Ultranet

Bürstadt: Arbeiten am Ultranet laufen auf Hochtouren

Zwischen Umspannwerk und Rosengarten in Bürstadt tauscht Amprion 17 Masten aus. In etwa drei Jahren soll das Ultranet Windstrom aus dem Norden bis nach Philippsburg transportieren

Von 
Sandra Bollmann
Lesedauer: 
Die alten Strommasten sind bald Geschichte, demnächst gibt es Ersatz: Zwischen Umspannwerk und Wolfsweiher werden die neuen Fundamente gegossen. © Berno Nix

Bürstadt/Biblis. Bevor es hoch hinaus geht, wird erst einmal in die Tiefe gebohrt: Mit schwerem Gerät arbeiten sich die Bautrupps bis zu 17 Meter nach unten ins Erdreich, um die Fundamente für die neuen Strommasten vorzubereiten. Die Stahlbauwerke werden für das Ultranet gebraucht, das bald mitten durchs Ried führt.

Hier soll künftig umweltfreundliche Windenergie von Nord nach Süd fließen. In Bürstadt und Biblis wird dafür bereits kräftig gearbeitet.

Trassen gehen bis nach Mannheim-Wallstadt

Die erste Ausbaustufe - Abschnitt 1 - reicht vom Kernkraftwerk westlich an Bürstadt vorbei über Lampertheim und Viernheim bis nach Mannheim-Wallstadt. Stromnetzbetreiber Amprion kann dafür zwar zum großen Teil bestehende Masten nutzen, erläutert Sprecherin Joëlle Bouillon.

Vor allem auf Bürstädter Gemarkung stehen allerdings größere Umbauarbeiten an: 17 Masten werden abgebaut. An deren Stelle entstehen zwölf neue und damit fünf weniger als zuvor. Dafür überragen sie die alten, knapp 80 Meter hohen Modelle um etwa fünf Meter.

Neubau am ehemaligen Kernkraftwerk Biblis

Zwischen dem Umspannwerk bei Rosengarten und dem Wolfsweiher ist dafür gleich auf zwei Baufeldern schweres Gerät im Einsatz. Die alten Masten stehen noch, einige Stromleitungen fehlen allerdings schon.

Stromautobahn an die Nordsee

  • Das neue Ultranet soll über 340 Kilometer Osterath am Niederrhein mit dem badischen Philippsburg vernetzen. Genutzt wird dabei zum großen Teil die bestehende Trasse. Weil durch die neuen Leitungen Gleichstrom fließen soll, müssen die Masten nachgerüstet, in einzelnen Fällen auch ausgetauscht werden.
  • Gleichstrom hat auf lange Strecken Vorteile, weil es bei der Übertragung deutlich weniger Verluste gibt als mit dem herkömmlichen Wechselstrom. Allerdings werden dafür auch Konverter gebraucht, um Wechselstrom in Gleichstrom und zurück zu verwandeln. Diese Konverter werden am Anfang und am Ende der Trasse gebraucht, informiert der Stromnetzbetreiber Amprion, also in Philippsburg und Osterath.
  • Das Ultranetz ist der südliche Teil einer neuen Stromautobahn bis an die Nordsee: Die Leitung A-Nord soll den Niederrhein mit Ostfriesland verbinden - allerdings über ein Erdkabel, weil es auf dieser Strecke noch keine Stromtrasse gibt.
  • Im November 2023 hat der Bau der Leitung begonnen, wie Amprion mitteilt. Die Inbetriebnahme ist für 2027 geplant. 

Lediglich sieben Masten bleiben auf Bürstädter Gemarkung erhalten und werden fit gemacht für die Gleichstromübertragung. Dafür tauschen Fachleute die Isolatoren und zum Teil auch Leiterseile aus, erläutert die Amprion-Sprecherin. Dann führen die Masten parallel Leitungen mit Wechselstrom und Gleichstrom.

Auch Biblis gehört - zumindest bis zum abgeschalteten Atomkraftwerk - zur aktuellen Ausbaustufe. Hier lässt Amprion neun Masten aufrüsten, Isolatoren austauschen und Leitungen spannen. Allerdings werden auch hier zwei Neubauten gebraucht: Ein zusätzlicher Mast ist bereits direkt beim Akw entstanden, ein zweiter kommt noch hinzu.

