Europäische Kulturhauptstadt

Darum geht's im Streit um die Bewerbung Heidelbergs als Europäische Kulturhauptstadt

125 Mitglieder hat der Verein "Kultur für Europa - Kulturstadt Heidelberg" ein Vierteljahr nach seiner Gründung bereits. Mäzen Manfred Lautenschläger möchte damit der Idee einer Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt Rückenwind geben

Von 
Michaela Roßner
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Könnte sich in eine Reihe mit Brügge, Marseille oder Chemnitz gliedern: Heidelberg als potenzielle Kulturhauptstadt Europas. © iStock

Heidelberg. „Kultur für Europa - Kulturhauptstadt Heidelberg“ heißt ein neuer Verein in Heidelberg. Unter Leitung von Mäzen Manfred Lautenschläger wollen sich inzwischen 125 Mitglieder stark machen für eine Bewerbung als Europäische Kulturhauptstadt. Daran liegt auch Oberbürgermeister Eckart Würzner (parteilos) viel. Aber mit der eigenmächtigen Verpflichtung des früheren Theater-Intendanten Peter Spuhler als Koordinator einer möglichen Kandidatur - vermutlich frühestens 2034 - hat der Stadtchef weite Teile des Gemeinderats vorübergehend gegen sich aufgebracht.

„Kultur ist die Basis unserer Gesellschaft, ihres Wohlergehens und unser aller Lebensqualität. Ohne Kultur und ein kollektives kulturelles Bewusstsein als Antriebskraft wären wirtschaftliche Ideen, Staats- und Gesellschaftsformen nicht entstanden, die wir heute als selbstverständlich voraussetzen“, begründet Mäzen und MLP-Gründer Lautenschläger (84), warum er sich mit dem im August gegründeten Verein für eine Bewerbung als Kulturhauptstadt stark macht.

Als Kulturhauptstadt hätte Heidelberg schon jetzt vieles zu bieten. Das Bild zeigt eine Uraufführung des Collegium Musicum der Universität Heidelberg in der Neuen Aula. © Philipp Rothe

Athen war 1985 die erste Kulturhauptstadt Europas. Seither werden in jedem Jahr zwei Städte plus ein Ersatzkandidat in den Rang der spannendsten Kulturmetropole erhoben. 2025 wird das Chemnitz sein, weshalb erst frühestens elf Jahre später wieder eine deutsche Stadt zum Zuge kommen könnte. Heidelbergs französische Partnerstadt Montpellier hat gerade ihr Bewerbungsdossier für 2028 in Paris übergeben - das inspirierte den Heidelberger Stadtchef offenbar auch.

Mitte März hatte Würzner bei einem Pressetermin den neuen „Beauftragte für die Bewerbung Europäische Kulturhauptstadt“, Peter Spuhler, vorgestellt. „Jetzt ist es genau der richtige Zeitpunkt, um frühestens ab 2034 Kulturhauptstadt werden zu können“, zeigte sich Würzner im Frühjahr überzeugt. Der Theatermann Spuhler erhielt eine Stabsstelle im Dezernat des Oberbürgermeisters. Von 2005 bis 2011 war Spuhler Intendant des Theaters und Orchesters in Heidelberg gewesen. Danach ging er ans Staatstheater Karlsruhe, wo zuletzt Kritik laut wurde an seinem Führungsstil - Mitarbeiter trugen diesen Unmut sogar mit einer Demonstration auf die Straße.

Experte sieht „echte Chancen“

Heidelberg habe „eine echte Chance, Europäische Kulturhauptstadt Europas zu werden“: Das habe Thomas Schmitt, Inhaber der Professur für Cultural Heritage und Kulturgüterschutz an der Universität Heidelberg, den Mitgliedern des neuen Vereins bei einer Mitgliederversammlung berichtet, heißt es in einer Mitteilung. Es brauche für die Bewerbung „Energie und Ernsthaftigkeit, die Beteiligung wichtiger Teile der Stadtgesellschaft, ein engagiertes Kernteam und eine dahinterstehende Stadtspitze“.

Meinung Kulturhauptstadt: Heidelberg sollte sich auf den Weg machen

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„Wir haben ausgezeichnete Voraussetzungen“, unterstrich Spuhler kürzlich in einem Gespräch mit dieser Zeitung, „wir sind früh dran, aber nicht die ersten, die sich auf den Weg machen. Bereits im Januar hat die brandenburgische Kultusministerin die Region Lausitz aufgefordert, ihren Hut in den Ring zu werfen. Weitere werden folgen. Es geht jetzt los.“ Aber tatsächlich ging es erst einmal nach hinten los: „Vorerst keine Mittel für das ,Phantom Europäische Kulturhauptstadt’“, erteilten die Grünen im Sommer bei den Haushaltsberatungen dem Vorstoß von Würzner eine klare Absage, die Chancen einer Bewerbung auszuloten. Statt dessen forderte Fraktionschef Derek Cofie-Nunoo „den Einstieg in einen Prozess für eine Kulturkonzeption 2030.“

"Abstrafung" für den Alleingang

Ob dieser Prozess im Rahmen einer Bewerbungsphase zur Kulturhauptstadt stattfinde oder diese zum Ergebnis hat, „werden wir gemeinsam mit den Kulturschaffenden der Stadt diskutieren“, forderte Cofie-Nunoo. Zumal man der neuen Kulturbürgermeisterin und Parteifreundin wohl nicht vorgreifen wollte.

