

Angeklagter räumt Vorwürfe ein

Der Angeklagte räumte von Anfang an die ihm zur Last gelegten Vorwürfe ein - schwieg aber zu seinem Anwerber in Polen. Nachdem zum Ende der Beweisaufnahme eine Geldabholung eingestellt worden ist, blieben gleichwohl 100 000 Euro, die mittels perfider Lügengeschichten bei drei Hochbetagten im Alter von Mitte Achtzig erschwindelt worden sind.

Der Angeklagte ist für die Justiz kein Unbekannter. Schon als 16-Jähriger hatte er als Bote bei einer Enkeltrick-Bande fungiert, zwei weitere Verurteilungen folgten. Bei der mündlichen Urteilsbegründung am Donnerstag führt der Kammervorsitzende Jochen Herkle aus, dass dem Wiederholungstäter keineswegs nur Hilfstäterschaft angekreidet werde. Der Abholer habe zu der Bande gehört - wenngleich auf der untersten Stufe mit vergleichsweise geringer Bezahlung und hohem Entdeckungsrisiko. Im Prozess berichtete der Angeklagte, dass er mit tausend Euro vorab auf die Hand und jeweils 2000 Euro Erfolgshonorar entlohnt worden sei.

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Das Gericht hielt dem jungen Mann zugute, dass er schon bei den Ermittlungen kooperierte und die PIN seines Smartphones preisgab. Außerdem wirkte sich strafmildernd aus, dass ein voll umfängliches Geständnis den hochbetagten Opfern ersparte, als Zeugen auszusagen und dabei möglicherweise „retraumatisiert zu werden“, wie der Kammervorsitzende erklärte. Allerdings müsse sich der Mittzwanziger vorwerfen lassen, seinen Beitrag geleistet zu haben, dass alte und eigentlich besonders schützenswerte Menschen „auf verwerfliche Weise“ psychisch unter Druck gesetzt wurden, um an ihr Erspartes zu kommen. Der Angeklagte sei „der Verlockung des Geldes“ erlegen und könne sich nicht darauf berufen, von der Betrugsmasche keine Ahnung gehabt zu haben.

Staatsanwalt: Opfer um ihr Vertrauen gebracht

In seinem bereits am frühen Nachmittag gehaltenen Plädoyer hatte Erster Staatsanwalt Thomas Bischoff eine siebenjährige Gesamtstrafe gefordert und darauf hingewiesen, dass die Opfer nicht nur um ihr Erspartes, sondern auch um Vertrauen gebracht worden sind. Fünfeinhalb Jahre Gefängnis hielt hingegen Verteidiger Michael Euler für angemessen. Er führte aus, dass „schlaue Herrschaften“ im Hintergrund organisieren, mächtig kassieren und sich gleich „dressierten Äffchen“ Geldabholer halten.

In seinem „letzten Wort“ sprach der Angeklagte von einem „großen Fehler“, der ihm leidtue. Wie das Heidelberger Landgericht verkündete, bleibt der Haftbefehl in Vollzug - allerdings wird die U-Haft in Strafvollzug umgewandelt. Außerdem sollen Taterträge in Höhe von knapp 100 000 Euro eingezogen werden. Das setzt allerdings voraus, dass bei dem Verurteilten finanziell etwas zu holen ist.

Freie Autorin

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