Bevölkerung aktuell offenbar entspannt

Der Bereich nördlich davon gehört zum nächsten Ausbauabschnitt, für den das Planfeststellungsverfahren allerdings noch läuft. Noch in diesem Sommer soll die Beteiligung der Öffentlichkeit stattfinden, wie Amprion ankündigt.

Zumindest auf Bibliser Gemarkung sind dafür keine Neubauten geplant, die acht Masten dürfen stehenbleiben und werden nachgerüstet.

Die Amprion-Baustelle für die Ultranet-Strommasten bei Bürstadt. © Berno Nix

In der ehemaligen Kernkraftgemeinde und auch in Bürstadt hat das Amprion-Projekt bislang wenig Aufregung verursacht. Der Übertragungsnetzbetreiber war inzwischen mit Infoständen jeweils vor Ort und hat Fragen beantwortet. „Die Rückmeldungen vieler Gemeinden sind sehr positiv“, fasst Sprecherin Joëlle Bouillon zusammen. Um der neuen Stromautobahn den Weg zu bereiten, werde lediglich Bestand genutzt. Größere Eingriffe seien nicht geplant. „Die Trasse gibt es ja schon“, stellt sie fest.

Ultranet wichtig für die Energiewende

In Lampertheim läuft dagegen immer noch das Verfahren am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Stadt hat Klage eingereicht, weil mit dem neuen Ultranet ein größerer Abstand zu Neubaugebieten eingehalten werden muss als bisher. Damit würden die geplanten Neubaugebiete „Gleisdreieck“ und „Im langen Gräbel“ in Hofheim deutlich kleiner ausfallen. „Eine aufschiebende Wirkung hat das allerdings nicht“, versichert die Sprecherin. Die Arbeiten sind auch in Lampertheim bereits angelaufen.

Dennoch hat das Ultranet eine lange Vorlaufzeit. Die ersten Pläne, neue Stromautobahnen von Nord nach Süd einzurichten, stammen aus 2012, ein Jahr später wurde der vordringliche Bedarf im Bundesbedarfsplangesetz festgelegt.

Genehmigungsverfahren dauert lange

Eigentlich sollte das Ultranet startbereit sein, wenn das Atomkraftwerk Phillipsburg vom Netz geht. Das war am 31. Dezember 2019 der Fall. Inzwischen gilt Anfang 2027 als machbares Ziel, das Projekt hat ordentlich Verspätung. Dabei soll das Ultranet zwei Gigawatt elektrische Leistung von Norden in den Süden übertragen und den Atomstrom fast vollständig ersetzen. Rund 2,5 Gigawatt hatte Philippsburg geliefert.

Mehr zum Thema

Energiewende

Baustart an der Ultranet-Trasse in Lampertheim

Veröffentlicht
Von
Stephen Wolf
Mehr erfahren
Stromautobahn

Wie der AKW-Standort Philippsburg die Energiewende voranbringt

Veröffentlicht
Von
Stephan Alfter
Mehr erfahren
Rückblick

Rückbau des Atomkraftwerks in Biblis wird sichtbar

Veröffentlicht
Von
Petra Schäfer
Mehr erfahren

„Das Genehmigungsverfahren ist vergleichbar mit dem Verfahren für einen Neubau“, erläutert Joëlle Bouillon, also aufwendig und langwierig. Inzwischen gebe es zwar Möglichkeiten für deutlich schlankere Verfahren - für die Ultranet-Planung aber doch zu spät. Aktuell zählt die Stromtrasse allerdings zu den drei wichtigsten Projekten für die Energiewende, die die Bundesregierung „mit hoher politischer Priorität“ umsetzen will, wie im Koalitionsvertrag nachzulesen ist.

Mit weiteren Verzögerungen sei nicht zu rechen, bestätigt auch die Amprion-Sprecherin. Spätestens in drei Jahren soll Windstrom von der Ostsee bis nach Philippsburg fließen.

Redaktion Redakteurin "Südhessen Morgen", Schwerpunkt Bürstadt

Copyright © 2025 Südhessen Morgen

VG WORT Zählmarke