Heddesheim - Landesdenkmalamt gräbt am Nordrand der Gemeinde aus / Baugebiet liegt in einer einstigen Siedlung

„Mitten im Feld“ wohnten schon vor 2000 Jahren Menschen

Von 
Hans-Jürgen Emmerich
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In dem Areal am nördlichen Ortsrand von Heddesheim haben vor knapp 2000 Jahren deutlich mehr Menschen gelebt als bislang bekannt. Zu dieser Erkenntnis kommen Archäologen des Landesdenkmalamtes. Bei den Grabungen im zweiten Abschnitt des Baugebietes „Mitten im Feld“ haben sie eine Fülle von Spuren menschlicher Besiedlung gefunden.

„Der Bereich nördlich von Heddesheim ist eine überregional bedeutende Fundstelle“, erklärt Inga Kretschmer vom Landesamt für Denkmalpflege beim Regierungspräsidium Stuttgart bei einem Besuch des „MM“ vor Ort. Hier sei wie schon im ersten Abschnitt eine große Siedlung nachzuweisen, die vom ersten bis zum fünften Jahrhundert nach Christus kontinuierlich genutzt worden sei. „Eine sehr spannende Zeit“, wie die Expertin weiß, nämlich der Übergang von der römischen Kaiserzeit zur frühalamannischen Besiedlung.

Verräterische Farbspuren

Funde aus der Spätantike und der Vorgeschichte (Bronze und Eisenzeit) zeigten, dass das gesamte Gebiet immer dicht besiedelt gewesen sei. Kretschmer deutet auf die freigelegten Spuren: „Hier liegt wirklich ein Haus neben dem anderen.“ Der Laie erkennt da auf den ersten Blick gar nichts, der Fachmann interpretiert markante Verfärbungen im Boden und kann daraus ablesen, wo vor weit mehr als tausend Jahren Häuser gestanden haben.

An dieser Stelle standen gleich zwei sogenannte Grubenhäuser, und zwar nacheinander, wie die Archäologen aus dem Umstand schließen, dass sich die Grundrisse teilweise überlagern. Sie hatten unterschiedliche Funktionen, dienten etwa als Werkstatt oder Speicher, wie Kretschmer erläutert. Woran man die Werkstätten heute noch erkennt? Zum Beispiel an Spinnwirteln, die zum Spinnen der Fäden gebraucht wurden. Solche habe man hier in großer Zahl gefunden. Ein Hinweis darauf, dass hier auch Stoff gewebt wurde.

In den beiden nacheinander entstandenen und bewohnten Grubenhäusern zeigt die Archäologin freigelegte Gefäße aus Keramik. Gefunden habe man sowohl einheimische als auch römische, Terra sigillata. „Spannend wird es, festzustellen, wann wo gesiedelt wurde“, gibt die Forscherin einen Ausblick. Denn alles, was hier zu Tage gefördert wird, landet erst einmal im Zentralarchiv des Landes in Rastatt, bis es – möglicherweise – Inhalt von Forschungsarbeiten wird. Eines steht aber für Kretschmer schon heute fest: Die Grubenhäuser wurden zu römischer Kaiserzeit in örtlicher Bauweise errichtet und von der einheimischen Bevölkerung unter römischer Verwaltung bewohnt: „Römische Steinbauten gab es hier nicht.“

Während die Grubenhäuser in Fachwerkbauweise eher klein waren, gab es auch große Langhäuser, rund 20 Meter lang und zehn Meter breit. Hier lebten Menschen und Tiere unter einem Dach. Eine Vielzahl von weißen Schildchen und Plastikbechern lässt die Dimension dieser Bauten erkennen. Jeder dieser Punkte steht für ein Pfostenloch. Darin standen hölzerne Stützen, auf denen das Dach des Hauses ruhte.

An einer Stelle fällt ein freigelegtes Keramikgefäß im Boden auf. „Vermutlich römisch“, erläutert die Grabungsleiterin. Und was ist das seltsame Gebilde nebenan, das in der Wand des Grubenhauses zu stecken scheint? Ohne eine genaue Untersuchung kann Jasmin Rüdiger nur mutmaßen: „Das könnte ein Messer sein. Oder ein Werkzeug.“

Bauarbeiten ab April

Im Süden des Gebietes fanden die Archäologen bislang vor allem Abfallgruben, Ofenstellen und einen Brunnen. „Eine Latrine haben wir auch“, ergänzt Grabungsleiterin Rüdiger, „also alles typische Siedlungsbefunde“. Rund zehn Mitarbeiter der Denkmalpflege sind seit Juli im Einsatz. Trotzdem werden sich die Arbeiten bis ins nächste Jahr hinziehen. „Die Erschließung des Baugebietes ist dadurch aber nicht gefährdet“, verspricht Kretschmer. Diese soll im April 2019 beginnen und bis Mitte 2020 abgeschlossen sein, wie Bürgermeister Michael Kessler vergangene Woche im Gemeinderat ankündigte.

Info: Fotostrecke: morgenweb.de/heddesheim

Heddesheim

Archäologen graben Siedlungsreste aus

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