Heidelberg. Die Ähnlichkeit mit dem berühmten Vorbild ist verblüffend. Wir treffen Gästeführer Klaus Mombrei (68) in einem Café in der Heidelberger Weststadt. Jenen Mann, der mit seinen gewellten Haaren, dem Schnauzbart und den buschigen Augenbrauen äußerlich absolut an den amerikanischen Schriftsteller Mark Twain (1835 – 1910) erinnert. Und der ab Anfang April wieder als Mark Twain Touristen aus dem In- und Ausland durch die Altstadt führt. Auf spezielle Anfrage hin, im Durchschnitt einmal pro Monat.
Und das ist ja nur eine Facette des Klaus Mombrei, der sich auf eine Zeitungsanzeige des Verkehrsvereins hin 2002/2003 zum Gästeführer ausbilden ließ. Psychologie, Körpersprache, Fremdsprachen und mündliche Tests gehörten zum Lernprogramm. „Das war richtig anspruchsvoll“, berichtet er lächelnd. Mittlerweile sind für Mombrei, der 1978 zum Studium der Sinologie von Wermelskirchen nach Heidelberg kam, viele Jobs hinzugekommen. Er macht alle Arten von Gästeführungen in Heidelberg, Mannheim und Schwetzingen, ist auch mal Moderator, Rezitator, Vorleser oder „Entertainer“. Dazu bedient sich Mombrei oft historischer Figuren wie Joseph von Eichendorff oder Adolph Freiherr von Knigge. Literarische Lesungen macht er hingegen meistens in „Zivil“.
Parallelen zu Mark Twain sind unübersehbar
Das Herantasten an Themen und die Verinnerlichung von verschiedensten Herausforderungen liegt in Mombreis Leben und Naturell begründet. Er war 1981/1982 in Taichung und Taiwan unterwegs, arbeitete auf dem Bau (errichtete etwa ein Tonstudio in einer alten Sandhäuser Tabakscheune), schrieb einen Krimi, beschäftigte sich lange als Werbetexter mit der Wirksamkeit und Kreativität von Sprache. Einige Parallelen zur Neugier und zum Vagabunden-Dasein eines Mark Twain lassen sich nicht übersehen.
Klaus Mombrei alias Mark Twain
Zur Person: Klaus Mombrei, 68 Jahre, Gästeführer in Heidelberg
Spezialgebiet: Heidelberg und Mark Twain
Gästeführer in Heidelberg und Umgebung: Rund 150; Schlossführer: Rund 50
Saison: Von Anfang April bis Ende Dezember
Informationen über Heidelberg: www.heidelberg-marketing.de
Kontakt zu Mombrei: E-Mail klaus.mombrei@t-online.de
Literatur: Mark Twain, „A Tramp Abroad“, 1880 – deutsch: „Bummel durch Europa“, Diogenes Verlag, 2010
Thomas Fuchs, „Mark Twain am Neckar“, 8 Grad Verlag, Freiburg, 2023. jog
Mombrei bezeichnet sich als „Free Lancer“, der den Duft der großen weiten Welt mag. „Mit meiner individuellen Darstellung von Mark Twain habe ich ein Alleinstellungsmerkmal“, erzählt er bei einer Tasse Kaffee, „weil es mir wichtig ist, den berühmten Mann seinem Publikum auf Augenhöhe begegnen zu lassen und umgekehrt. Der Austausch mit den Gästen soll die Distanz aufheben, die durch die Berühmtheit des Schriftstellers und die unterschiedlichen Lebenszeiten und Welten entstehen kann.“ Dabei reagiert Mombrei auch auf die Lebenswirklichkeit der Gäste – à la Twain: „Ich liefere genaue Informationen abseits des Mainstreams. Aber es ist eben keine reine Schauspielerei. Es sind vielmehr improvisierte Führungen. Immer mit einem gewissen Abstand und einer Portion Humor.“
Ein weißer Anzug nach dem Vorbild des Originals
Beim Internationalen Gästeführertag im Februar 2006 spürte Mombrei auf Heidelbergs Alter Brücke, wie attraktiv, populär und zeitlos die Kernbotschaften eines Mark Twain sind. Er ließ sich daraufhin in Sandhausen einen weißen Anzug nach der Originalvorlage auf Twain-Fotos zu Beginn des 20. Jahrhunderts schneidern. Hinzu kamen Sommerhut und Spazierstock. Selbstverständlich geht es um Kostümierung, Authentizität, Glaubwürdigkeit und eine elegante Annäherung an Mark Twain, der eigentlich Samuel Langhorne Clemens hieß. Das Pseudonym (es bedeutet „zwei Faden Wassertiefe“ und basiert auf der Sprache der Mississippi-Flussschiffer) ist auch ein Bekenntnis zu seiner Heimat am westlichen Mississippi-Ufer. In Hannibal/Missouri wächst Samuel L. Clemens auf – die Hafenstadt sollte später die Kulisse für sein bekanntestes Buch „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ bilden.
