Heidelberger Frühling

Jan Lisiecki beim Heidelberger Frühling: Einen Tick markanter als bei anderen

Sein Spiel im vierten Beethoven-Konzert ist unanfechtbar. Jan Lisiecki und das Aurora Orchestra aus London überzeugen beim Heidelberger Frühling

Von 
Hans-Günter Fischer
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Taufrisch klingt Beethoven bei Lisiecki und dem Aurora Orchestra. © Stadt HD

Seine Plattenfirma gönnt sich viele prominente Pianisten. Aber es war Jan Lisiecki, dem zum Jubiläumsjahr des Komponisten anvertraut war, für die Deutsche Grammophon die fünf Klavierkonzerte Beethovens neu aufzunehmen. Ihm oblag also die Staatsaktion. Und dass er würdig war, diese durchzuführen, zeigt er auch beim Heidelberger Frühling in der ausverkauften Neuen Universitäts-Aula.

Sein Spiel im vierten Beethoven-Konzert ist unanfechtbar. Ohne falschen Ehrgeiz, irgendetwas unerwartet Neues aus der Partitur herauskitzeln zu wollen, ist seine Performance einfach einen klitzekleinen - für den Kenner aber absolut entscheidenden - Tick perlender, markanter, transparenter und rhetorisch packender als bei den allermeisten anderen. Auch stählerner, entschiedener, nicht nur in den Kadenzen.

Weiche, fließende Konturen

Selbst in diesem G-Dur-Werk, das eher lyrisch und introspektiv ist. Im berühmten Mittelsatz muss der Solist gar das Orchester zähmen und besänftigen. Lisiecki glückt das selbstredend, obgleich die Instrumentalistinnen und Instrumentalisten vom Aurora Orchestra aus London durchaus prononcierte Statements abgeben. Die kleinen, punktgenauen Bläser-Explosionen im Finalsatz stehen da nur stellvertretend.

Nach dem letzten Takt bricht denn auch Jubel los. Lisiecki bringt als Zugabe ein nachgelassenes Chopin-Nocturne in c-Moll (ohne offizielle Opus-Zahl) und stattet es mit leuchtenden gesanglichen Melismen aus.

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Das Londoner Orchester hat auch etwas Zeitgenössisches im Angebot: „For Mira“, komponiert von Héloise Werner, ist einer Verstorbenen gewidmet, doch verzichtet auf den Trauerrand. Stattdessen hat es weiche, fließende Konturen. Und die Musiker murmeln dazu, von Lieblingsorten oder anderen erfreulichen Erinnerungen.

Das Orchester, noch nicht 20 Jahre alt, pflegt eine Eigenheit: Es spielt bei ausgewählten Stücken auswendig. Der Dirigent Nicholas Collon sagt im Anschluss an den Heidelberger Auftritt, alle Musiker müssten für sich allein lernen, der Umfang ihrer Parts sei nun einmal sehr unterschiedlich. Aber alle haben noch den schönen, alten Traum, die eingefahrenen Strukturen des Konzertbetriebs zu überwinden.

Antworten auf alte Fragen

In der Neuen Aula wird er wahr. Es ist bezwingend, wie aus kleinsten Bausteinen die große Sinfonie Gestalt annimmt: Beethovens Fünfte. Kammerorchestral besetzt, etwa mit sieben Ersten und sechs Zweiten Violinen. Und mit Bläsersoli auf dem Präsentierteller. Das ist so leuchtend plastisch, dass man neue Antworten auf alte Fragen findet, einschließlich der wichtigsten: Wie haben Sie das bloß gemacht, Herr Beethoven?

Der Auftritt des Aurora Orchestra wirkt wie ein Ohrenöffner. Ist sonst oft nur eine Redensart. Hier stimmt es aber.

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