Heidelberg. „In diese Erde, in diesen Boden, in dieses reine Feld lasst uns nichts anderes säen als Samen des Mitgefühls und der Liebe.“ So lässt sich ein Gedicht von Maulana Dschelaleddin Rumi, einem persischen Mystiker des 13. Jahrhunderts, übersetzen. Walwala Azam, eine Geflüchtete aus Afghanistan, zitierte ihn am Freitagabend in der Lutherkirche, um den Zuhörern zu verdeutlichen, „dass wir wie unsere reiche und liebevolle Sprache aus Zärtlichkeit und Zuneigung bestehen“.
Gedenkfeier für Rouven Laur in Heidelberg: Geflüchtete gedenken getötetem Polizisten
Die Gedenkfeier für Rouven Laur, die der Asylarbeitskreis Heidelberg organisiert hatte, brachte dreierlei zum Ausdruck: Trauer um den getöteten Polizisten, Mitgefühl mit denen, die ihm nahe standen – und den Wunsch, afghanische Geflüchtete nach der Tat ihres Landsmanns nicht noch mehr unter Generalverdacht zu stellen. „Wir als Afghanen identifizieren uns nicht mit solchen Straftätern“, sagte der Geflüchtete Zabiullah Shirzad. „Wegen eines psychopathischen Menschen sollte nicht einer ganzen Nation die Schuld übertragen werden.“
Dennoch schockierte und beschämte die Nationalität des Täters afghanische Geflüchtete im „Café Talk“, einem Begegnungsort des Asylarbeitskreises. Aus ihren Reihen sei der Wunsch gekommen, ihren Gefühlen angesichts des tödlichen Angriffs auf Laur Ausdruck zu geben, berichtete Pfarrerin Sigrid Zweygart-Pérez.
Rund 80 Gäste hatten sich zu der auf Deutsch und Persisch abgehaltenen Feier in der Kirche in Bergheim eingefunden. Darunter waren neben Geflüchteten und Ehrenamtlichen auch zwei uniformierte Polizisten, außerdem Sozialbürgermeisterin Stefanie Jansen und der Vorsitzende des Migrationsbeirats, Jaswinder Pal Rath.
Geflüchtete berichten von Anfeindungen nach Messerattacke
„Viele Menschen aus Afghanistan, die hier leben, sind entsetzt“, erzählte Shirzad, der seit 2015 in Deutschland lebt und hier eine Ausbildung als Elektroniker abgeschlossen hat. Als er am 31. Mai von dem Angriff auf den 29-jährigen Polizeibeamten erfahren habe, sei er „von tiefstem Herzen enttäuscht“ gewesen. „Wie kann man so undankbar sein?“, habe er sich gefragt, „wie kommt man auf so eine Idee?“ Der Islam sei eine Religion „des Friedens und der Liebe“. „Wer einen Menschen tötet, tötet eine ganze Welt“, zitierte Shirzad den Koran, „wer einen Menschen schützt, schützt eine ganze Welt“.
So wie viele Menschen betrachte er Laur als einen Helden, sagte der Geflüchtete Shamal Momand. Er berichtete, dass Schutzsuchende aus Afghanistan nun Sätze wie „Ihr seid doch alle gleich“ hörten, oder die Forderung, sie sollten abgeschoben werden. Dass ein Muslim ein derartiges Verbrechen begangen habe, bedeute aber nicht, „dass wir alle so sind“.
Der Islam lehre nicht, Menschen zu töten, sondern sie zu respektieren. Er schäme sich allerdings für sein Heimatland, sagte Momand. Und er sei dankbar dafür, was Deutschland ihm gebe – etwa ein „Dach über dem Kopf“ und „eine gute Arbeit“. Jetzt hoffe er, dass der Täter „seine gerechte Strafe bekommt“.
„Noch mehr als jeder andere“ schätzten Geflüchtete „jede einzelne Sekunde, die uns in diesem Leben geschenkt wurde“, sagte Walwala Azam. „Wir wissen, wie wertvoll das Leben ist, und wie bitter es ist, es zu verlieren.“ Sie bitte alle, „uns in diesem schwierigen Moment, der nicht nur für Sie schwierig war, sondern uns Afghanen auch viel Schande und Leid bereitet hat, Ihre Liebe und Freundlichkeit zu schenken“.
Pianist Zaki Darya komponiert Lied "Für Rouven"
Großen Raum nahm bei der Feier die Musik ein. Der Pianist Zaki Darya, der ebenfalls aus Afghanistan geflohen ist, führte auch das Stück „Für Rouven“ auf, das er eigens für diesen Anlass komponiert hatte. Er wolle mit diesem Werk sein Mitgefühl ausdrücken und widme es dem Polizisten, „der in Mannheim sein kostbares Leben für mich und dich und uns alle verloren hat“, so Darya. Die laut dem Komponisten „ruhige und schöne Einleitung“ bricht plötzlich ab; dann folgen düster klingende Takte, bevor das Stück in c-Moll etwas sachter und ernst endet – das versinnbildliche, wie Laur sich „von uns entfernt“.
Sozialbürgermeisterin Stefanie Jansen sah die Gedenkfeier als Teil einer „Welle der Anteilnahme“, die seit der Tat nicht abebbe. „Wir dürfen nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen“, sagte Jansen. Derartige Gewalt zerstöre die Fundamente der Demokratie und des Zusammenlebens; aus Angst entstehe „Hass und Ablehnung“ – was nun vor allem Menschen aus Afghanistan zu spüren bekämen. Dies sei inakzeptabel, so Jansen.
Zum Schluss sangen die Anwesenden gemeinsam „We shall overcome“. In dem Lied gehe es um das, „weshalb wir hier sind“, sagte Annette Schiffmann, die Vorsitzende des Asylarbeitskreises, nämlich um die „Gleichberechtigung aller Menschen“. Die Feier, so Schiffmann, gebe Hoffnung und die „Zuversicht, weiterzumachen“.
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