Edingen-Neckarhausen. Das Freizeitbad in Neckarhausen wird ab Ende August zwölf Wochen geschlossen, länger als sonst üblich. Diesmal geht es nicht um die normalen Wartungsarbeiten, sondern um eine grundlegende Sanierung von Heizung und Lüftung.
Die Gemeinde geht dabei einen Weg weiter, den sie schon vor mehr als 20 Jahren eingeschlagen hat: Ein Investor bringt das Geld für die notwendigen Investitionen auf und refinanziert sich während der Laufzeit vor allem durch die eingesparten Energiekosten. Was anfangs die ABB-Gebäudetechnik war, ist heute die Firma E1 Energiemanagement in Nürnberg.
In der ersten Runde 2006 erhielt das Bad unter anderem ein Blockheizkraftwerk, das neben der Wärme für die Heizung auch elektrischen Strom liefert und eine Leistung von 50 KW hat. Außerdem wurden mehrere Pumpen ausgetauscht und die Regelung für die Heizung und Lüftung erneuert.
Das Herzstück der Anlage muss in Einzelteile zerlegt werden
Diesmal geht es an das Herzstück der Anlage, das zentrale Lüftungsgerät. Es sorgt dafür, dass die Luft in der Schwimmhalle kontinuierlich ausgetauscht und entfeuchtet wird. Ein kleines Monstrum, wie die Ausmaße zeigen: Sieben Meter lang, 3,50 Meter breit und mannshoch. Mehr als fünf Tonnen bringt es auf die Waage. Um das alte entsorgen zu können, muss es in Einzelteile zerlegt werden. „Es würde gar nicht durch die vorhandenen Türen passen, erläutert E1-Geschäftsführer Ralf Schrauder im Gespräch mit dieser Redaktion. Gleiches gilt für das neue Gerät, das in Einzelteilen geliefert und erst im Technikkeller des Bades zusammengebaut wird: „Das muss mitten rein ins Herz.“
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Bereits im Dezember 2004 hatte die Gemeinde auf Vorschlag des damaligen Bürgermeisters Roland Marsch bei der Klimaschutz- und Energieberatungsagentur (Kliba) ein Gutachten in Auftrag gegeben, um die Möglichkeiten von Energiespar- oder Anlagen-Contracting auszuloten.
Im Oktober 2006, wurde dann der Auftrag an die ABB-Gebäudetechnik vergeben. Sie wollte 1,2 Millionen Euro investieren, um innerhalb von 14 Jahren in verschiedenen Liegenschaften 42 Prozent der Energiekosten einzusparen.
In den Jahren 2001 bis 2020 sollten in allen kommunalen Liegenschaften zusammen rund 10 700 Tonnen CO2 eingespart werden, tatsächlich waren es laut E1 sogar knapp 11 200 Tonnen.
In der zweiten Runde des Contractings sollen nun insgesamt rund 4,3 Millionen Euro investiert werden. Das Geld dafür finanziert sich überwiegend durch die dadurch erzielten Einsparungen. Rund eine Million Euro muss die Gemeinde zu den Baukosten zuschießen.
Unterm Strich wird der CO2-Ausstoß um 613 Tonnen pro Jahr reduziert. Das sind immerhin fast 75 Prozent dessen, was in der ersten Runde des Contractings von 2006 an erzielt wurde. hje
Von der Funktionsweise unterscheidet sich das neue Gerät von dem alten kaum. „Es ist aber wesentlich effektiver“, versichert Schrauder. Nach wie vor wird im BHKW Erdgas verbrannt, allerdings nur dann, wenn es im Winter sehr kalt ist. In der übrigen Zeit kommt eine Wärmepumpe zum Einsatz, die die notwendige Wärme mit Strom erzeugt. Elektrizität soll künftig zum Teil aus der Sonne kommen, eine PV-Anlage auf dem Dach wird gerade statisch geprüft. „Die Kunst besteht darin, die Wärmeproduktion so zu steuern, dass möglichst wenig Gas dafür verbraucht wird“, macht der Ingenieur klar, wie groß die Bedeutung einer modernen und intelligenten Regelungstechnik ist.
Ein weiterer Schritt in Richtung Klimaneutralität
Für die Gemeinde bedeutet das einen weiteren Schritt in Richtung Klimaneutralität, die bis 2035 erreicht werden soll. Zugleich wagt sie einen Einstieg in die Nahwärmeversorgung. Während in der Vergangenheit ein Anschluss der Heizung im Schloss ans Freizeitbad noch aus Kostengründen verworfen wurde, soll es jetzt eine Verbindung über die Hauptstraße hinweg geben. Eine ähnliche Wärmeinsel ist an der Werner-Herold-Halle geplant, die künftig an Heizung der Pestalozzischule angebunden wird.
Finanziell erweist sich das BHKW im Freizeitbad Neckarhausen schon heute als Gewinn für die Gemeinde. Laut E1 gab es anfangs einen Überschuss von rund 32 000 Euro, angesichts steigender Energiepreise erhöhte er sich auf knapp 55 000 Euro. Während die ursprüngliche Einsparung dazu diente, die nötigen Investitionen zu finanzieren, kann die Gemeinde die Differenzen von fast 23 000 Euro jährlich jetzt selbst auf der Habenseite verbuchen.
Mit der zweiten Runde des Contractings erwartet die Gemeinde weitere 490 000 Euro Ersparnis pro Jahr in allen betroffenen Liegenschaften. Das reicht diesmal nicht ganz aus, um die Investitionen zu finanzieren. Deshalb muss die Kommune knapp eine Million als Zuschuss zu den Baukosten leisten. Langfristig wirkt sich aber auch das positiv auf die Finanzen aus.
Wegen seines großen Defizits ist das Freizeitbad umstritten
Wegen seines jährlichen Defizits wird das Freizeitbad immer wieder hinterfragt. Denn Edingen-Neckarhausen ist insgesamt defizitär und kann Investitionen nicht aus eigener Kraft stemmen. Da fallen 800 000 Euro und mehr pro Jahr durchaus ins Gewicht. Bei rund 70 000 Badegästen in einem Jahr muss die Gemeinde pro Besuch 11,80 Euro zuschießen (Ansatz 2024). In Heddesheim sieht das ganz ähnlich aus. Das dortige Hallenbad hat ebenfalls etwa 70 000 Badegäste pro Saison. Wegen umfangreicher Umbau- und Sanierungsarbeiten lassen die Abschreibungen dort das Defizit allerdings auf über 900 000 Euro jährlich ansteigen. Das sind dann fast 13 Euro je Besucher.
Mit seinem Beschluss, das Contracting in Auftrag zu geben, hat der Gemeinderat von Edingen-Neckarhausen im Januar noch vor der Kommunalwahl Fakten geschaffen - und das ganz ohne (öffentliche) Diskussion. „Das Freizeitbad steht bis auf Weiteres nicht zur Disposition“, ließ Bürgermeister-Stellvertreter Dietrich Herold damals auf Nachfrage wissen.
Die Gemeinde sucht übrigens händeringend Verstärkungen für das Service-Team im Freizeitbad. „Fragen Sie einfach mal im Freizeitbad nach oder schauen Sie sich unser Job-Angebot in den aktuellen Ausgaben des Amtlichen Mitteilungsblatts sowie in den Sozialen Medien an“, heißt es in einem Aufruf auf der Webseite des Freizeitbades Neckarhausen.
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