Ukraine-Hilfe - 14 Frauen und Kinder im „Qube“-Hotel aufgenommen / Willkommensfest bei Ameria / Stadt sucht dringend Unterkünfte

14 Frauen und Kinder aus der Ukraine im Heidelberger Qube-Hotel aufgenommen

Von 
Michaela Roßner
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Die Stadt trägt blau-gelb: Die ukrainischen Nationalfarben finden sich auch im Stadtbild an vielen Ecken. © Philipp Rothe

Heidelberg. „Laskavo Prosymo!“ („Guten Morgen“) steht zur Begrüßung in ukrainischer Sprache an der Wand des Tagungszimmers im “Qube“-Hotel. Den Gästen steht die Müdigkeit der langen Anreise noch ins Gesicht geschrieben. Aber auch Tränen setzen immer wieder auf den Wangen der Frauen und Kinder dicke Ausrufezeichen. „Unsere Männer kämpfen für unser Land und konnten nicht mitkommen“, sagt Alla Maliarevyck, „aber dass sie uns nun hier in Sicherheit wissen, ist eine große Erleichterung für sie. Jetzt können sie sich ganz auf die Verteidigung der Ukraine konzentrieren“.

Auf abenteuerlichen Wegen sind sie nach Deutschland gekommen, sechs Familien zum Beispiel in einem Auto. Ganze sieben Tage haben die beiden Studentinnen Olga und Vlada für die rund 2000 Kilometer von Kiew nach Heidelberg gebraucht. Jede von ihnen habe je einen Rucksack auf dem Bauch und einen auf dem Rücken getragen, berichten Natalie Rothermel und ihr Mann Daniel Faulhaber, die die beiden jungen Frauen bei sich aufgenommen haben. „Nur in Budapest haben sie eine Nacht in einem Bett geschlafen, ansonsten in den drei Bussen und vier Zügen, in denen sie gereist sind.“ Ihr Geld – ukrainische Währung im Gegenwert von 1000 Euro – wollte bisher keine Bank in Deutschland tauschen, beschreibt Rothermel, mit welchen Schwierigkeiten die Geflüchteten unter anderem zu kämpfen haben.

Freundschaft zu Klitschkos

Zwischen Kiew und Heidelberg gibt es enge Verbindungen: „Jeden Tag“, erzählt Unternehmer Winfried Rothermel, telefoniere er mit Wladimir Klitschko, dem legendären Boxsportler und Bruder des Bürgermeisters von Kiew, Vitali. Mehr als zehn Jahre hat der Geschäftsmann „immer von der ersten Reihe aus“ die Kämpfe miterlebt – und mitgelitten, wie sich Rothermel erinnert. Nun müssen sich die Klitschko-Brüder an der Kriegsfront behaupten, und die Freunde hier organisieren Unterstützung. „Wladimir hat mir gesagt: Wir brauchen Nahrungsmittel. Wir haben 150 000 Euro gesammelt, und ich habe meinen Freund Dietmar Hopp angerufen. Er hat eine Million Euro zur Verfügung gestellt.“ Davon seien 40 Lkw voller Waren gekauft und in die Ukraine gebracht worden. Auch 165 Elektrogeneratoren samt Maschinenöl konnten unter anderem geliefert werden. Abgewickelt worden seien die Großspenden über die DFB-Stiftung.

Unternehmer Albrecht Metter mit Kindern seiner Mitarbeiter aus der Ukraine: Am Freitag gab es ein kleines Willkommensfest. © Jegliche Verwendung ist honorarp

Auch für Johannes Arndt, Inhaber des „Qube“-Hotels in der Bahnstadt, ist am 24. März die Welt kleiner geworden: Seine Mitarbeiterin Oxana und ihr Mann Vadym waren zwei Tage vor dem Einmarsch in die ukrainische Heimat gereist, um mit der Mutter dort Geburtstag zu feiern. „Sie waren fünf Tage auf der Flucht – davon drei in der Ukraine – und nur dank des deutschen Passes durfte der Ehemann wieder ausreisen. Uns war schnell klar, dass wir helfen mussten“, erinnert sich der Hotellier. Für 14 weitere Personen richteten Arndt und seine Mitarbeiter die Betten im Hotel, da eine private Unterbringung so schnell nicht zu schaffen war.

Über Rothermel und die Klitschko-Foundation kamen nun auch die beiden 18 und 20 Jahre alten Journalismus- und Architektur-Studentinnen sowie die 94-jährige Zoe Borjan (siehe gesonderten Artikel) auf unterschiedlichen Routen ins „Qube“.

