Heidelberg. „Ich freue mich auf den Tag, an dem ich hier rauskomme“: Charlotte ist eine von rund 200 Azubis, die im Hochhaus 132 im Neuenheimer Feld in Heidelberg wohnen. „Es ist billig und liegt zentral. Das ist das einzig Gute.“ Von einer miesen Wohnsituation sprechen Vertreter der Gewerkschaft ver.di. Neben erheblichen Sicherheitsmängeln monieren sie unter anderem bauliche Mängel wie undichte Fenster. Mit einem Aktionscamp machen Bewohner und Gewerkschaft nun drei Tage lang auf die aus ihrer Sicht unerträgliche Situation aufmerksam.
Aktionscamp
Seit Montag und bis Mittwoch, 25. Mai, veranstaltet ver.di Rhein-Neckar gemeinsam mit den Bewohnerinnen und Bewohnern des Personalwohnheims INF 132 in Heidelberg ein Aktionscamp.
Die Mieter sind Auszubildende am Uniklinikum Heidelberg.
Die Wohnsituation wird als bedenklich beschrieben. So gebe es erhebliche Sicherheitsmängel wie eine fehlerhafte Brandmeldeanlage, aber auch bauliche Mängel wie undichte Fenster.
Das Gebäude gehört seit 2016 der Wohnungsgesellschaft Vonovia. Das Uniklinikum ist Mieter seit 1973 – Eigentümer war davor die Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsbau Gesellschaft. Das Uniklinikum vermietet weiter.
Im Internet gibt es ein Video zur Situation: https://youtu.be/4K9UmX-uxEk miro
Der nackte Beton ist in die Jahre gekommen, die Fassade ist stellenweise brüchig, Netze fangen die Brocken ab. Die gläserne Eingangstür klemmt und ist beklebt und beschmiert. Wer hineingeht, steht vor zwei Aufzugtüren. Doch nur der kleinere der beiden Lifte (Baujahr 1971) war zuletzt in Betrieb. „Ich muss oft lange warten“, erzählt Senna, die im zehnten von elf Stockwerken wohnt.
Das graue Hochhaus gehört der Wohnungsgesellschaft Vonovia mit Sitz in Bochum. Das Heidelberger Universitätsklinikum ist Hauptmieter und gibt die Wohnungen an seine Auszubildenden weiter. Rund 200 Euro kostet ein 20 Quadratmeter großes Zimmer mit kleinem Bad warm. Ver.di-Jugendsekretärin Marianne Bretzel hat das Camp organisiert.
Senna teilt sich als FSJlerin so ein Zimmer mit einer ihr vorher Unbekannten. Die Betten stehen eng beieinander. Für zwei Beschäftigte mit unterschiedlichen Arbeitszeiten in den Tag- oder Nachstunden alles andere als ideal: „Wenn eine spät nach Hause kommt, schläft die andere schon und wird gestört.“ Der Kühlschrank ist in sechs Metallsafes aufgeteilt. Sie hat keinen Schlüssel und kann nichts kühlen.
Neubau verzögert sich
Edgar Reisch, Pflegedirektor des Uniklinikums und Leiter der Akademie für Ausbildungsberufe, räumt ein: „Hier gibt es nichts schönzureden.“ Allerdings sei der Klinikvorstand auch davon ausgegangen, dass schon 2020 der Wohnheim-Neubau am Ochsenkopf, in der Nähe der Schule, bezogen werden kann. Mit 120 Appartements. Anwohnereinsprüche und eine daraufhin vom Regierungspräsidium zurückgezogene Baugenehmigung seien der Grund dafür, dass der Baugrund von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft zwar vorbereitet sein, aber ein neuer Bauantrag vorbereitet werde.
Auch Pflegeschülerin Michelle wohnt im zehnten Stock. Die Küche hat weder Fenster noch Abzug. „Der Rauchmelder springt ständig an, wenn wir kochen“, berichtet die Bewohnerin. Inzwischen nehme man die Alarme gar nicht mehr ernst – es gibt zu viele davon. Der Herd mit Metallplatten und vergilbten Drehknöpfen in der Gemeinschaftsküche versprüht den „Charme“ der 1970er-Jahre. Schranktüren hängen aus der Verankerung oder lösen sich in die Spanplattenschichten auf. Reisch verspricht bei seinem Besuch im Aktionscamp am Dienstag, dass man nun pro Jahre zwei Küchen sanieren wolle. Azubi Pascal rechnet vor: Auf jedem der elf Stockwerke gibt es drei Küchen – dazu eine im Erdgeschoss. „Das sind 34 Küchen. Wenn pro Jahr zwei saniert werden, sind wir in 17 Jahren durch – und fangen wieder von vorne an.“
Charlotte bewohnt ein eigenes Zimmer. „Als ich eingezogen bin, war das Abwasserrohr im Bad verstopft.“ Ihre Toilette hängt schief an der Wand, „zum Glück hält sie aber“, nimmt es die Mieterin mit Gleichmut. Wäschewaschen sei ebenfalls schwierig: Für die 200 Bewohner gebe es zwar vier Waschmaschinen, aber eine sei kaputt und eine weitere „stinkt ganz fürchterlich, sie muss ein Problem mit dem Ablauf haben“, vermutet die junge Frau. „Wir werden sechs Industriewaschmaschinen anschaffen“, verspricht Reisch.
„Uns ist bisher keiner der geschilderten Mängel bekannt“, erklärt Vonovia-Sprecher Olaf Frei dieser Redaktion. Instandhaltung und Instandsetzung sei Aufgabe des Mieters. Für Gespräche sei man jederzeit offen.
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