Heddesheim. Vincent Wenninger ist eigentlich Agrarwissenschaftler. Was er auf einem großen Gelände in Heddesheim macht, ist gewissermaßen das Gegenteil von Ackerbau. Als Mitarbeiter der Firma WST in Eppelheim besteht seine Aufgabe nämlich darin, den Boden zu untersuchen. Im Auftrag von TransnetBW und MVV. Die beiden Unternehmen wollen auf dem landwirtschaftlichen Areal zwischen Heddesheim und Mannheim-Wallstadt ein Umspannwerk bauen. Pläne, die in der Gemeinde auf große Widerstände treffen.
„Ich bin Quereinsteiger“, erzählt der Bodenexperte. 49-mal hat Wenninger in den vergangenen Tagen die große, rollende Bohrmaschine angesetzt, um dem Boden auf den Grund zu gehen. Zusammen mit Vincenzo, den er liebevoll seinen italienischen Bruder nennt. Wie eine Planierraupe bewegt sich das Gefährt auf Kunststoffketten über das Gelände.
Die Bohrlöcher sind noch aus den ersten Durchgängen markiert. Dort hält der Wagen passend an, eine Stahlplatte mit Loch in der Mitte wird darüber gelegt, und schon geht es los. Fast spielerisch sieht es aus, wenn Vincent und Vincenzo die Maschine bedienen. Jeder Handgriff sitzt. Fünf bis acht Meter werden die Rohre in die Tiefe getrieben. In mehreren Etappen.
Wenn die erste Hülse versenkt ist, wird sie wieder herausgezogen. Im Innern befinden sich nun die Proben. Dann geht es weiter. Ein zweites, ein drittes, ein viertes Mal. Zuletzt wird noch ein Sensor in die Tiefe gelassen. Sollte er auf Grundwasser stoßen, leuchtet eine orange Lampe auf. Das war allerdings nirgendwo auf dem untersuchten Gelände in Heddesheim der Fall, wie Wenninger berichtet. Ganz zum Schluss kommt noch Bentonit in das Loch, ein Blähton, der aufquillt und den Zugang in die Tiefe wie ein Propfen verschließt. So soll verhindert werden, dass das Grundwasser verunreinigt wird.
Die Hülsen mit den Proben werden auf der Ladefläche des Bohrgerätes abgelegt und dann an den Rand des Geländes gebracht. Dort legt sie Vincent auf eine ausgelegte Plane und nimmt die sogenannte Bodenansprache vor. Die zwei Meter lange Röhre ist in vier Abschnitte unterteilt. Im obersten befindet sich dunkle Erde. Mutterboden. Das Material, aus dem die Pflanzen ihre Nahrung ziehen. In weiteren Abschnitten erkennt der Laie so etwas wie Lehm und Kies. Der Experte kann das genauer klassifizieren und aufschreiben. Außerdem wird aus jedem der vier Abschnitte Material mit einem Stechbeitel herausgenomen und in kleine Plastikeimer gefüllt. Ein Liter je Schicht für die spätere Untersuchung im Labor.
Recht simpel wirkt dagegen ein Test, den Stefan Merseburger vom Ingenieurbüro Soil Water Ecology Consult aus Karlsruhe demonstriert. Der promovierte Umweltgeograf und Umweltmanager mit Fachexpertise im Bereich Bodenschutz formt eine walnussgroße, leicht feuchte Bodenprobe zwischen den Handtellern zu einer Kugel, um sie anschließend zu einer dünnen Walze von etwa halber Bleistiftstärke auszurollen. Lässt sich diese Walze problemlos biegen, liegt Ton vor. Man findet aber auch Schluff und Sand oder eine Mischung mehrerer Komponenten. „Es gibt tonigen Lehm und lehmigen Ton“, erklärt Merseburger. Insgesamt sind es 34 Abstufungen, die sich anhand eines Rasters feststellen lassen.
Bodenansprache, nennen die Geologen diese Art der Analyse. Sie bestimmt, in welcher Schichtgrenze welche Bodenart vorkommt. Bereits in einem früheren Bohrdurchgang wurde die Tragfähigkeit des Bodens in verschiedenen Tiefen gemessen. Mit einem dynamischen Penetrationshammer (DPH) wird zu diesem Zweck die Sonde bis zu zehn Meter tief in den Boden gerammt. Man zählt die Hammerschläge, die notwendig sind, um die Sonde um jeweils zehn Zentimeter vorzutreiben.
Daraus lässt sich dann die Beschaffenheit und Stabilität des Untergrunds ermitteln. Das wiederum ist wichtig, um im Falle eines Baus die Dimension von Fundamenten zu bestimmen. Ob es auf den ersten Blick etwas Ungewöhnliches gab? Vincent verneint: „Der Boden entspricht dem, was von der geologischen Karte her zu erwarten war.“ Eine fruchtbare, humusreiche Oberbodenschicht, gefolgt von lehmigen und sandigen Horizonten bis in größere Tiefen.
Die Bodenuntersuchung dient allerdings nicht nur dem eigentlichen Bau des Umspannwerks, sollte dieser vom Regierungspräsidium genehmigt werden. Es geht vor allem um den Umgang mit dem Boden. „Hier sind ja sehr fruchtbare Böden und generell sind diese per Gesetz geschützt und dürfen nicht einfach deponiert werden“, erläutert der Geologe.
„Wenn der Boden gerettet werden muss, dann muss der ja irgendwo hin. Und dann kann man tonigen Boden nicht irgendwo auf den sandigen Acker werfen, das muss passen“, ergänzt der Projektbeauftragte Markus Golde von TransnetBW. Dafür ist auch ein Bodenschutzkonzept erforderlich. Um Verzögerungen bei einem möglichen Bau zu vermeiden, werde das schon vorab untersucht: „Das muss alles genau geplant werden und auch genehmigt sein.“ Jetzt aber muss erst einmal das Planfeststellungsverfahren absolviert werden. Noch hat es gar nicht richtig begonnen.
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