Kann man Patienten im Maßregelvollzug im Doppelstockbett unterbringen? Früher sei das „unvorstellbar“ gewesen, sagt Christian Oberbauer, Chefarzt der forensischen Psychiatrie in Wiesloch. Mittlerweile ist es Alltag. Denn Platz für die steigende Zahl an Patienten zu finden ist schwierig – das Gerangel um die Nutzung des „Faulen Pelz“ in Heidelberg für die Therapie suchtkranker Straftäter zeigt es. Im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden (PZN) in Wiesloch soll ein Neubau zusätzliche Plätze im Maßregelvollzug schaffen. Die Wieslocher, so viel zeigte eine öffentliche Infoveranstaltung in der PZN-Festhalle am Dienstag, haben wenig dagegen einzuwenden.
Mit dem Neubau im Sicherheitsbereich der Klinik will das PZN die aktuelle Überbelegung lindern. In Wiesloch sind 280 Patienten in den für 218 Betten ausgelegten Gebäuden des Maßregelvollzugs untergebracht – in Baden-Württemberg insgesamt stehen laut PZN-Geschäftsführerin Anett Rose-Losert 1400 Patienten den 1000 Planbetten gegenüber. Das PZN habe zunächst versucht, die bestehenden Kapazitäten so weit wie möglich zu strecken – erst mit Doppelstockbetten, dann mit Containern. Doch dadurch fehlen den Patienten die Rückzugs- und Ruheräume.
Der Neubau schafft nun Platz für 54 weitere Betten. Baubeginn für das rund 37,4 Millionen Euro teure Projekt war bereits im November 2021, die Fertigstellung ist für das erste Quartal 2024 geplant. Damit könne der Wieslocher Maßregelvollzug nun „unsere Therapiebedingungen ein Stück weit verbessern“, sagt Chefarzt Oberbauer. Auch die Räume für die Arbeitstherapie werden saniert, und eine neue Sporthalle wird gebaut – Sport, so betont Oberbauer, sei für die Patienten sehr wichtig.
Maßregelvollzug in Wiesloch für schuldunfähige Straftäter
Im Maßregelvollzug werden psychisch kranke Straftäter behandelt, die ganz oder teilweise schuldunfähig oder drogenabhängig sind. Der Maßregelvollzug in Wiesloch kümmert sich nur um die erste Gruppe. Die meisten Patienten haben laut Chefarzt Oberbauer Körperverletzungsdelikte begangen und leiden unter einer schizophrenen Psychose – sie hören zum Beispiel Stimmen, die ihnen Befehle erteilen.
Am Sicherheitskonzept ändere sich durch das neue Gebäude nichts, sagt Matthias Kübler, der Sicherheitsbeauftragte des Maßregelvollzugs. Die Patienten können sich auf ihrer Station frei bewegen, innerhalb der Mauern des Sicherheitsbereichs werden sie von Personal begleitet. Mehr Sicherheit – auch für die Beschäftigten – schafft der Neubau vor allem durch das größere Platzangebot. Kübler verspricht sich davon ein „wesentlich besseres Klima“.
Keiner der rund 25 Bürger bei der Informationsveranstaltung äußerte Bedenken gegen das Projekt. Sie stellten vor allem Fragen zum Maßregelvollzug; ein Anwohner erkundigte sich über den Stand anderer PZN-Bauprojekte wie der Sanierung des Hauptgebäudes. Oberbürgermeister Dirk Elkemann betonte, die Nachbarschaft zur Psychiatrie sei „ein Stück weit Wieslocher Normalität“. Irgendwo müsse der Maßregelvollzug nun mal hin, Wiesloch sei dafür ein „sehr, sehr guter Standort“.
Die größte Herausforderung für den Maßregelvollzug in Wiesloch ist nun die Personalgewinnung. Das PZN suche 100 weitere Beschäftigte, sagte Pflegedienstleiterin Annette Diemer. Interessierte erwarte in der forensischen Psychiatrie ein „spannender, interessanter und anspruchsvoller Arbeitsbereich“.
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