Biblis. Joe Bausch kommt am Mittwoch, 9. April, in die Bibliser Filminsel. Er stellt sein neues Buch „Verrücktes Blut“ vor, in dem er seine eigene Lebensgeschichte aufgeschrieben hat. „Die Menschen werden etwas von mir erfahren“, sagt er. Und nicht nur über das, was im Buch steht. Sondern auch über die Gedanken, die ihm beim Schreiben begleiteten und jetzt während seiner Lese-Tour durch den Kopf gehen.
Joe Bausch ist Schauspieler, Arzt und Autor. Er arbeitete als Leitender Regierungsmedizinaldirektor in der Justizvollzugsanstalt Werl. Im Kölner Tatort spielt er den Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth. Der 71-Jährige legte mit seinen Büchern „Knast“, „Gangsterblues“ und „Maxima Culpa“ Bestseller vor. „Wenn man sich so viel mit den Ursachen von Verbrechen beschäftigt und mit Menschen, die Verbrechen begehen, dann ist man irgendwann bei seiner eigenen Geschichte angekommen.“
Der richtige Zeitpunkt für eine Biografie
„Als ich im Knast arbeitete, habe ich mich oft gefragt, wie viele Gelegenheiten es in meinem Leben gegeben hatte, um auf der anderen Seite des Schreibtischs zu landen. Meine Lehrer, die mich nach dem Abitur ,ins Leben entließen‘, waren der festen Überzeugung, dass ich Drogenhändler oder Zuhälter werde. Die haben vor mir gewarnt.“ Ihnen entging, wie wissbegierig ihr Schüler war. Das Lernen musste zügig gehen, viel Zeit blieb durch die Arbeit auf dem Bauernhof nicht. „Irgendwann habe ich entschieden, ich muss meinen Weg gehen, das gibt mir Energie. Ich bin immer noch neugierig auf das Leben, auf Menschen, auf Begegnungen.“
Doch wie ist es, über das eigene Leben zu schreiben, über die Kindheit in der Nachkriegszeit auf einem Bauernhof im Westerwald? Harte Arbeit, strenge Regeln, Schläge und zum Teil traumatische Erlebnisse gehören zum Alltag des jungen Joe. „Jeder von uns kennt einen in der Familie, der tolle Geschichten von der Familie, von dem Dorf oder irgendwelchen Nachbarn oder aus der Region erzählen kann“, stellt Bausch fest. „Ich bin der erste Akademiker auf diesem Bauernhof, der sich mit Geschichten erzählen in Büchern und Filmen auskennt. Ich werde jetzt 72 Jahre alt und bin damit in einem Alter, in dem man seine Biografie schreiben kann. Es ist der richtige Zeitpunkt für dieses Buch.“
Ein ganzes Dorf erzieht ein Kind - auch mit Schlägen
Ob der Missbrauch durch den älteren Pflegesohn, den die Eltern aufgenommen hatten, im Buch erwähnt wird, darüber habe er zunächst mit der Lektorin gesprochen. „Das ist nichts, was ich mir jetzt spät vom Leib schreiben muss, aber es gehört zu meiner Geschichte und steht deshalb im Buch. Es gibt viele Menschen, denen dies im Augenblick immer noch passiert. 85 Prozent dieser Verbrechen geschehen in der Familie, also im Nahbereich.“
Seit das Buch auf dem Markt ist, habe er 270 Nachrichten von Lesern erhalten. Mehr als bei allen anderen Büchern. Viele hätten ihm bestätigt: „So habe auch ich meine Kindheit auf dem Land erlebt.“ Die meisten hätten auch den Satz gehört: „Und, hat es dir geschadet.“ Darauf reagiere er mittlerweile allergisch. „Ich hätte diesen Satz einmal beinahe zu meiner Tochter gesagt. Dann habe ich ihn heruntergeschluckt und gedacht, jetzt fängst du auch noch an. Wir sind eine Generation, die das immer hörte.“ Gefolgt von: „Ja, es war hart, aber es ist ja doch noch was aus dir geworden.“ So etwas zu sagen, sei böse.
„Für uns war es normal, dass wir gezüchtigt wurden. Das haben die Eltern gemacht, die Lehrer, die Nachbarn. Das ganze Dorf hat ein Kind erzogen. Hast du einem Pauker nicht aufmerksam zugehört, wenn er Geige gespielt hat, dann hat er dir mit dem Geigenstock auf die Birne gezimmert. Wenn das jemand mit meiner Tochter gemacht hätte, wäre ich ihn persönlich angegangen.“
Im Leben oft den Kopf blutig gestoßen
Dieses harte Leben und die Unfähigkeit zu Zärtlichkeit, Nähe und Lebensfreude habe eine ganze Generation bestimmt. Doch es gab auch Trost und Zuflucht in der Nachbarschaft bei jungen Mädchen und Frauen. „Sie sind jetzt Mitte 80, und wir haben immer noch Kontakt.“ Sie schenkten ihm die Aufmerksamkeit, für die seine Mutter keine Zeit hatte.
Der Buchtitel „Verrücktes Blut“ geht auf Bauschs Tante Res zurück: „Ich habe mir in meinem Leben oft den Kopf angestoßen, im echten Leben als Kind und später im übertragenen Sinn. Mein Tante Res war unaufgeregt, im Gegensatz zu meinen Eltern. Sie nahm mich auf den Schoß, drückte das Taschentuch auf die Platzwunde auf meinem Kopf und sagte: ‚Das ist gut, da kann das ganze verrückte Blut abfließen.‘“
Blick in die Abgründe der menschlichen Psyche
Joe Bausch begann nach dem Medizinstudium seine Laufbahn als Arzt in der Justizvollzugsanstalt Werl, wo er über 30 Jahre lang tätig war. Seine Erfahrungen aus dieser Zeit haben sein Leben und seine berufliche Entwicklung maßgeblich geprägt.
Seine Erlebnisse mit den Abgründen der menschlichen Psyche und der Schattenseite der Gesellschaft hat er in seinen Büchern verarbeitet, die sich zu Bestsellern entwickelten.
Darüber hinaus fand er seinen Weg in die Schauspielerei und wurde einem breiten Publikum als Dr. Joseph Roth im „Tatort“ bekannt.
Joe Bausch kommt auf seiner Talk-Lese-Tour am 4. April, 20 Uhr, in die Bibliser Filminsel. Er bringt sein neues Buch „Verrücktes Blut“ mit, in dem er seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat.
Tickets zu 31 Euro im Vorverkauf gibt es bei Hollerbach in Biblis, Radio Preuss in Bürstadt, an der Kinokasse und im Online-Shop www.filminsel-biblis.de.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/biblis_artikel,-biblis-joe-bausch-stellt-sein-buch-verruecktes-blut-in-biblis-vor-_arid,2290821.html