Heddesheim. Es sieht aus, als habe sich da ein Mensch zusammengekauert und schlafengelegt. Die Beine sind angewinkelt und angezogen, der Körper liegt auf dem Boden, der Kopf ist zur Seite gedreht. Erfahrene Archäologen erkennen daran sofort: Dieses Skelett ist viele tausend Jahre alt. Es handelt sich um ein so genanntes Hockergrab, wie es in der Jungsteinzeit bei Bestattungen üblich war.
Gefunden wurde es in den vergangenen Tagen in Heddesheim, nordwestlich einer Grabungsstelle im Neubaugebiet „Mitten im Feld“. „Völlig überraschend“, wie Inga Kretschmer vom Landesamt für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium (RP) Stuttgart erklärt. Dass es sich tatsächlich um eine Hockerbestattung handelt, lässt sich anhand der Beigaben belegen: Gefäßreste und zwei große verzierte Muschelscheiben. Sie können auf das 3. Jahrtausend vor Christus datiert werden, das Ende der Jungsteinzeit.
An der Neckarschleife lebten schon sehr früh Menschen
Dass es im Neckarmündungsgebiet jungsteinzeitliche Siedlungen gab, sei durchaus bekannt, erklärt die Archäologin. Bislang habe es im Bereich der Neckarschleife nördlich von Heddesheim aus dieser Epoche nur vereinzelte Lesefunde gegeben, also solche, die zufällig und ohne gezielte Grabung gemacht wurden. „Durch die aktuelle Entdeckung konnte nachgewiesen werden, dass die Besiedlung dieses Areals wesentlich länger zurückreicht, als es bislang bekannt gewesen ist“, freut sich Kretschmer.
Dass sie jetzt ans Licht kamen, ist kein Zufall. Schon 2018 war im Zusammenhang mit der Erschließung des Neubaugebietes großflächig gegraben worden. Dadurch war laut Kretschmer bekannt, dass hier im Bereich einer ehemaligen Neckarschleife eine große bedeutende Ansiedlung aus dem 1. bis 4. Jahrhundert (neckarsuebische Epoche bis frühalamannische Zeit) lag. Es gab Wohn- und Speicherbauten in Pfostenbauweise und ein großes Wirtschaftsareal mit zahlreichen, in die Erde eingetieften Grubenhäusern, die bei den Ausgrabungen reiches Fundmaterial brachten.
Die vorgeschichtliche Siedlung war größer als bisher gedacht
„Ebenso war bereits durch Siedlungsreste und Bestattungen aus der Bronzezeit sowie Grabhügelreste, Hausgrundrisse und Vorratsgruben aus der Eisenzeit bekannt, dass das Areal bereits in der Vorgeschichte besiedelt gewesen ist“, erläutert die Wissenschaftlerin. Und diese Besiedlung musste sich weiter Richtung Norden erstrecken, war also an der Grabungsfläche nicht zu Ende. Das sei durch zahlreiche Lesefunde in diesem Areal bekannt.
Wie weit die Siedlungen reichten, das wollte die Archäologin genauer herausfinden. „Um die Ausdehnung zu erfassen, wurden in den angrenzenden Ackerflächen über mehrere Jahre großflächige geophysikalische Prospektionen durchgeführt“, berichtet Kretschmer.
Dabei können archäologische Relikte wie Mauerreste, verfüllte Gräben, Gruben oder Grabhügel durch Anomalien im Erdmagnetfeld in so genannten Magnetogrammen sichtbar werden. „Das Magnetogramm dieser Prospektionen ergab ein gutes Bild der großflächigen Ausdehnung des besiedelten Areals nördlich von Heddesheim“, erläutert die Forscherin.
Doch jede Antwort wirft neue Fragen auf. Einige der sichtbaren Strukturen legten die Vermutung nahe, dass hier möglicherweise ein größeres Gebäude gestanden haben könnte. Das war der Anlass, auch auf einem Acker außerhalb des Neubaugebietes der Geschichte buchstäblich auf den Grund zu gehen. Eine Fläche wurde daher näher untersucht. Doch dabei stellte sich laut Kretschmer heraus, dass die im Magnetogramm sichtbaren linearen Strukturen nicht zu einem Gebäude gehörten. Vielmehr habe es sich um eine Vielzahl nebeneinander aufgereiht liegender eisenzeitlicher Vorratsgruben (um 5. Jahrhundert v. Chr.) gehandelt.
Wie bereits aus den Vorratsgruben aus „Mitten im Feld“ konnte aus diesen Gruben archäologisches Fundmaterial wie etwa Knochen, Keramikscherben, Schlacken und Brandlehm von Feuerstellen geborgen werden. Darüber hinaus wurden auch einige neckarsuebische Siedlungsgruben und Pfosten dokumentiert. Aus all dem schließt die Archäologin, dass das Gebiet nicht nur im 1. bis 4. Jahrhundert großflächig besiedelt war, sondern schon in vorgeschichtlicher Zeit.
Das menschliche Skelett interessiert die Forscher weiter
Und was passiert jetzt mit den sterblichen Überresten des Menschen, der da vor rund 5000 Jahren beigesetzt wurde? „Die Bestattung wurde geborgen und wird noch untersucht“, teilt die Denkmalpflege mit. Die Anthropologie könne eine Einschätzung des Geschlechts, des Alters und der Körpergröße treffen und gegebenenfalls auch Rückschlüsse auf Krankheiten oder Ernährungszustand ziehen. Durch eine naturwissenschaftliche Datierung der Knochen könnte zudem eine genauere zeitliche Einordnung erfolgen.
Dass man auch früher schon offensichtlich gut und gerne in Heddesheim gelebt hat, kann ich sehr gut nachvollziehen
Und danach kommt er ins Museum? „Ob der Fund einmal ausgestellt wird, können wir derzeit nicht beantworten“, heißt es von der Denkmalpflege. Wahrscheinlicher ist das bei den Beigaben: „Die durchbohrten und verzierten Muschelscheiben sind in jedem Fall kein alltäglicher Fund.“
Bürgermeister Weitz freut sich mit den Archäologen
„Mit diesem Skelett wurde nun offensichtlich ein weiterer und besonderer Fund gemacht, der das Bekannte bestätigt, für die Experten aber durchaus von Beachtung ist“, freut sich Bürgermeister Achim Weitz. Ob eine entsprechende Infotafel oder ähnliches im Umkreis der Fundstelle angebracht wird, habe man noch nicht entschieden, sagt er auf Nachfrage. Das würde gegebenenfalls in Absprache mit dem RP Stuttgart und den Archäologen erfolgen.
„Dass man auch früher schon offensichtlich gut und gerne in Heddesheim gelebt hat, kann ich sehr gut nachvollziehen“, formuliert er, betont jedoch auch: „Wirklich fachlich einordnen kann ich den Fund natürlich nicht. Grundsätzlich stehen doch eher die ,lebenden’ Heddesheimerinnen und Heddesheimer im Vordergrund unserer Arbeit.“
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels hieß es fälschlicherweise, das Grab sei 7000 Jahre alt. Diese Zahl wurde vom Amt für Denkmalpflege nachträglich korrigiert.
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