Hauptstadt der Kultur

  • Seit 1985 gibt es jedes Jahr Europäische Kulturhauptstädte; bis 1999 lautete der Titel noch „Hauptstadt der Kultur“.
  • Die vom Europäischen Parlament angeschobene Gemeinschaftsaktion soll die kulturelle Vielfalt Europas zeigen.
  • In Deutschland trugen Essen und das Ruhrgebiet 2010, Weimar 1999 und Westberlin 1988 bisher den auf ein Jahr angelegten Titel.
  • Chemnitz wird 2025 Kulturhauptstadt.
  • Bis einschließlich 2027 sind die Europäischen Kulturhauptstädte bislang festgelegt. 

Mit dem Haushalts-Änderungspaket kürzten die Stadträte die Mittel des OB-Referats für zwei Jahre um 180 000 Euro - und machten keinen Hehl daraus, dass das auch als „Abstrafung“ gedacht sei für den Alleingang. Bevor die Initiative zur Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt vorangetrieben werde, müsse Würzner erst ein Konzept erarbeiten und den gemeinderätlichen Gremien zur Beratung vorlegen, hieß es.

Verärgerung über Alleingang

Ähnlich verärgert argumentierte Anke Schuster (SPD) bei diesem Thema. Es sei ein Affront gegenüber dem Gemeinderat als demokratisch legitimiertem Organ der Stadtverwaltung gewesen, an ihm vorbei eine Person zu bestimmen, die an einem Konzept für eine mögliche Bewerbung als Kulturhauptstadt arbeite und im Namen der Stadt bereits auf Sponsorensuche sei. „Mit der Verweigerung der Mittel stellen wir die Ordnung wieder her“, betonte Schuster.

Inzwischen klingen die Töne wieder versöhnlicher. Erst kürzlich stand die mögliche Bewerbung wieder als Tagesordnungspunkt im Haupt- und Finanzausschuss an, wurde aber vor Eintritt in die Tagesordnung abgesetzt. Bündnis 90/Die Grünen, SPD, Die Linke und drei Einzelstadträte hatten unterschrieben: „Trotz des holprigen und nicht partizipativen Beginns des Prozesses um eine mögliche Bewerbung Heidelbergs als Europäische Kulturhauptstadt möchten wir dem Thema eine Chance geben.“ Da die Vergabekriterien von der EU derzeit überarbeitet würden, bestünde „keine Eile, sondern es kann in Ruhe überlegt werden, ob eine etwaige Bewerbung Sinn macht und wann wir uns mit dem Thema intensiv beschäftigen werden.“ Und: „Um nach dem unglücklichen Start des Prozesses neues Vertrauen in der gesamten Kulturszene zurückzugewinnen, sehen wir die Federführung und Koordination in der Analysephase in erster Linie beim Kulturdezernat, welche wir hiermit beantragen.“

Neue Kulturbürgermeisterin will ergebnisoffene Diskussion

Die neue Kulturbürgermeisterin Martina Pfister (Grüne) ist am Freitagabend im Amt verpflichtet worden. „Wir werden uns bei dem Thema die notwendige Zeit nehmen. Mir ist eine gesamtgesellschaftliche, respektvolle und ergebnisoffene Diskussion hier sehr wichtig. Ich betone ja immer wieder den einenden Grundgedanken, der dieser Europäischen Initiative zugrunde liegt. Eine Bewerbung kann erfolgreich sein, wenn am Ende nicht Einzelne, sondern die Heidelbergerinnen und Heidelberger selbst sagen ,Ja, das wollen wir, das bringt unser Heidelberg voran’“, positioniert sich Pfister auf Nachfrage dieser Redaktion.

Weg ist das Ziel?

Nicht nur Heidelberg, die ganze Region könnte von einer möglichen Bewerbung profitieren: Robert Montoto, Leiter des Kulturbüros der Metropolregion Rhein-Neckar, betonte kürzlich in einem Interview mit dieser Redaktion: „Sollte sich Heidelberg bewerben, dann wird die Region sicher eine Rolle spielen. Europäische Aufmerksamkeit für Heidelberg und unsere Metropolregion, das ist eine Chance, die wir uns nicht entgehen lassen. Dabei ist der Weg allein von eminenter Bedeutung.“ „Wir können noch viele weitere Mitglieder gebrauchen. Helfen Sie uns bitte dabei“, hofft Lautenschläger nun auf weitere Unterstützung.

Kontakt zum Verein unter www.kulturfuereuropa.eu

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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