Was fasziniert Mombrei an Twain? Ganz klar: Es ist dessen Vielschichtigkeit, Realitätssinn, Skeptizismus, Ironie, Kritik am „American Way Of Life“, Getriebensein, Sprachkunst und Humor. Das Nachdenken über das, was Twain geschrieben und gesagt hat, lohne sich. „Alles zielt auf grundsätzliche menschliche Eigenschaften ab. Vorurteile, Intoleranzen und alltäglichen Rassismus verurteilt er. Der Mann war jedem Pathos, jeder Verlogenheit und Heuchelei abhold“, sagt Klaus Mombrei, das Alter Ego von Mark Twain.
In Heidelberg die Schreibblockade überwunden
Spannend sind Twains Reiseerlebnisse. Sein erstes Reisebuch („The Innocents Abroad“, 1869) wurde zum Bestseller, es ist das Ergebnis einer mehrmonatigen Schiffsreise nach Europa und in den Nahen Osten (1867). In „A Tramp Abroad“ (1880 erschienen) verarbeitete er die zweite Europareise, die ihn 1878/79 nach Deutschland, in die Schweiz und nach Italien führte. In Heidelberg hielt sich der Twain-Familienclan (Ehefrau Olivia, die Töchter Susy und Clara sowie die Amme Rosina) vom 6. Mai bis 23. Juli 1878 auf. Sie wohnten erst im „Hotel Schrieder“ (heute Hilton Heidelberg) und anschließend im Schlosshotel. Hintergründe der Reise? Finanzielle Schwierigkeiten, Ablenkung und Schreibblockade – insofern könne der Aufenthalt therapeutische Zwecke (Mombrei: „Reisen bildet das Herz und den Kopf“) erfüllt haben. „Das sind eben auch die Widersprüche bei Mark Twain“, sagt Mombrei über die Belegung einer auch für damalige Verhältnisse recht teuren, exklusiven Ecksuite in diesem Grand Hotel, „er war begeistert von Deutschland, von Heidelberg und vom Neckartal. Und konnte seine Blockade hier überwinden.“ Der tägliche Spaziergang vom noblen Hotel hoch zum Königstuhl und seiner dort eingerichteten Schreibklause machte dies möglich. Das Ritual half.
Klaus Mombrei ist wie Twain ein Vielfachtalent
Man könnte Klaus Mombrei alias Mark Twain noch stundenlang zuhören. Warum? Weil das Vielfachtalent aus der Weststadt ein großes Multitalent wie den „Europabummler“ Twain (Schriftsteller, Schriftsetzer, Reporter, Lotse auf Mississippi-Dampfern, Goldgräber, Verleger, Unternehmer, Geschäftsmann, glänzender Vortragsredner) wiederaufleben lässt; weil er mit Legenden (Neckar-Floßfahrt, die angeblich an einem Brückenpfosten der Universitätsstadt endet, der Roman „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ - Huckleberry heißt Heidelbeere – sei vom Heidelberg-Trip inspiriert worden) gründlich aufräumt; weil er nachvollziehbar den Autor von Tom Sawyer und Huckleberry Finn als „aufrechten Demokraten, Menschen mit Haltung und Rückgrat“ und Verteidiger der europäischen Bildung darstellt.
Geschichten sind da, um erzählt zu werden. Klaus Mombrei ist ein außergewöhnlicher Guide. Für Touristen und Bildungsreisende rückt er Mark Twain (und andere) auf Wunsch näher. Mit leicht schelmischem Unterton, Passion und wohltuender Distanz …
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