Bürstadt. Dass es in Frankfurt zu wenige Wohnungen gibt, ist nichts Neues. Um den Druck auf die Metropole zu nehmen, sollen nun Kommunen im Umland, die verkehrstechnisch gut angebunden sind, weiteren Wohnraum schaffen. Laut dem neuen Regionalplanentwurf kommen im Kreis Bergstraße dafür fünf Orte infrage: Bürstadt, Biblis, Viernheim sowie Bensheim und Zwingenberg. Konkret für Bürstadt bedeutet das, zwischen 2028 und 2038 auf 22 Hektar neue Bauprojekte zu realisieren.
„Will Bürstadt das?“ Diese große Frage stellte Michael Schweiger vom Bensheimer Planungsbüro Schweiger und Scholz in den Raum. Anschließend erklärte er den Politikern im Ausschuss für Bau und Stadtentwicklung, was das umgerechnet heißt: Um rund 2.200 Neubürger würde Bürstadt in den nächsten 15 Jahren wachsen. Dabei geht der Ingenieur von 50 Wohneinheiten pro Hektar aus. Schweiger meint, die Stadt könne dies verkraften, obwohl 22 Hektar nach enorm viel klingen - und im viel größeren Bensheim auch nicht mehr vorgesehen sind. Nur Viernheim steht mit 27 Hektar und damit einem noch höheren Wert in der Tabelle des Regierungspräsidiums (RP).
Privilegierte Lage durch den Kreuzungsbahnhof
Die gute Infrastruktur mit dem Kreuzungsbahnhof sei ausschlaggebend gewesen, Bürstadt als Entlastungskommune für Frankfurt in Betracht zu ziehen, erklärt Schweiger weiter. „Lampertheim liegt auch an der Bahn und ist nicht dabei“, merkt Bürgermeisterin Bärbel Schader an. Es klingt wie eine Auszeichnung, und auch bei den anderen Politikern regt sich in der Sitzung kein Widerstand gegen diesen Entwurf des RP. Wobei noch Zeit bleibt, gründlich über die Folgen nachzudenken. Erst im Herbst müsse sich die Stadt festlegen und eine Stellungnahme formulieren – nachdem das Parlament eine Entscheidung getroffen hat.
Entlastung für Frankfurt
- Fünf Entlastungskommunen für Frankfurt benennt der neue Regionalplanentwurf im Kreis Bergstraße. Mit 27 Hektar ist Viernheim Spitzenreiter vor Bürstadt und Bensheim mit 22 Hektar. Es folgen Zwingenberg (10) und Biblis (8).
- Neue Siedlungsflächen sollen von 2028 bis 2038 entstehen. In Bürstadt wären das: Langgewann und Zwerghaag in Bobstadt, Boxheimerhof, Sonneneck, Freizeitkicker und Riedrode Nordwest.
- Gewerbeflächen wären am Hasenbuckel in Bobstadt und Brückelsgraben möglich. cos/ü
„Wir können nicht mit einer attraktiven Altstadt punkten, aber hier lässt sich gut wohnen, um woanders zu studieren oder zu arbeiten“, sagt Alexander Bauer (CDU). Der Stadtverordnete und Landtagsabgeordnete will aber auch wissen, ob Bürstadts Infrastruktur diesen Zuwachs von mehr als 2000 Menschen verkraftet. „Reicht unsere Kläranlage aus?“ Schader erklärt, dies noch prüfen zu müssen. Für Bauer steht aber schon fest: „Nichts zu tun, wäre ein Abstieg. Um unseren Status als Mittelzentrum halten zu können, wäre diese Entwicklung wichtig.“
Alföldi (Grüne) sieht Konkurrenz mit Bensheim
„Wir sind hier Gewinnregion“, betont Planer Michael Schweiger. Der Kreis profitiere eindeutig von gleich zwei Metropolregionen: Rhein-Main im Norden und Rhein-Neckar im Süden. „Ich hätte keine Angst, hier weitere 22 Hektar für Wohnungen auszuweisen“, sagt Schweiger offen. Denn diese könnten in vielen kleinen Einheiten neben bestehenden Wohngebieten realisiert werden. Dabei nennt er in Bobstadt das Zwerghaag mit 1,5 und das Langgewann mit 5,9 Hektar, eine Fläche von 2,4 Hektar im Nordwesten Riedrodes, weitere 5,3 Hektar auf dem Boxheimerhof, knapp 4 Hektar im Sonneneck und 3,7 Hektar auf dem Freizeitkickergelände. Ergibt zusammen 22,7 Hektar.
„Wir können froh sein, dass wir hier von Wachstum und Zuzug reden. Wir sollten nur zusehen, dass wir die Wohngebiete mit einer guten Mischung realisieren“, meint Torsten Pfeil (Freie Wähler). Die Zeit reiner Einfamilienhäuser wie im Sonneneck sei vorbei, bestätigt Schweiger. „Dort gibt es relativ wenig Wohnungen auf viel Fläche - diesen starken Verbrauch sollten wir künftig vermeiden.“ Um als Stadt attraktiv zu sein für Neubürger, ist es in den Augen von Klaus Alföldi (Grüne) zwingend notwendig, dass eine Oberstufe an der Erich Kästner-Schule eingerichtet wird. „Wir stehen in Konkurrenz mit Bensheim mit seinen Gymnasien.“
Weitere gut acht Hektar für Gewerbe möglich
Bei den gut 22 Hektar bleibt es übrigens nicht: Für Gewerbe sind im Regionalplanentwurf weitere drei Hektar vorgesehen. „Weil Bürstadt in den vergangenen Jahren schon so viel entwickelt hat.“ Dennoch meint Schweiger, nach Rücksprache mit dem RP seien auch 8 Hektar denkbar. Am Brückelsgraben, wo das Rossmann-Lager steht, gebe es noch eine Restfläche von 2,3 Hektar, und im Norden von Bobstadt liege direkt an der B 44 das Gebiet „Am Hasenbuckel“ mit weiteren 5,8 Hektar, das sich in seinen Augen anbietet.
Was Bürstadt bereits geplant hat, fehlt übrigens im neuen Regionalplanentwurf. Etwa ein Wohnprojekt auf dem Beethovenplatz. Aber auch die Brachfläche Oli II, aber aus einem anderen Grund: Bürgermeisterin Schader geht nicht davon aus, dass die Sanierung der Chemikalien bis 2028 abgeschlossen sein wird.
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