Heidelberger Frühling

(K)ein letztes Lebewohl im Mondschein

Beim Heidelberger Frühling begeistern die Bratscherin Tabea Zimmermann und der Pianist Javier Perianes das Publikum in der Alten Universitäts-Aula

Von 
Hans-Günter Fischer
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Die Bratschistin Tabea Zimmermann. © picture alliance/dpa/EvS Musikstiftung

Heidelberg. Musikalisch „große“ Stücke sind streng limitiert. Solange es um Bratschen-Stücke geht. Tabea Zimmermann (Bild) weiß das besonders gut und arbeitet schon seit Jahrzehnten an ergänzenden Problemlösungen. Viele neue Werke hat sie angeregt. Berühmte Komponisten haben auch geliefert, unter ihnen waren etwa György Ligeti und Wolfgang Rihm.

Und einen schmalen eisernen Bestand an Meisterwerken gibt es ja, beim Heidelberger Frühling in der Alten Universitäts-Aula kommt Zimmermann wieder einmal darauf zurück. Das Resultat ist rundum faszinierend und hat häufig Referenzcharakter. Diese Stücke, von der Bratscherin seit jetzt bald 40 Jahren regelmäßig neu betrachtet und beleuchtet, demonstrieren mittlerweile einen singulären Grad an musikalischer Durchdringung.

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Ihr zur Seite sitzt am Flügel Javier Perianes. Dass auch diese Partnerschaft schon etwas länger andauert, ist jeder Phrase deutlich anzuhören. Enger, dichter und vertrauensvoller kann so ein Zusammenspiel kaum sein, kein Bogen-Rosshaar passt dazwischen. Perianes‘ Zugriff ist enorm flexibel und beweglich. Nach einer pathetisch-vollgriffigen, quasi orchestralen Aufwallung - etwa bei Brahms - vermag er sich sofort wieder zurückzunehmen.

Der Wunsch: Perianes auch mal einen Soloabend zu ermöglichen

In den letzten Jahren hat der Spanier bereits eine ganze Reihe exquisiter Tonaufnahmen vorgelegt, das schloss auch Standardrepertoire von Beethoven, Chopin und Mendelssohn mit ein. Alles von ihm wirkt reif und ausgearbeitet. Das mag auch daran liegen, dass er nicht zu früh als Wunderknabe des Musikbetriebs vermarktet wurde. Falls wir einen Wunsch beim Heidelberger Frühling frei hätten, dann den: Perianes auch mal einen Soloabend zu ermöglichen.

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Das engmaschige Spiel des Spaniers ist im Duo mit Tabea Zimmermann dafür prädestiniert, die typisch kleinteiligen Stimmungsumschwünge bei Schumann ungemein elastisch aufzugreifen (wie in den „Fantasiestücken“). Bei Brahms werden „späte Bekenntnisse“, die das Programm verspricht, in der Sonate Opus 120/2 in einen freien und gelassenen Erzählton transzendiert. Das wirkt nie überfrachtet und beschwert. Und es lässt zudem Schumann und Brahms dichter zusammenrücken.

Nach der Pause kommt das nächste Komponisten-Paar: Britten und Schostakowitsch. Und auch diese beiden waren sich in Freundschaft zugetan, begegneten sich zudem in der Neigung, manchmal alte bis sehr alte Meister zu befragen. Britten lässt sein „Lachrymae“ in einen Song John Dowlands auslaufen. Eine Art Heimkehr. Bis dahin indessen zeigt Tabea Zimmermann die Streicherkunst des 20. Jahrhunderts. Ihre Ausweitung instrumentaler Möglichkeiten, Artikulationsarten. Es ist wie eine kleine Enzyklopädie.

Zimmermann reizt die Galoppaden im Trommelrhythmus voll aus

In der Sonate für Viola und Klavier von Schostakowitsch, seinem Abschiedswerk, reizt Zimmermann im Mittelsatz die Galoppaden im punktierten Trommelrhythmus noch einmal voll aus. Bevor das Schluss-Adagio immer wieder Anläufe zu Beethovens berühmtester Klaviersonate unternimmt. Aber das Lebewohl im „Mondschein“ will nicht mehr gelingen.

Die Zugabe des imponierenden Konzerts in der Alten Aula ist schließlich eine Evergreen-Bearbeitung: Villa-Lobos‘ fünfte „Bachiana brasileira“. Deren Aria liegt der Moll-affinen Bratsche und auch der Bratscherin Tabea Zimmermann. Sie kündet von „Saudade“, dem schönen portugiesischen Begriff von Sehnsucht.

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