Heidelberg. Sie sind endlich weg, die grauen, zum Teil übereinandergestapelten Container an der Friedrich-Ebert-Anlage. Die Zeit des Provisoriums ist vorbei. Die Schülerinnen und Schüler sind zurück in ihren grundsanierten Klassenräumen. Nach dreieinhalb Jahren Bauzeit ist am Donnerstagnachmittag das für 22,6 Millionen Euro umgebaute Hölderlin-Gymnasium eingeweiht worden. Die Sanierung im laufenden Schulbetrieb, mitten in der Altstadt, war ein Kraftakt - das haben die Grußworte eindrücklich vermittelt.
Dachfläche als Pausenhof
Fuhren früher Autos über den Pausenhof, weshalb eine „Wache“ aufgestellt werden musste, wenn die Klassen an die frische Luft geschickt wurden, so haben die Autos nun eine eigene, sichere Zufahrt von der Friedrich-Ebert-Anlage. Die Zahl der Parkplätze in der Tiefgarage wurde reduziert, dafür gibt es nun unterirdische Stellplätze für Fahrräder. Das Herz der Sanierung ist indes ein eingeschossiger, verglaster Anbau: Auf rund 500 Quadratmetern bietet er Raum für ein Theater mit Bühne und Foyer, kann aber auch für Veranstaltungen genutzt werden. Theaterpädagogik ist ein Schwerpunkt der Schule - nun können die heranwachsenden Musiker-, Tanz- und Schauspieltalente sich in einem professionellen Umfeld erproben.
Hölderlin-Gymnasium Heidelberg
- Das Hölderlin-Gymnasium in der Heidelberger Altstadt hat eine mehr als 125-jährige Geschichte.
- 1877 als Höhere Mädchenschule gegründet, werden im Gymnasium seit 1972 auch Jungen unterrichtet.
- Aktuell besuchen rund 800 Schüler die Schule. Etwa ein Viertel davon wohnt außerhalb der Stadt.
- Friedrich Hölderlin (1770 –1843) war ein Lyriker.
„Kultur trägt durch eine Baustelle, und Kultur trägt durch eine Pandemie“, fasst Schulleiterin Andrea Merger zusammen. Die Klasse 5b belegt das am Ende des Programms mit einem szenischen Spiel: Friedrich Schillers Gedicht „Der Handschuh“ bringen die Mädchen und Jungen unterhaltsam mit eingebauten „Baustellen-Störungen“ auf die Bühne. Hier stolpert eine Architektin in die Vorstellung, um „mal eben“ etwas auszumessen, da prüft ein Techniker mitten im Unterricht, ob eine Lichtinstallation funktioniert. Am Ende liefern Bauarbeiter sogar den Handschuh, der Schillers Löwen vor die Schnauze fällt: ein Arbeitshandschuh, schnell zur Requisite umfunktioniert.
So ungefähr muss es in den zurückliegenden Wochen gewesen sein: ständig Überraschungen auf dem sich immer wieder verändernden und teilweise abgesperrten Areal sowie Schüler, die das interessiert aufnehmen und das Beste draus machen. „Schule trifft Baustelle“, überschreibt Merger diese Erfahrungen, die enorm viel Flexibilität erforderten und zum Teil auch Nerven kosteten.
Der Rektorin und ihrer eindrücklichen Rede vor dem Gemeinderat sei es zu verdanken, dass die Schule mit ihren sechs Gebäuden aus anderthalb Jahrhunderten nicht nach und nach, sondern komplett in einem angepackt wurde, erinnerte Baubürgermeister Jürgen Odszuck an eine dann folgende Entscheidung, die „zwei Millionen Euro kostete“ und die Bauzeit von ursprünglich anvisierten sieben auf nun dreieinhalb Jahre verkürzte. Odzuck, der bei der Einweihung auch den erkrankten Stadtchef Eckart Würzner vertrat, sprach von einem „Juwel in der Altstadt“, zu dem die Schule nun geworden sei.
Sozial- und Schuldezernentin Stefanie Jansen erinnert daran, dass Heidelberg die Stadt mit der durchschnittlich jüngsten Bevölkerung sei - und dass Bildung der Stadt viel wert sei. 112 Millionen Euro fließen im Doppelhaushalt 2021/22 in den laufenden Schulbetrieb. 25,6 Millionen Euro in Investitionen in den Schulbetrieb; weitere 12,2 Millionen Euro sind für die Bauunterhaltung von Schulen eingeplant.
Jüngste Stadt Deutschlands
Patrick Lubs (ap 88 Architekten) überreichte den symbolischen Schlüssel und erinnerte an die Aufgaben, die der europaweit ausgelobte Wettbewerb forderte: Neben dem neuen Raum für das Theater bekamen die sechs Häuser, die zum Teil Schäden durch Feuchtigkeit erlitten hatten, auch neue Fassaden, Bodenbeläge und Haustechnik. Brandschutz und Elektroanlagen wurden erneuert. Glasfaseranschlüsse machen die Klassenzimmer mit Beamern und Mediensäulen fit fürs Digitale. Die Barrierefreiheit ist mit dem Einbau eines Aufzugs an einem zentralen Gebäudeteil erreicht worden. Obwohl die Schüler die vielbefahrene Straße überqueren mussten, um zum Unterricht in die Container zu kommen, und obwohl Teile der Plöck stundenweise zum Pausenhof wurden, habe es in den dreieinhalb Jahren keinen Unfall gegeben, bedankt sich Odszuck.
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