Justiz

Gefängnisstrafe wegen gefälschter Rechnungen bei Pflegedienst

Urteil vor dem Mannheimer Landgericht: Die ehemalige Betreiberin eines Pflegedienstes in Ketsch hat in 476 Fällen bei Abrechnungen betrogen und damit mehrere hunderttausend Euro an Leistungen erschlichen

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Die ehemalige Betreiberin eines Pflegedienstes in Ketsch ist wegen Abrechnungsbetrugs zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. © dpa

Mannheim/Ketsch. Wegen Abrechnungsbetrugs zulasten gesetzlicher Krankenkassen hat das Mannheimer Landgericht im Falle der Gründerin und Betreiberin eines inzwischen insolventen Pflegedienstes in Ketsch eine Gefängnisstrafe von vier Jahren und drei Monaten verhängt. Bei der Tochter hält die Große Wirtschaftsstrafkammer eine zweijährige Bewährungsstrafe für angemessen. Die beiden Urteile sind keine Überraschung, sondern bewegen sich innerhalb eines Strafrahmens, auf den sich die Parteien beim Prozessauftakt auf Grundlage eines Kammervorschlages verständigt haben.

Der „Deal“ wurde möglich, weil die beiden angeklagten Frauen den Vorwurf rund um vorgetäuschtes Fachpersonal mit Examen, nämlich drei „Phantomkräfte“, gestanden haben. Angesichts einer zügigen, weil weitgehend unstreitigen Beweisaufnahme können bereits am fünften Verhandlungstag die Schlussvorträge gehalten werden.

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Nach einer dreistündigen Pause wird das Urteil verkündet

„Manipulation, Täuschung und Lügen haben die gesamte Pflege-Dokumentation geprägt“, führt Staatsanwältin Cohrs aus. Es sei darum gegangen, einen möglichst hohen Profit zu erzielen. Und dafür hätten Mutter und Tochter Leistungsnachweise trickreich „passend“ gemacht. Die Anklagevertreterin verweist darauf, dass in einem Jahr eine satte Gewinnmarge von 49,2 Prozent und ein Jahr später von immerhin noch 36,5 Prozent erreicht worden ist.

Die Anwälte Thomas Nuzinger und Sebastian Münkel schicken ihren Plädoyers den Dank für ein pragmatisch geführtes Verfahren trotz komplexer Materie voraus. Die Verteidigung stellt Rechtsfragen zum Umgang mit dem verursachten Schaden in den Mittelpunkt.

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Als nach einer gut dreistündigen Pause das Urteil verkündet wird, führt der Vorsitzende Richter Andreas Lindenthal aus, dass die Kammer von einem Schaden in Höhe von insgesamt zwei Millionen Euro ausgeht. Beim Zumessen der Strafe seien hingegen lediglich um die 700 000 Euro herangezogen worden. Schließlich habe der mobile Pflegedienst trotz manipulierter Dokumentation auch solche Leistungen erbracht, die einjährig qualifizierte oder angelernte Kräfte ausführen dürfen.

Die Kammer geht davon aus, dass Mutter und Tochter gemeinschaftlich handelten und dabei „kriminelle Energie“ entwickelten. Allerdings habe die Mutter bei den ausgetüftelten Abrechnungsmanipulationen „eine dominante Rolle“ gehabt. Der Vorsitzende Richter betont, dass es bei dem Prozess nicht um die Qualität jeweiliger Pflegeleistungen gegangen ist, sondern ausschließlich um Abrechnungsbetrug – und damit um jene falschen beziehungsweise gefälschten Rechnungen, insgesamt 476, bei denen kein Anspruch auf Vergütung vorlag, was den beiden Frauen klar war.

476 gefälschte Rechnungen

Die Tochter ist bereits am ersten Prozesstag aus der elfmonatigen U-Haft entlassen worden. Bei der gesundheitlich angeschlagenen Mutter soll der Haftbefehl gegen eine Sicherungsleistung von 25 000 Euro bis zum Antritt der Gefängnisstrafe außer Vollzug gesetzt werden.

Die Höhe der Einziehungsbeträge ist noch offen – denn diese Frage ist von der Hauptverhandlung abgekoppelt worden. Anders ausgedrückt: Die beiden Frauen müssen damit rechnen, Wertersatz für zu Unrecht erlangte Pflegezahlungen, und somit für Taterträge, leisten zu müssen.

Freie Autorin

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