Mit einem Fest in der Sonne begrüßt das Software-Unternehmen Ameria die Familienangehörigen der Mitarbeiter aus der Ukraine. © Jegliche Verwendung ist honorarp

Nudelsalat und ukrainische Spezialitäten genossen Albrecht Metter, Vorstandsvorsitzender des Software-Unternehmens Ameria AG, und rund 40 zum Teil ukrainische Mitarbeiter am Freitag gemeinsam in Heidelberg: Neben dem Firmensitz im Heidelberg Innovation Park (hip) gab es einen weiteren in Kiew. Dort waren ebenfalls 30 Menschen beschäftigt. Das Unternehmen stellt Berührungslos-Software bereit und ist damit sehr erfolgreich. Noch seien einige Angehörige auf der Flucht, aber die übrigen konnten mit den Familien ein kleines Begrüßungsfest im Freien vor dem Firmensitz im hip genießen. Dabei wurde auch die ukrainische Hymne angestimmt. Auch Ihor (25), der selbst mit der vorerst letzten Lufthansa-Maschine von Kiew nach Frankfurt kam, hat nun mehrere Familienmitglieder wie Bruder und Schwägerin sowie die beiden Hunde Nora und Pablo und drei Katzen aus Charchiv hierher in Sicherheit gebracht.

Untergebracht sind alle Gäste in gemieteten Zeit- und zum Teil in Studentenwohnungen. Bezahlt wird das von der Firma. „Aber das ist gerade völlig untergeordnet, unser Kapital sind unsere Mitarbeiter“, sagt Metter. Wie es mit seinem Land weitergeht? Ihor zieht die Achseln nach oben. „Wir werden es schaffen“, sagt er zuversichtlich – „aber wir brauchen Unterstützung, sonst wird es sehr lange dauern.“

„F + U“ bietet gratis Unterricht

  • Geflüchtete aus der Ukraine möchte das Bildungsunternehmen „F + U“ in ihr interkulturelles Netzwerk aufnehmen „und sie so gut wie möglich bei der Integration in Heidelberg zu unterstützen“, teilt eine Sprecherin mit.
  • Mit Mitarbeitenden aus allen „F + U“-Einrichtungen, der Sprachschule Academy of Languages Heidelberg und den allgemeinbildenden Schulen des Heidelberger Privatschulcentrums (HPC Schulen), sei ein umfassende Hilfs- und Integrationsangebot aufgestellt worden. Zusätzliche Schulplätze für ukrainische Kinder jeden Alters würden mit Stipendien und mit dem Förderverein zur Verfügung gestellt: „Wir brauchen schnelle und unbürokratische Hilfe. Die Kinder haben Schlimmes erlebt und es ist wichtig, dass sie so gut wie möglich abgelenkt werden, einen geregelten Alltag mit anderen Kindern erleben und nach vorne schauen können“, betont „F + U“-Geschäftsführer Oliver Sauer

Wohnraum gesucht

Heidelberg trägt gelb-blau, die Nationalfarben der Ukraine. Das Schloss, Plakate, Transparente bei Friedensdemos signalisieren Solidarität. Die Hilfs- und Spendenbereitschaft ist riesig, „Die humanitäre Katastrophe in der Ukraine verschärft sich täglich“, setzt Stadtchef Eckart Würzner am Freitag in einer Mitteilung auf weitere Unterstützung: „Mehr als 1,5 Millionen Menschen sind auf der Flucht in die europäischen Nachbarländer. Auch wenn die Zugangszahlen noch niedrig sind – in Heidelberg werden zunehmend mehr Menschen ankommen und von den Landeserstaufnahmestellen an die Kommunen geleitet. Darauf wollen wir vorbereitet sein.

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Für die Geflüchteten werde dringend Wohnraum gesucht: „Unsere städtischen Kapazitäten werden bei hohen Zugangszahlen nicht ausreichen“, bat Würzner. „Heidelberg ist eine Willkommensstadt“, formuliert Mathias Schiemer, Geschäftsführer von Heidelberg Marketing. „Nun benötigen wir viel, viel Geld“, fügt er hinzu. Der Rotary Club Heidelberg Neckar hat ein Spendenkonto „Ukraine Soforthilfe“ eröffnet (DE 806729 0000005050 5014).

Tipps und Hilfe: heidelberg-fluechtlinge.de

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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