Kuriose Forschung

220 Jahre alte Skelette in der Heidelberger Anatomie verwechselt

Als „Schinderhannes“ terrorisierte er den Hunsrück: Das Skelett des Räubers ist seit 1805 in der Universität Heidelberg ausgestellt. Doch wurde er verwechselt.

Von 
Rahel Adel
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Dieses Skelett der Anatomischen Sammlung der Universität Heidelberg wurde durch neue Forschungsergebnisse eindeutig dem bekannten Räuber „Schinderhannes" alias Johannes Bückler zugeordnet. Zuvor wurde angenommen, dass es sich dabei um das Skelett des „Schwarzen Jonas“ handelt. © MFHD

Heidelberg. Wenn Kinder im Krankenhaus nach der Entbindung vertauscht werden, ist das für die gesamte Familie schmerzhaft. Manchmal kommt die Verwechslung erst eine lange Zeit später ans Licht. Doch 220 Jahre? Das ist schon eine gewaltige Dauer.

Doch so viel Zeit hat es gebraucht, bis die Heidelberger Anatomie ihre eigene Verwechslung aufklären konnte. Und dann auch noch bei einem der bekanntesten „Kinder“ der Sammlung des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der Universität Heidelberg. Wer mit dem Namen Johannes Bückler nichts anfangen kann, der wird sehr wohl etwas mit dem Namen „Schinderhannes“ anfangen können. Berühmt-berüchtigt durchstreifte der bekannte Räuber Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts die Dörfer und Städte im Hunsrück: Von Wickenhof, wo er seine spätere Frau kennenlernte, über Steinhardt bis nach Wolfenhausen und dann im östlichen Hintertaunus, wo er schließlich festgenommen wurde.

Skelette in Anatomischer Sammlung der Universität Heidelberg vertauscht

Und was hat das nun mit dem Verwechslungsgeschehen in Heidelberg zu tun? Nun, dort in der Anatomischen Sammlung der Universität sind zwei Skelette zu finden: Ein Skelett, das bisher als besagter Schinderhannes identifiziert wurde. Und ein weiteres, das einmal der „Schwarze Jonas“ gewesen sein sollte, ebenfalls ein Räuber und Mittäter des Schinderhannes. Die beiden Männer wurden gemeinsam mit 18 weiteren Verurteilten im November 1803 in Mainz durch das Fallbeil hingerichtet.

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Zwei Jahre später, im Jahr 1805, brachte der erste Inhaber des Lehrstuhls für Anatomie und Physiologie in Heidelberg, Jacob Fidelis Ackermann, die Räuber-Skelette nach Heidelberg. Danach begann nach Mitteilung der Universitätsklinik Heidelberg (UKHD) dann das Wirrwarr: Unter dem Nachfolger Ackermanns, Friedrich Tiedemann, soll es zu einer Verwechslung der Sammlungsnummern gekommen sein. Fortan wurde das Skelett des Schinderhannes als Skelett des Schwarzen Jonas geführt. Das zweite Skelett wurde dann als Skelett des Schinderhannes ausgegeben.

Dieses Skelett der Sammlung wurde ursprünglich Christian Reinhard zugeordnet. Das konnte nun widerlegt werden. © MFHD

Nun konnte ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Sara Doll, Kuratorin der Anatomischen Sammlung, und Walther Parson, Leiter des Forschungsbereichs „Forensische Molekularbiologie“ am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck, das Kuddelmuddel aufklären. Das Skelett, das bislang über 220 Jahre als Schwarzer Jonas bekannt war, sei eindeutig dem Schinderhannes zuzuordnen. Das zweite Skelett, das bislang als Schinderhannes identifiziert wurde, sei jedoch nicht umgekehrt dem Schwarzen Jonas zuzuordnen – es sind die Überreste eines bislang Unbekannten. Und das tatsächliche Skelett des Jonas` sei wohl im Laufe der Zeit verloren gegangen, erklärt das UKHD.

Internationales Forschungsprojekt ordnet Skelett in Heidelberg eindeutig zu

Die Zuordnung der Namen zu ihren tatsächlichen Skeletten war ein schwieriges und langwieriges Unterfangen. Und auch ein internationales: Forscher aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Schweden, Portugal und den USA seien an dem Projekt beteiligt gewesen, so das UKHD. Wo die beiden Skelette einmal ihre Lebensjahre verbrachten, habe das Team per Isotopenanalyse untersucht. Dabei werden verschiedene Atomarten desselben chemischen Elements analysiert. Auch radiologische Bildgebungsverfahren halfen bei der Suche nach Informationen zu Alter, Geschlecht und möglichen Erkrankungen der Skelette. Die Ergebnisse der Untersuchungen seien dann mit historischen Dokumenten abgeglichen worden. Und das deutete auf eine mögliche Verwechslung hin, so Doll.

Der Schinderhannes

Der sogenannte Schinderhannes hieß eigentlich Johannes Bückler .

Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts war er als Räuber im Hunsrück aktiv, beging aber auch Raubmorde und Morde .

Am 21. November 1803 wurde Bückler schließlich in Mainz hingerichtet , gemeinsam mit 19 weiteren Verurteilten, unter ihnen auch der sogenannte Schwarze Jonas (eigentlich Christian Reinhard).

Die Hinrichtung wurde zu einem großen Spektakel , bei dem ungefähr 30.000 Schaulustige zugegen waren.

Jacob Fidelis Ackermann, der erste Lehrstuhlinhaber der Anatomie der Universität Heidelberg, brachte 1805 die Skelette Bücklers und Reinhards in sein Institut .

Als dann DNA aus Mitochondrien und Zellkernen analysiert wurden, konnten die Forscher die Verwandtschaft des Skeletts mit einem noch lebenden Nachkommen des Schinderhannes in fünfter Generation nachweisen. Dadurch ist nun sicher: Das Skelett, das bisher als Schwarzer Jonas ausgewiesen war, ist eigentlich der Schinderhannes. Doch wo der Schwarze Jonas abgeblieben und wer jetzt eigentlich das nun übrig gebliebene Skelett ist, das ist noch nicht aufgedeckt.

Der „Schinderhannes“, gemalt 1803 vom kurpfälzischen Maler und Grafiker Karl Matthias Ernst. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass er braune Augen, dunkle Haare und einen eher blassen Hautton hatte. © Stadtarchiv Mainz

Schinderhannes hatte wohl braune Augen, dunkle Haare und blasse Haut

Neben der zweifelsfreien Zuordnung des Skeletts konnten die Forscher auch etwas über das Aussehen des Schinderhannes herausfinden. Bisher habe es nur wenige, teils widersprüchliche zeitgenössische Beschreibungen seines Aussehens gegeben, erklärt das UKHD in der Mitteilung. Auch die wenigen Darstellungen des Räubers in Form von Stichen und Gemälden seien meist nach seinem Tod entstanden und beruhten eher auf künstlerischen Freiheiten. Die Daten deuten darauf hin, dass „Schinderhannes“ braune Augen, dunkle Haare und einen eher blassen Hautton hatte, erklärt Parson in der Mitteilung.

Veröffentlicht haben die Forscher ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Forensic Science International: Genetics“ – und wohl einen der längsten Verwechslungsfälle der Zeit aufgedeckt.

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