Heidelberg. Ein kurzweiliges, auch Gänsehaut auslösendes Programm mit Musik, Gesprächen und Konzertlesungen, eine perfekte Moderation, eine tolle Fotoausstellung und viele Gelegenheiten, miteinander ins Gespräch zu kommen: Die Jubiläumsfeier „30 Jahre BiBeZ“ am Freitagabend in der Heidelberger Hebelhalle war ein echtes Ereignis. Rund 150 Gäste erlebten die Feier zum Jubiläum des Bildungs- und Beratungszentrums zur Förderung und Integration behinderter/chronisch erkrankter Frauen und Mädchen (BiBeZ) mit.
Dringend benötigter Input
Sozial-, Familien- und Gleichstellungs-Bürgermeisterin Stefanie Jansen würdigte das BiBeZ als Zentrum der Inklusion, das aus der Stadt nicht mehr wegzudenken sei, und möchte auch in Zukunft darauf bauen: „Wir brauchen auch ihre kritischen Anregungen, um das Leben in der Stadt weiter möglichst barrierefrei zu gestalten.“
Neben der Beratung von Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen - seit 2021 auch offen für Männer und Diverse - ist das BiBeZ auch politischer Impulsgeber und Ansprechpartner in verschiedenen Gremien. Zum Auftakt des fast vierstündigen Jubiläumsprogramms öffnete die Fotoausstellung „Selbst-Bewusst-Sein - 36 shades of being normal“, die 36 Porträts von Frauen aus dem BiBeZ-Team oder dem Umfeld in Szene setzen.
Das Fotoprojekt, an dem rund ein Jahr gearbeitet wurde, erinnert an eine von Anette Albrecht initiierte Ausstellung vor drei Jahrzehnten, die BiBeZ-Frauen in zum Teil lasziven Aktfotos zeigte - und einen Tabubruch darstellte, da behinderte Frauen sich häufig als „geschlechtslos“ wahrgenommen fühlten.
Die neuen Bilder sind vorwiegend keine Nacktfotos. „Wir müssen heute nicht mehr vor den Klischees der anderen flüchten, um uns davon zu befreien“, erklärt Nicoletta Rapetti, die mit Catrin Michalla perfekt und locker durch den Abend führte, das inzwischen veränderte Selbstbewusstsein: „Uns ging es schlicht darum, ein anderes und vielfältiges sowie modernes Bild von behinderten Frauen zu zeichnen - ein Bild, das jede Frau in ihrer Einzigartigkeit darstellt.“
Fotograf Michael Kröning aus Bad Segeberg in Schleswig-Holstein hatte sich im April eine Urlaubswoche genommen, um mit den BiBeZ-Frauen an verschiedenen Orten in Heidelberg, etwa in einer Kletterhalle, einer Cocktailbar oder in einem Café, die Porträts aufzunehmen. Sie sollen bald auch in einem Bildband zu sehen sein. Die Verleihung der Anette-Albrecht-Medaille an Jessica Bahr (Bild) und Henri Rippl war ein weiterer Höhepunkt des Abends. Bahr hat an ihrer Schule, der Ilvesheimer Schlossschule, aber auch an weiteren Blindenschulen in Baden-Württemberg, unter anderem Triathlon-AGs gegründet, damit Menschen mit Sehbehinderungen über den Sport mehr Teilhabe erhalten.
Nun ist Lehrerin für ihr Engagement in Heidelberg mit der Anette-Albrecht-Medaille ausgezeichnet worden. Der Preis erinnert an die verstorbene Mitgründerin des BiBeZ, und ist zum vierten Mal verliehen worden. Bahr erhält die Auszeichnung parallel zu Henri Rippl, der nicht persönlich bei der Preisverleihung dabei sein konnte.
Erinnerung an Anette Albrecht
Henri Rippl engagiert sich seit vielen Jahren für die Belange von Menschen mit Behinderungen, etwa als Betreuer der Rolling Chocolats, einer erfolgreichen Mannschaft im Rollstuhlbasketball,sowie als Leiter des Arbeitskreises „Barrierefreies Heidelberg“.
Von 2009 bis 2014 war Rippl außerdem Vorstandsmitglied des Beirats von Menschen mit Behinderungen.
Bahr unterrichtet seit 2011 in Ilvesheim, zunächst mit einem Lehrauftrag für Sport, dann als Referendarin und schließlich als Lehrerin. Als Fußballerin und Trainerin unter anderem bei der TSG 1899 Hoffenheim sammelte sie nicht nur in der Bundesliga Erfahrungen. Jessica Bahr ist Cheftrainerin der Deutschen Frauen-Nationalmannschaft im Goalball, einer paralympischen Blindensportart, sowie Co-Trainerin der Deutschen Jugend-Nationalmannschaft in dieser Sportart sowie Mitgründerin des BSS Ilvesheim. Mit der Triathlon-AG ermöglichen nicht eingeschränkte Guides den sehbehinderten Sportlern, an Läufen teilzunehmen und zu trainieren.
„Sie schafft es durch ihre empathische, offene und witzige Art, verunsicherte Menschen zu selbstbewussten Sportlern zu entwickeln“, würdigte Laudatorin Raquel Rempp. Die frühere Preisträgerin Rempp gehörte neben Verena Wiedmann und Thomas Proft zur Jury. Proft schob vor zehn Jahren die Idee an, mit einer Medaille an die 2007 plötzlichverstorbene, charismatische und unermüdlich für die Belange von Menschen mit Behinderungen einstehende Anette Albrecht zu erinnern. Der Preis ist mit insgesamt 1000 Euro verbunden und ist zunächst alle zwei Jahre verliehen worden; inzwischen wird er alle fünf Jahre verliehen.
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