Bürstadt. „Ihre Tochter hat einen Unfall verursacht. Eine Schwangere ist gestorben. Wenn Sie keine Kaution zahlen, muss Ihre Tochter ins Gefängnis!“ Schockanrufe gehören zu den gängigsten Maschen beim Telefonbetrug. Welche Methoden es gibt und wie Betroffene sich davor schützen können, erklärte Gerhard Skora im Rahmen einer zweistündigen Präventionsveranstaltung.
20 vorwiegend ältere Mitbürger kamen ins Gemeindezentrum St. Michael in Bürstadt, um Tipps des Kriminalhauptkommissars entgegenzunehmen. „Ich hätte nie gedacht, dass mir sowas passieren könnte“, erzählte eine Besucherin. Sie selbst erhielt einen Schockanruf – mitten in der Nacht. „Ich war völlig eingeschüchtert und habe es geglaubt“, gab die Seniorin zu. Dass das Ereignis folgenlos blieb, verdankt sie dem Ehemann. „Sofort auflegen!“, hatte dieser gerufen.
Kriminalhauptkommissars Skora: Gespräch sofort beenden!
Das Gespräch zu beenden, sei genau richtig, bestätigte Gerhard Skora, der bei der Polizeilichen Beratungsstelle im Polizeipräsidium Südhessen ein Einzugsgebiet von 1,1 Millionen Einwohnern abdeckt. „Nicht auf Gespräche einlassen, auch kein ‚Spielchen‘ daraus machen“, rät der Beamte. Am besten informiere man umgehend die Polizei. Das gelte auch für die vermutlich bekannteste Masche: „Hallo Oma, rate mal, wer dran ist?“ Der Enkel-Trick funktioniere immer wieder. Allzu leicht gebe das Opfer seinen Namen preis und gehe in die Falle. Im guten Glauben werde Geld abgehoben und oftmals an Fremde übergeben, schildert der Experte.
Um Vertrauen zu erschleichen, täuschten die Täter eine Notlage vor: Ein Unfall, ein Auto- oder Computerkauf – immer sei es „sehr dringend“, sagt Skora. „Nicht unter Druck setzen lassen“, heißt daher das oberste Gebot. Weil die Kriminellen Vollprofis seien, hätten sie den Enkel-Trick weiterentwickelt: Beim „Messenger-Betrug“ geben sie sich als Angehörige aus, die ihre Handynummer gewechselt haben, sagt der Polizist. Auch hier werde mit erfundenen Geschichten Geld erbeutet.
Weitere Betrugsmasche: Falsche Polizeibeamte
„Falsche Polizeibeamte“ stellten eine weitere Betrugsmasche dar. Wiederum gelte: Auflegen und die „echte“ Polizei kontaktieren! 50 Millionen Euro Schaden seien allein 2018 durch falsche „Amtspersonen“ entstanden, berichtete Gerhard Skora, der auf Einladung von Annegret Fettel nach Bürstadt kam. Zuvor hatte die Vorsitzende des VdK-Ortsverbands bereits eine Veranstaltung zur Cyberkriminalität organisiert.
So schützen Sie sich vor Trickbetrügern am Telefon:
Allgemeines:
- Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen!
- Legen Sie auf, sobald Ihnen etwas merkwürdig vorkommt!
- Übergeben Sie niemals Geld und Wertsachen an Unbekannte!
- Geben Sie keine persönlichen und finanziellen Daten am Telefon preis!
- Tipp: Sie müssen nicht im Telefonbuch eingetragen sein!
„Enkeltrick“:
- Legen Sie auf!
- Rufen Sie Ihren Enkel unter einer Ihnen bekannten Nummer an!
- Machen Sie kein „Spielchen“ aus der Situation!
- Rufen Sie die Polizei unter 110 an!
Falsche „Polizisten“:
- Legen Sie auf!
- Rufen Sie die (echte) Polizei unter 110 an!
- Hinweis: Die Polizei fragt niemals am Telefon nach Geldbeständen und verlangt auch kein Geld!
Gewinnversprechen:
- Wenn Sie nicht an einem Gewinnspiel teilgenommen haben, können Sie nichts gewonnen haben!
- Niemand hat etwas zu verschenken!
- Geben Sie niemals Geld aus, um einen vermeintlichen Gewinn zu erhalten!
- Machen Sie keine Zusagen am Telefon!
- Widerrufen Sie einen angeblichen Vertragsschluss, und fechten Sie den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an!
Falsche Handwerker / Wohnungszugangstrick:
- Sie müssen niemanden unangemeldet einlassen!
- Schauen Sie sich die Person durch den Türspion an!
- Benutzen Sie die Türsprechanlage!
- Lassen Sie nur Handwerker ein, die Sie selbst bestellt haben oder die von der Hausverwaltung angekündigt sind! Fragen Sie im Zweifel dort nach!
- Lassen Sie sich von angeblichen Amtspersonen den Dienstausweis zeigen! dtim
Das Ausmaß von Telefonbetrug sei verheerend: „Ganze Existenzen werden vernichtet“, verdeutlichte Skora. Auch wenn Bankmitarbeiter inzwischen sensibilisiert seien, so könnten auch sie eine Abhebung nicht verweigern. Denn schließlich könne ja alles auch völlig legal sein: Der Referent erwähnte den – unbedenklichen – Fall der Seniorin, die einen hohen Geldbetrag nach Rumänien überwies – wo die Verwandtschaft lebte.
Flasche Gewinnversprechen: „Niemand hat etwas zu verschenken“
Weitere Tricks am Telefon seien Gewinnmitteilungen und Gewinnversprechen. „Niemand hat etwas zu verschenken“, lautet die schlichte Weisheit. Ohne Teilnahme an einem Gewinnspiel sei ein Gewinn nicht möglich. In keinem Fall solle man finanzielle Verhältnisse preisgeben. Schon gar nicht verlange die Polizei Geld, bekräftigte Skora. Vermeintliche „Handwerker“ müsse man niemals einlassen! Im Zweifel gelte: nachfragen bei der Hausverwaltung! Ein resolutes Auftreten habe im Übrigen nichts mit „Unhöflichkeit“ zu tun. Es gehe immerhin darum, nicht Opfer zu werden, mahnt Skora.
Sollte es dennoch passieren, dann müsse man handeln. „Falsche Scham“ schütze letztlich nur die Täter. Weil die Fälle nicht immer angezeigt würden, sei gerade beim Telefonbetrug von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Und noch einen Tipp hat die Polizei: „Niemand ist verpflichtet, sich ins Telefonbuch eintragen zu lassen!“, sagt Skora. Ohne Eintrag werde die Suche der Täter nach „altmodischen“ Vornamen erschwert. Bei einem vermeintlichen Unfall sei außerdem zu beachten: In keinem Fall verlangt die Polizei die Zahlung einer Kaution!
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