Projekt

Heidelberger Schüler spielen Theater: Hoffnungsboten fürs Glück von morgen

40 Jugendliche aus Deutschland und Frankreich waren mit dem am Hölderlin-Gymnasium einstudiertem Stück „Contre l’oubli“ auf Tour. Nessi Nezillas „Paperbomb“ im Gepäck

Von 
Christine Maisch-Bischof
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Die Schüler mit Nessi Nezillas „Paperbomb“ auf der Gedenkstätte auf dem Hartmannsweilerkopf. © Ralf Engelsmann

Heidelberg. Ein Hütchen an einem langen Messingstab, mit dem einst die Urgroßmutter in Mannheim die Lichter löschte, wenn die Sirenen ertönten. Schnell musste es gehen, denn der Schein der Kerzen hätte bei Bombenalarm die Aufmerksamkeit der Kampfflieger auf sich lenken können. Ein Abschiedsbrief von der Front, ein kleines Amulett, ein letzter Gruß: Es sind kleine, aber sehr persönliche Erbstücke, die allesamt eine Geschichte haben.

Gymnasiasten halten sie in ihren Händen, während sie auf der Bühne erzählen, warum sie ihnen so viel bedeuten. Ein berührendes Szenario und zugleich die Rahmenhandlung des Stückes „Contre l’oubli - gegen das Vergessen“, das Szenisches- und Sprech-Theater eindrucksvoll mit Rap-Gesang verbindet und mit dem jetzt 20 Schülerinnen und Schüler des Heidelberger Hölderlin-Gymnasiums und ebenso viele Mädchen und Jungs des Lycées Albert Thomas auf Tour waren.

Salon Diplomatique

Einweihung der Skulptur „Paperbomb“ in Mannheim

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Christine Maisch-Bischof
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Mal als meterhohes Symbol für den Frieden, mal in der Gestalt eines von innen erleuchteten Originals im Gepäck und auf der Bühne: Erkennungszeichen und Mittelpunkt der Inszenierung war die Skulptur „Paperbomb“ der aus der Metropolregion stammenden Künstlerin Nessi Nezilla. Die Idee für diese Verbindung von Theater und bildender Kunst stammt von dem in Mannheim ansässigen Honorarkonsul Frankreichs, Folker Zöller.

„Wir dürfen nicht vergessen, was in der Vergangenheit geschehen ist, die Jugend ist unsere Zukunft“, betont Zöller, Initiator, Förderer und Unterstützer des Projektes. Fasziniert von der Symbolkraft der „Paperbomb“ von Nessi Nezilla organisierte er Ende Januar 2024 ein Treffen zwischen der Künstlerin und der Französischlehrerin Sibylle Treugut vom Hölderlin-Gymnasium.

Projekt

Heidelberger Schüler reisen mit Kunst gegen das Vergessen

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Michaela Roßner
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„Und wie wäre es, wenn Kunst und junge Menschen aus Deutschland und Frankreich zusammenkommen?“, fragt der Konsul die beiden Frauen. Die finden die Idee „einfach super“ und reisen nach Frankreich, um die Realisierung des Projektes vorzubereiten. Als Schirmherren wurden der französische Botschafter in Berlin sowie der deutsche Botschafter in Paris gefunden.

Rappen, lesen, singen und szenisch gestalten

Die Idee: Unter dem Motto „Drittortbegegnung“ studieren 20 deutsche und 20 französische Mädchen und Jungs zwischen 14 und 17 Jahren zusammen ein Stück ein, mit dem sie dann auf Tour durch Frankreich gehen und an einem besonderen Ort gemeinsam aufführen. Auf französischer Seite organisiert die Reise Danièle Sadowski, Lehrerin des Lycées Albert Thomas in Roanne, unweit von Lyon.

