Naturschutz (mit Fotostrecke)

Alte Engelhorn-Kiesgrube in Heidelberg ist Goldgrube für den Artenschutz

Seit zehn Jahren wird hier kein Kies mehr gefördert: Die ehemalige Engelhorn-Kiesgrube in Heidelberg-Grenzhof liegt seit langem brach. Für Turteltauben und Kreuzkröten ist das ein Segen

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Michaela Roßner
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Besichtigen die ehemalige Engelhorn-Deponie: Raoul Schmidt-Lamontain (v.l.), Sabine Lachenicht sowie Barbara Vogt und Sandra Panienka. © M. Rossner

Heidelberg. Seit rund zehn Jahren wird hier kein Kies mehr gefördert. Dafür hat sich die frühere Engelhorn-Betriebsstätte zwischen Mannheim und Heidelberg inzwischen zu einer Goldgrube für den Artenschutz entwickelt. Unter anderem fühlen sich hier streng geschützte Arten wie Kreuzkröten, Turteltauben und seltene Ödlandschrecken wohl. Das rund 16 Hektar große Gebiet westlich von Grenzhof soll nun dauerhaft für den Naturschutz gesichert werden.

Vor gut zwei Jahren hatten die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses grünes Licht für den Ankauf des Areals gegeben. Es stammte aus der Insolvenzmasse des Bauunternehmens Engelhorn. Nach den Verhandlungen und der Einigung über den Kaufpreis hat das Umweltamt nun den Auftrag, den Bestand der Tier- und Pflanzenwelt aufzunehmen und auszuloten, welches Potenzial in dem Gebiet steckt, das mehr als drei Mal so groß wie die Neckarwiese in Heidelberg ist.

Jede Menge Verstecke

Bei einem Ortstermin mit Klimaschutz-Bürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain und der Leiterin des Umweltamts, Sabine Lachenicht, wird schnell nachvollziehbar, warum Naturschützern hier das Herz schneller schlägt: Unter einem Holzbrett hat sich eine Kreuzkröte in kühler Erde zurückgezogen, in der Nähe eines Tümpels hüpft der Krötennachwuchs unter Blätter, und über den Kiesweg huschen Eidechsen. Sandra Panienka und Barbara Vogt, im Umweltamt zuständig für den Arten- und Naturschutz, kennen die Tier- und Pflanzenwelt hier genau.

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„Schauen Sie mal“, zeigt Panienka auf ein zartes Insektengeschöpf, das gerade noch unscheinbar grau-braun aussieht. Doch dann fliegt es schillernd blau-silbern weg. Blauflügelige Ödlandschrecken fühlen sich in dieser Wildnis genauso wohl wie grüne Sandschrecken - beide sind stark gefährdet und stehen daher in Deutschland auf der Roten Liste der besonders schützenswerten Geschöpfe.

Schnellentwickler im Tümpel

Dass sich die Kreuzkröte hier angesiedelt hat, ist paradoxerweise erst durch den Betrieb des Kieswerks bis 2012 möglich geworden: Die ein- und ausfahrenden Transporter verdichteten den Boden, und beim nächsten Regen bildeten sich kleine Wasserflächen. „Die Kreuzkröte liebt diese frischen Gewässer unter anderem deshalb, weil sich hier keine Fressfeinde finden, aber genügend Futter“, erklärt Panienka. Vom Laich über die Kaulquappe bis zur Kröte legen diese Amphibien eine Blitz-Entwicklung hin - daher ist es für das streng geschützte Tier auch kein Problem, wenn die großen Pfützen bald wieder austrocknen. Bei langen Hitzeperioden wie in diesem Frühsommer hingegen wird es selbst für diese Schnellentwickler eng. „Wir haben einen Landwirt, der die Teiche gewässert hat“, erklärt Vogt. Denn da man von der Anwesenheit der Kröte wusste, hat die Stadt gemeinsam mit Ehrenamtlichen schon rund um die Deponie Wasserflächen auf gepachteten Äckern angelegt, bevor der Ankauf der ehemaligen Kiesgrube abgeschlossen war.

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Apropos: Warum ist hier nicht, wie an vielen anderen Orten in der Metropolregion Rhein-Neckar, ein Baggersee entstanden? „Es gehörte zu den Auflagen des Kiesabbaus, dass zum Grundwasservorkommen immer eine schützende Schicht erhalten bleiben musste“, erklärt Lachenicht. Es habe viele Nutzungsideen gegeben, freut sich Schmidt-Lamontain, dass das Gelände nun dem Naturschutz erhalten bleibt und mit Punkten auf dem „Öko-Konto“ Ausgleich für städtische Projekte wie etwa Radwege liefern kann. Von Zäunen umgeben, sollen Exkursionen es zugänglich machen. Ganz sich selbst überlassen kann man die Wildnis indes nicht: Es würde Wald entstehen, und dann müssten sich auch die seltenen Schrecken und Kröten ein neues Zuhause suchen.

Eine Kreuzkröte im Kiesbett: Die Amphibien sind streng geschützt. © Michaela Roßner

Selbst die Expertinnen sind überrascht, als sich plötzlich eine ganz andere Insektenschönheit präsentiert: Eine grasgrüne Gottesanbeterin, die perfekt in den Verästelungen eines großen Grasstrauchs zu verschwinden scheint. Die Fangschrecke mit ihrem langen Halsschild ist vielen Laien als „männermordend“ bekannt, denn die Weibchen beißen ihren Gefährten nach dem Geschlechtsakt gerne hungrig den Kopf ab. Eigentlich ist der Süden Europas die Heimat dieser langbeinigen Insekten. Doch als eine Folge des Klimawandels fühlen sie sich auch in Mitteleuropa und speziell in der Rheinebene immer wohler.

Strom für bis zu 1800 Haushalte liefern die 18 300 Module des benachbarten Solarparks, den ein privater Betreiber aus der Insolvenzmasse Engelhorn übernommen hat. Die Stadt fördert die umweltfreundliche Energieproduktion, die 36 000 Quadratmeter einnimmt.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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