Ketsch. Ein inzwischen insolventer Pflegedienst in Ketsch beschäftigt am Mannheimer Landgericht eine Große Wirtschaftsstrafkammer. Wegen Abrechnungen mit falschen beziehungsweise gefälschten Nachweisen sitzen die einstige Inhaberin und ihre Tochter - beide weitgehend geständig - auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft geht von über drei Millionen Euro Schaden zu Lasten von 27 Krankenkassen aus.
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Im Mittelpunkt steht der Vorwurf, dass der mobile Pflegedienst mit vorgetäuschtem Fachpersonal getrickst hat: Drei examinierte „Phantomkräfte“, so Staatsanwältin Cohrs, tauchten in Leistungsnachweisen immer dann auf, wenn Behandlungspflege eine abgeschlossene dreijährige Ausbildung vorschreibt - aber medizinische Verrichtungen auch von Beschäftigten mit einjähriger Qualifikation oder interner Einweisung ausgeführt wurden, obwohl ärztliche Verordnungen wie Katheterwechsel, Wundversorgung oder Infusionen ausschließlich Fachpersonal obliegen.
In dem Verfahren gilt zu klären, ob und in welchem Umfang auch jene Pflegeverrichtungen erstattungsfähig sind, die zwar ausgeführt wurden - aber nicht von examinierten Kräften. Die Verteidigung geht davon aus, dass der in 478 Einzeltaten angeklagte Abrechnungsbetrug keineswegs in die Millionen geht, sondern um die 500 000 bis 600 000 Euro beträgt.
Verständigung vorausgegangen
Dem Prozess sind Verständigungsgespräche zwischen Anwälten und Staatsanwaltschaft vorausgegangen, die in den ersten Verhandlungstag münden. Die Parteien akzeptierten den vom Vorsitzenden Richter Andreas Lindenthal verkündeten Kammer-Vorschlag, dass bei umfassenden Geständnissen die 25-jährige Tochter eine Bewährungsstrafe erhält und sich bei der Mutter die Strafe zwischen vier Jahren beziehungsweise vier Jahren und neun Monaten bewegt.
In ihren Erklärungen räumen die zwei Frauen zur Last gelegte Vorwürfe im Wesentlichen ein. „Ich habe alles bestimmt und entschieden “, betont die 53-Jährige, die als Fachwirtin für Gesundheit mit späterer Altenpflegeausbildung den von ihr 2014 in Ketsch gegründeten Pflegedienst geleitet hat. Immer wieder führt sie aus, die Tochter habe lediglich ihre Anweisungen umgesetzt.
Auch wenn die einstige Unternehmerin „Phantomkräfte“ zugibt, ist sie überzeugt, dass die kranken Menschen gut versorgt worden seien: „Die erbrachten Leistungen waren ja in Ordnung“ - auch wenn Angaben zum ausführenden Personal nicht immer gestimmt hätten. „Ich werde zu meinen Fehlern stehen“, versichert die gesundheitlich angeschlagene 53-Jährige, die seit neun Monaten in Untersuchungshaft sitzt und hofft, sich vor Antritt ihrer Gefängnisstrafe auskurieren zu können.
Urteile wohl Mitte Mai
Die Tochter, ausgebildete Altenpflegerin und Mitgesellschafterin der Pflegedienst-GmbH, räumt ein, von den Doku-Unkorrektheiten gewusst zu haben. Sie hätte aber nie Anweisungen der Mutter in Frage gestellt: „Ich wollte ihr alles recht machen, damit sie stolz auf mich ist.“ Anders als für die Mutter endet für die mitangeklagte junge Frau die U-Haft nach dem ersten Prozesstag. Angesichts umfassender Geständnisse dürften die Urteile Mitte Mai fallen - bis dahin sind fünf Verhandlungstage terminiert. Vor einem Jahr hatten (anonyme) Anzeigen Ermittlungen und Durchsuchungen ausgelöst.
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