Friedensmission

  • Das Theaterstück rund um das „Paperbomb“-Symbol von Nessi Nezilla hat in Frankreich auf der Gedenkstätte am Hartmannsweilerkopf, in Moulins, Roanne, Tulle und Oradour-sur-Glane Station gemacht.
  • Finanziert hat die deutsch-französische Reise „Contre l‘oubli – gegen das Vergessen“ maßgeblich das Institut Français Mannheim (IF) mit Spenden, die es für dieses pädagogische Projekt erhalten hat.
  • Die Premiere des Theaterstücks fand im Rahmen der französischen Woche des deutsch-französischen Kulturzentrums (dfk) im Heidelberger Hölderlin-Gymnasium statt.
  • Weitere Infos und Kontakte unter cottini@nezilla.eu unter info@if-mannheim.eu sowie unter info@dfk-hd.de.

Rappen, lesen, singen und szenisch gestalten: Was folgte waren intensive Probenarbeiten. „Manchmal bis spät in den Abend hinein“, erzählt Sibylle Treugut. Unterstützt von der französischen Regisseurin Emilie Weiss gestalten die 40 Schüler ein Stück mit einer beklemmenden, verstörenden Intensität, das aber auch von einer unverbrüchlichen Hoffnung auf ein friedvolles Miteinander erzählt. Und so endet das Stück mit einem Rap, den Toni Landomini für die Schüler geschrieben und zusammen mit dem Hip-Hopper Bryan Vit mit ihnen erarbeitet hat: „Contre l‘oubli - pour le bonheur de demain. Gegen das Vergessen - für das Glück von morgen.“

Dass dieser Rap samt Theaterstück und „Paperbomb“ dann sogar von François Hollande gefeiert wurde, das war nicht nur Honorarkonsul Zöller zu verdanken, der mit seinen Kontakten für so manche unvergessliche Begegnung während der Reise gesorgt hatte. Vielmehr war der Erfolg auch den deutschen und französischen Schülern selbst zu verdanken.

„Wir haben uns einfach extrem gut verstanden, sonst wäre das Projekt nicht so toll geworden“, erzählt der 14-jährige Hölderlin-Gymnasiast Jakob Herrmann. Für ihn war der Auftrittsbesuch des Staatsmanns in Tulle ein Highlight: „In der Mitte der Bühne standen 20 beleuchtete Miniatur-Paperbombs und wir sind drumherum gruppiert und rappen für den ehemaligen französischen Präsidenten. Unfassbar!“

Während der Reisen und der Proben zusammengewachsen

Auch Mitschülerin Lilli Fontius (17) hat es gerührt, wie die Jugendlichen auf den Tour-Bus-Reisen und während der Proben immer mehr zusammengewachsen seien: „Beim Abschied hatten alle Tränen in den Augen.“ Was aber bestimmt auch an den gemeinsamen tief erschütternden und verstörenden Erlebnissen liege.

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red
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Da können Jakob und Carolina-Luise Schlieter (16) nur zustimmen. Die Begegnung mit der Enkelin eines Mannes, der das Massaker von Oradour überlebt hat, Berichte von der grauenvollen Vergeltungsaktion der SS in Tulle: „Das vergisst man ein Leben lang nicht.“ Genauso wenig, wie das Gefühl von tief empfundener Freundschaft. Anstrengend war es, intensiv. Aber es gab auch viele beglückende und fröhliche Momente. Und so sind sich die drei einig: Sie wären das nächste Mal wieder dabei.

Die Botschaft von Versöhnung und Frieden überbringen

Unvergesslich sind auch die Eindrücke, die das Frauen-Trio gewonnen hat. Als „wunderbare Möglichkeit, die Botschaft von Versöhnung und Frieden“ zu überbringen, empfindet Lehrerin Sadowski den Input von Kunst, Theater und Musik. Kollegin Treugut stimmt ihr zu. Es sei so wichtig, die jungen Menschen für das Thema zu sensibilisieren: „Denn sie werden später Europa formen und für den Erhalt der Demokratie verantwortlich sein.“

Auch Künstlerin Nezilla empfindet Kunst als Brücke zu Frieden und Freundschaft: „Sie hat die Kraft, Herzen zu öffnen und neue Wege der Verständigung zu schaffen.“ Wenn dann die nächste Generation den Mut finde, diese Reise zu beginnen, „dann erfüllt mich das mit Stolz und Hoffnung“.

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